Wackersdorf

In seinem spröden Tatsachendrama WACKERSDORF erzählt Regisseur Oliver Haffner von einem Teil der deutschen Geschichte, der bislang nur wenig Aufmerksamkeit erhielt. Es geht um den Kampf der Bürger gegen die Errichtung einer Atomkraftanlage. Ob das wirklich so trocken klingt, wie es sich anhört, das verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Die Oberpfalz in den Achtzigerjahren: In der kleinen Gemeinde Wackersdorf im Landkreis Schwandorf geht alles seinen gewohnten Gang, bis die bayerische Staatsregierung die Pläne für eine Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe aufnimmt. Damit die Bürger diesen einschneidenden Schritt fraglos über sich ergehen lassen, versuchen die Verantwortlichen vor allem den Landrat Hans Schuierer (Johannes Zeiler) auf ihre Seite zu ziehen und schmieren ihm deshalb ordentlich Honig ums Maul. Doch unter den Bürgern regen sich erste Widerstände, die auch an Schuirer nicht spurlos vorbeigehen. Sogar innerhalb seiner eigenen Familie kommen Fragen dazu auf, ob die Politiker ihnen grundsätzliche Risiken nicht einfach verschweigen würden. Vor allem seinen Kindern und einem engagierten Lehrer gelingt es, gezielt Zweifel am WAA-Vorhaben zu streuen, bis auch Schuirer schließlich Widersprüche in den Versprechen seiner Vorgesetzten entdeckt. Er beschließt, sich den Protesten seiner Bürger anzuschließen und stößt dabei auch auf Widerstände aus den eigenen Reihen, bis sich im viele hundert Kilometer entfernten Tschernobyl plötzlich der ultimative Super-GAU ereignet…

Kritik

Heutzutage weiß man nur zu gut um die Risiken, die der Bau einer Wiederaufbereitungsanlage von Kernbrennstoffen mit sich bringt. 1985 befand man sich dagegen noch kurz vor dem ersten großen Super-GAU der Menschheitsgeschichte und hatte die möglichen Folgen eines Atomunglücks massiv unterschätzt. Die bayerische Gemeinde Wackersdorf wurde in genau dieser Zeit zum Sinnbild aufkeimender Beunruhigung, als sich eine ganze Dorfgemeinschaft gegen den Bau eines solchen Betriebsgeländes engagierte und sich nicht zuletzt aufgrund der Tschernobyl-Katastrophe ein Jahr nach Baubeginn gegen die Pläne durchsetzen konnte. Der sich intensiv mit den Belangen seiner hier porträtierten Figuren auseinandersetzende Regisseur und Drehbuchautor Oliver Haffner („Mein Leben im Off“) errichtet diesen Bürgern nun ein filmisches Denkmal, das seine Premiere dieses Jahr auf dem Filmfest in München feierte und dort mit Begeisterung in Empfang genommen wurde. Nachvollziehbar. Denn wenn es darum geht, die von einer einzelnen Gemeinschaft entfachte Kraft einer Bewegung darzustellen, so sind die in „Wackersdorf“ geschilderten Ereignisse brandaktuell – sowohl aus positiver, als auch aus negativer Hinsicht.

Die Bewohner von Wackersdorf sind von den Plänen der Regierung alles andere als begeistert und beginnen, Fragen zu stellen.

