Score – Eine Geschichte der Filmmusik

In der mitreißenden Dokumentation SCORE – EINE GESCHICHTE DER FILMMUSIK kommen die zu Wort, die sonst im Verborgenen agieren. Mehr zu diesem spannenden Einblick in eine faszinierende Branche verrate ich in meiner Kritik.

Darum geht’s

Wodurch wird eine Filmmusik unvergesslich? „Score – Eine Geschichte der Filmmusik“ zeigt, wie einige der berühmtesten Filmthemen der Kinogeschichte konzipiert wurden und wie die Entwicklungsstufen eines Soundtracks vom leeren Notenblatt bis zum fertigen Score verlaufen. Die bekanntesten Filmmusikkomponisten – alle Meister ihres Fachs – teilen in diesem Dokumentarfilm ihre Erfahrungen und ihr Know-How mit uns, den Zuschauern. „Score – Eine Geschichte der Filmmusik“ demonstriert, welche Macht und welchen Einfluss die Filmmusik hat. Regisseur Matt Schrader veranschaulicht in seinem Film die Entwicklungsprozesse und dokumentiert, wie die Komponisten die Musik zusammenstellen und den Film so untermalen, dass er beim Publikum unmittelbar intensive Reaktionen auslöst.

Kritik

Nach Schauspielern und Regisseuren ist der Filmkomponist für viele die dritte Persönlichkeit, die sich durch ihr Schaffen im Kopf des Zuschauers festsetzen kann. Scores wie jene zu „Star Wars“, „Indiana Jones“, „Der weiße Hai“ oder „Fluch der Karibik“ haben es zu einem Evergreendasein gebracht, das vor unserem inneren Auge direkt Bilder aus den jeweiligen Beiträgen ablaufen lässt. Die großen Namen dazu – John Williams, Hans Zimmer und Co. – halten sich dagegen meist im Hintergrund und werden erst nach vielen Jahren Arbeit zu selbst zu einer Berühmtheit. Im Falle von Hans Zimmer darf man sich dann aber sogar als „Rockstar der Filmmusik“ feiern lassen, wenn er sich sogar anschickt, weltweit Konzerthallen zu füllen. Doch um den kürzlich erst mit einem eigenen Film gesegneten Hans Zimmer allein soll es in „Score – Eine Geschichte der Filmmusik“ gar nicht gehen. Ebenso wenig stehen einzig und allein die bereits etablierten Musiker und Komponisten im Vordergrund. Matt Schrader, der mit dem Filmbusiness zuvor nie etwas zu tun hatte, bei „Score“ allerdings direkt sämtliche Posten von der Kamera über den Schnitt bis hin zu Drehbuch, Regie und Produktion übernahm, erlaubt sich stattdessen einen allumfassenden Blick auf die Arbeit als Filmkomponist und lässt dabei auch solche zu Wort kommen, zu deren bislang größten Arbeiten Filme wie „Angry Birds“ gehörten, aber dennoch nicht weniger Elan an den Tag legen, als der Schöpfer eines Oscar-Scores.

„Fluch der Karibik“-Komponist Hans Zimmer bei der Arbeit

Bereits in der aller ersten Szene offenbart sich die in Score vorherrschende Aktualität: Anstatt direkt mit den eingängigsten Melodien aus „Star Wars“ und Konsorten zu beginnen, hören wir Pianoklänge, die sich später als Teil der Musik des weitestgehend unbekannten Western „The Homesman“ erweisen. Der in Tommy Lee Jones‘ Film für die Scorekomposition verantwortlich zeichnende Marco Beltrami nimmt den Zuschauer mit ins Gebirge. Hier steht ein Klavier. Nicht in irgendeinem Studio, sondern frei auf einem Berggipfel, wo Teile der Musik unter dem Einfluss von Natur- und Hintergrundgeräuschen aufgenommen wurden. „The Homesman“ ist einer von diversen in „Score“ behandelter Filme, die nicht wie das typische Beispiel für die Arbeit an einprägenden Filmmusiken wirken. Doch genau dafür gebührt Matt Schrader der erste Respekt: Selbst wenn er sich zwischendurch auch immer wieder prägenden Beispielen der filmmusikalischen Geschichte widmet, um einzelne Meilensteine und Trendwendemarken aufzuzeigen, gilt sein Hauptaugenmerk der alltäglichen Arbeit. Dafür nimmt er direkt an der Seite der mal mehr, mal weniger bekannten Komponistinnen und Komponisten Platz, verfolgt ihre Arbeit über trockenen Notenblättern bis hin zum Sichten des Films und der anschließenden Komposition. Für spannende Anekdoten aus vielen Jahrzehnten Filmmusikhistorie sorgen unterdessen die Komponisten selbst, die Schrader zu ausführlichen Interviews traf.

