Honest Thief

Liam Neeson ist in seiner seit vielen Jahren selbst gewählten Paraderolle des bewaffneten Gerechtigkeitskämpfers zurück, nur mit der Ausnahme, dass HONEST THIEF aus bekannten Pandemie-Gründen nicht ins Kino kommt. Weshalb das schade ist, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Als sich der berüchtigte Bankräuber Tom (Liam Neeson) Hals über Kopf in Annie (Kate Walsh) verliebt, möchte er seinen riskanten Job endgültig an den Nagel hängen. Er beschließt, sich dem FBI zu stellen, um für sich einen Deal zu verhandeln: er bietet die Rückgabe seiner neun Millionen Dollar Beute gegen eine saubere Weste und Straffreiheit an. Beim FBI glaubt man nach Toms Kontaktaufnahme zunächst, dass man ihnen einen Streich spielen will. Anstatt erfahrener Kollegen, werden die jungen Agenten Nivens (Jai Courtney) und Hall (Anthony Ramos) mit dem Fall beauftragt. Als diese herausfinden, dass es sich bei dem Anrufer tatsächlich um den langjährig gesuchten, Meisterdieb Tom handelt, können sie ihr Glück kaum fassen. Denn dessen Geld könnte ihre Eintrittskarte in ein besseres Leben sein. Ein Katz-und-Maus-Spiel um die Millionenbeute beginnt, bei dem die Grenzen zwischen Gut und Böse immer mehr verschwimmen…
Kritik
Es ist knapp zwei Jahre her, da drohte Hollywoodstar Liam Neeson („Non-Stop“) von einem auf den anderen Tag in Ungnade zu fallen. Der Grund dafür: Ein Presseinterview mit der britischen Zeitung The Independent zu seinem damals neuen Film „Hard Powder“. Auf die Frage hin, ob er – passend zur Filmthematik – selbst schon einmal Rachegedanken gehabt habe, bejahte er die Frage offen und berichtete, wie ihm einst eine Freundin von ihrer Vergewaltigung erzählte. Er habe damals sofort große Rachegelüste verspürt und seine Bekannte nach dem Aussehen des Täters gefragt – und die nächsten Tage damit verbracht, in der Hoffnung durch die Straßen zu streifen, dass sich die Gelegenheit ergibt, selbst das Recht in die Hand zu nehmen. Neeson erklärte, so blind vor Hass gewesen zu sein, dass er befürchtete, dem nächstbesten Mann, der ihm querkommt und die Hautfarbe des Täters hat, immensen Schaden zuzufügen. Die Kontroverse folgte auf dem Fuß: Einen Neeson, der sich wie seine Filmrollen aufführt, wollte man nicht dulden, zumal Neesons Nacherzählung seiner Rachelust aufgrund dessen, wie sehr er die schwarze Hautfarbe des Täters betonte, einen rassistischen Beiklang hatte – wenn nicht Schlimmeres. Neesons öffentliches Ansehen schien bereits besiegelt. Doch nach einer reumütigen Erklärung, aus dieser Sache mittlerweile gelernt zu haben und sich zutiefst für seine damaligen Gedanken zu schämen, einhergehend mit dem fast vollständigen Rückzug aus der Öffentlichkeit (die ausstehenden Pressetouren zu „Hard Powder“ wurden kurz nach der Veröffentlichung des Interviews abgesagt) scheint die breite Öffentlichkeit Neeson mittlerweile verziehen zu haben. Und auch auf seinen Job als Schauspieler scheint dieser Faux-Pas keinerlei Auswirkung gehabt zu haben: Seit „Hard Powder“ wirkte Neeson bereits in vier weiteren Produktionen mit. Vier weitere befinden sich in Planung und Dreh. Dass sein jüngster Film „Honest Thief“, in dem Neeson einmal mehr in seiner Paraderolle des alternden Action-Haudegens glänzt, nicht ins Kino, sondern direkt als VOD und drei Monate später auf DVD und Blu-ray erscheint, ist einmal mehr der bekannten Pandemie-Umstände geschuldet.
Auf den ersten Blick passt „Honest Thief“ ganz hervorragend in Neesons jüngstes Schauspiel-Portfolio. Seit er 2008 erstmals in die Rolle des aufopferungsvollen Rächers Bryan Mills schlüpfte, der es in „96 Hours“ mit den Kidnappern seiner geliebten Tochter aufnimmt, hat der gebürtige Ire ein Abo auf derartige Rollen. Auf „96 Hours“ folgten zwei Fortsetzungen – und Filme wie „Run all Night“, „Non-Stop“, „The Commuter“, „Unknown Identity“ oder „Ruhet in Frieden – A Walk among the Tombstones“. Mit seiner auch im höheren Alter immer noch einnehmenden Physis und seinen markant-grimmigen Gesichtszügen nimmt man ihm einen bewaffneten Kämpfer für die Gerechtigkeit in der Regel ab, wenngleich sich all die genannten Produktionen nicht von einer gewissen Austauschbarkeit lossagen können. Umso interessanter ist es da, Neeson nach „Hard Powder“ erneut als eine, insbesondere für das Mainstreamkino moralisch ambivalente Figur aufspielen zu sehen. Daran, dass der von ihm verkörperte Bankräuber Tom der Sympathieträger des Films ist, lässt Regisseur und Co-Autor Mark Williams („Das Glück des Augenblicks“) zwar keinen Zweifel. Doch der „Ozark“-Schöpfer macht seine Titelfigur, anders als etwa sein Kollege David Lowery in „Ein Gauner und Gentleman“, nicht zu einem solchen Gentleman-Gangster, sondern betont zu Beginn die Abgebrühtheit in seinen Taten (bei denen jedoch nie ein Mensch körperlich zu schaden kam, sodass man hier nicht dazu angehalten wird, mit einem gefährlichen Gewalttäter zu sympathisieren) und lässt ihn später immer wieder kräftig zuschlagen, selbst wenn es gerade nur bedingt notwendig gewesen wäre.