Heutzutage ist vor allem die niedersächsische Gemeinde Gorleben zum Inbegriff des Atomstreits geworden. Dort befindet sich eines der bekanntesten Atommülllager, das immer wieder von Protesten und argen Auseinandersetzungen zwischen Atomgegnern und der Polizei begleitet wird, wenn Züge ihren hochgiftigen Müll in die Verbrennungsanlage transportieren. Doch schon viele Jahre vorher kam es zu ähnlichen Konfrontationen: In „Wackersdorf“ schildert Regisseur Oliver Haffner nun einen der ersten, auf der Frage „Atomkraft ja oder nein?“ basierenden Konflikte zwischen Bürgern und der deutschen Regierung was ihn vor allem mit der schwierigen Aufgabe konfrontierte, einen Konflikt wieder neu zu entfachen, der schon längst nicht mehr so neu ist, wie er im Film letztlich erscheinen muss. Der Mitte der Achtzigerjahre ausgetragene Streit endete damals zu Gunsten der Wackersdorfer, das eigentliche Thema wird allerdings so lange aktuell und präsent sein, bis es hierzulande zum Atomausstieg kommt. Nach „WAAhnsinn – Der Wackersdorffilm“ aus dem Jahr 1986 ist das bereits die zweite Spielfilmproduktion rund um den Widerstand in der Oberpfalz, den Oliver Haffner betont nüchtern und trotzdem mit der ständigen Betonung auf die ernsten Umstände der Prämisse inszeniert.

Die Einen mögen es trocken nennen, die anderen „auf’s Wesentliche reduziert“ – „Wackersdorf“ ist erwartungsgemäß kein Film, in dem visuell auf der Leinwand viel passiert. Haffner hätte sein Projekt auch guten Gewissens für das öffentlich-rechtliche Fernsehen produzieren können, denn aus technischer Sicht präsentiert sich sein Film betont unspektakulär. Erzählerisch sagt sich der auch für das Drehbuch mitverantwortliche Haffner allerdings von den gängigen TV-Drama-Mechanismen los. In „Wackersdorf“ konzentriert sich alles auf die politischen Aspekte der Geschichte, während die persönlichen Belange der Charaktere weitgehend unberücksichtigt bleiben. Es gibt keine Lovestory, keine innerfamiliären Konflikte – stattdessen steht ganz allein das politische Engagement des Protagonisten Hans Schuirer im Fokus, das nur sehr vereinzelt vom moralischen Dilemma des Mannes emotional unterfüttert wird; immerhin ist er zunächst noch selbst von den WAA-Plänen überzeugt, bis sich ganz langsam die Erkenntnis einstellt, die Pläne der Regierung auch als Mitglied derselben zu hinterfragen.

Die Bewohner schließen sich zusammen.

Obwohl vor allem die Gespräche zwischen Hans und dem unangenehm-schmierigen Karl-Heinz (Florian Brückner) als Repräsentant des Bauvorhabens alles andere als subtil ausfallen (als Zuschauer fragt man sich von Anfang an, wie man so einem Widerling in seiner vorgespielten Souveränität eigentlich auf den Leim gehen kann), gefällt die Dynamik zwischen den beiden Männern gerade in ihrer Eindeutigkeit. Nach und nach kann man sich in die Gedanken der zunächst ein wenig hysterisch gezeichneten WAA-Gegner hineinversetzen, bis sich der auf der Leinwand entfaltende Zusammenhalt gegen die Baupläne auch auf das Publikum überträgt. Haffner inszeniert die Geschichte derart realistisch und bodenständig, dass man am Ende genau zu wissen glaubt, wie all das damals genau abgelaufen ist. Und mit der Idee, zwischendrin immer wieder echte Fernsehausschnitte aus den Achtzigerjahren einzuspielen, die mit der Tagesschau zu dem Atomunglück von Tschernobyl ihren zwar tragischen, aber doch irgendwie auch krönenden Abschluss finden, unterstreicht der Regisseur schließlich noch einmal, dass all das hier keine Fiktion ist, sondern einmal beklemmende Wirklichkeit war. Und genau das macht seinen Film auch heute noch erschütternd.

Fazit: Regisseur Oliver Haffner ist mit „Wackersdorf“ ein Film gelungen, der gleichermaßen authentisch wie angenehm unemotional schildert, wie sich ein Dorf gemeinsam gegen eine Bedrohung stellen konnte, von der es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mal wusste, wie groß diese später einmal werden würde.

„Wackersdorf“ ist ab dem 20. September in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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