Auch bei den Interviews setzt Matt Schrader nicht bloß auf die großen Zugpferde der Komponistenbranche. Zwar erhält ein Hans Zimmer merklich die höchste Screentime – nicht zuletzt, weil er auch mit den interessantesten Anekdoten aufwarten kann. Doch die überraschendsten und nicht selten auch sympathischsten Statements stammen von Persönlichkeiten wie Brian Tyler („Avengers: Age of Ultron“), der zugibt, sich nach Vorstellungen „seiner“ Filme gern auf den Toilettenkabinen der Kinos zu verstecken, um zu horchen, ob die Zuschauer die Melodien seiner Kompositionen pfeifen.  Auch vor dem Herzblut eines Heitor Peireira kann man nach den in „Score“ gemachten Beobachtungen nur noch den Hut ziehen. Im Film dürfen Schrader und sein Team der Fertigstellung des von ihm beaufsichtigten „Minions“-Scores beiwohnen. Wie sich später auch bei der Aufnahme von John Debneys Musiken für „Spongebob Schwammkopf“ feststellen lässt, macht der Regisseur zu keinem Zeitpunkt einen Unterschied innerhalb der Arbeit als Komponist. Hinter jeder Aufnahme steckt Passion, ganz gleich, ob der mit Musik auszustattende Film nun für einen Academy Award nominiert, oder unter „ferner liefen“ im Fernsehen versendet wird. Auch die oftmals nicht einmal miteinander geprobten Orchester, deren Mitglieder darauf trainiert sind, die Musikstücke ausschließlich nach Notenvorgabe zu spielen, erhalten eine kurze Betrachtung sowie eine charmante Liebeserklärung von Hans Zimmer, der in der orchestralen Musik ein Stück weit elementare Menschlichkeit sieht.

Die Abbey Road Studios in London

Unter Zuhilfenahme etwas zu kurzer Rückblenden auf die Ursprünge der Filmmusik, lässt es Matt Schrader im weiteren Verlauf seines Films auch ein wenig theoretisch werden. Dafür lässt er Wissenschaftler zu Wort kommen, die seit Jahren die Faszination verschiedener Scores zu ergründen versuchen, dabei aber nicht selten scheitern. Auch die Besonderheiten einzelner Scores, beispielsweise aus „Der Herr der Ringe“ oder „Der weiße Hai“, wird dokumentiert, indem das entsprechende Musikstück in seine Einzelteile zerlegt und anschließend vor den Augen des Publikums wieder zusammengesetzt wird; nur diesmal, indem die verschiedenen Bestandteile ganz genau dokumentiert werden. Das ist vor allem deshalb so spannend, weil hierbei Beobachtungen hervorgehoben werden, die unterbewusst jeder schon gemacht haben dürfte, sie nun allerdings gezielt präsentiert bekommt. Als am interessantesten erweisen sich dennoch die Momentaufnahmen von Hans Zimmer, Rachel Portman („Zeit für Legenden“) oder Tom Holkenborg alias Junkie XL („Mad Max: Fury Road“), die den Zuschauer an ihrer alltäglichen Arbeit teilhaben lassen; sei es nun bei der ersten Sichtung des Films („Score“ verwendet ausschließlich Original-Filmausschnitte sämtlicher Studios), dem Gespräch mit dem Regisseur oder der abschließenden Aufnahme im Studio. Sogar Quereinsteiger wie Trent Raznor und Atticus Ross („Gone Girl“) dürfen gen Ende kurz zu Wort kommen, die trotz ihrer fehlenden Ausbildung als klassische Komponisten nicht etwa gemieden, sondern als Aufbruch in eine neue Ära der Filmmusik auch von Kollegen gefeiert werden.

Fazit: In „Score – Eine Geschichte der Filmmusik“ gibt Regie-Newcomer Matt Schrader einen Einblick in die faszinierende Welt der Score-Komposition und nimmt sich viel Zeit, um sämtliche Facetten von Job und Branche zu erläutern. Selbst für themenfremde Zuschauer ergibt sich so – auch dank der vielen brandaktuellen Beispiele – ein kurzweiliges Filmerlebnis mit informativem Mehrwert.

„Score – Eine Geschichte der Filmmusik“ ist ab dem 4. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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