„Mit seiner auch im höheren Alter immer noch einnehmenden Physis und seinen markant-grimmigen Gesichtszügen nimmt man Liam Neeson einen bewaffneten Kämpfer für die Gerechtigkeit in der Regel ab, wenngleich sich seine jüngsten Action-Produktionen nicht von einer gewissen Austauschbarkeit lossagen können.“
Liam Neeson verkörpert beide Seiten seiner Figur glaubhaft: Der gerissene In-and-Out-Bandit, wie er aufgrund der Effektivität seiner Banküberfälle von der Presse genannt wurde, steht ihm ebenso gut zu Gesicht wie der geläuterte Verliebte, der nach dem Kennenlernen seiner Freundin Annie nicht einfach nur aus dem Geschäft aussteigen will („John Wick“ lässt grüßen!), sondern sogar für seine Taten büßen möchte, indem er sich der Polizei stellt. Es ist vor allem dieses Bewusstmachen seiner falschen Taten, das Tom stärker in Richtung Held denn Antiheld positioniert – doch auch wenn man als Zuschauer:in schnell versteht, dass dieser Mann im Kern zu den Guten gehört, reißt es einen bisweilen aus dem vermeintlichen „Ein Verbrecher stellt sich reumütig“-Idyll heraus, wie körperlich er (nicht nur!) gegen seine Widersacher vorgeht und mit was für radikalen Methoden er hier für Gerechtigkeit sorgen will. Da kann man sich noch so oft die „Gleiches mit Gleichem vergelten“-Mentalität des Protagonisten aneignen: Spätestens, wenn er nach vorheriger Ankündigung ein Haus in die Luft sprengt, oder einem Ermittler auflauert und ihn brutal niederschlägt, obwohl er mit diesem eigentlich nur kurz sprechen wollte, fordert „Honest Thief“ viel guten Willen und Empathie von seinem Publikum ein, um Toms Handeln nachvollziehen zu können. Dadurch wirken solche Momente eher wie nachträglich des Action-Gehalts wegen eingeschoben, anstatt flüssig in den Film integriert. Denn mit Ausnahme solcher Szenen geht es in „Honest Thief“ die meiste Zeit über gar nicht so ruppig zur Sache.
Auch wenn wir fast noch lieber einen Film darüber gesehen hätten, wie ein sich stellender Bankräuber die Polizisten von seiner wahren Existenz zu überzeugen versucht (nachdem sich in den Wochen zuvor schon viele andere Menschen als In-and-Out-Bandit ausgegeben haben), passt die anschließende Eskalation einmal mehr hervorragend ins filmische Beuteschema des Hauptdarstellers. Als er während seines Bekenntnisses nämlich nicht etwa an aufrichtige, sondern an zwielichtige Cops gerät, ist plötzlich mehr denn je Toms Gerechtigkeitssinn gefragt. Was dann folgt, ist ein routiniert dargebotener (Action-)Thriller, der zu fast gleichen Anteilen die Perspektive Neesons sowie jene der kriminellen Ermittler einfängt. Dabei ist durch das bisweilen unsaubere Skript von Mark Williams in Kooperation mit Steve Allrich („Bad Karma“) nicht immer ganz ersichtlich, weshalb es diese oder jene Momente nun eigentlich in den Film geschafft haben. Dass einer der Cops etwa seinen Hund mit auf Streife nimmt und sich am Telefon einen Sorgerechtsstreit um den Vierbeiner liefert, erwächst vom Running Gag auf Subplot-Größe – und hat zum Geschehen selbst nichts beizutragen, ist für den Versuch, dem Ermittler eine sympathische Seite zu verpassen, jedoch viel zu simpel gedacht. Davon abgesehen gefällt „Honest Thief“ in seiner minimalistischen Aufmachung, in der letztlich nur wichtig ist, dass die Jagd von Polizisten auf einen Bankräuber hier einfach mal umgedreht wird. Mehr muss man über die Geschichte gar nicht wissen.
„Spätestens, wenn Tom nach vorheriger Ankündigung ein Haus in die Luft sprengt, oder einem Ermittler auflauert und ihn brutal niederschlägt, obwohl er mit diesem eigentlich nur kurz sprechen wollte, fordert „Honest Thief“ viel guten Willen und Empathie von seinem Publikum ein, um sein Handeln nachvollziehen zu können.“
Inszenatorisch fällt „Honest Thief“ leider kaum auf. Kameramann Shelly Johnson („Greyhound – Schlacht im Atlantik“) hat sich für die Fotografie des Actionthrillers keinerlei visuelle Sperenzchen einfallen lassen, sondern filmt auf unspektakuläre Weise das Geschehen ab. Das hat zwar zur Folge, dass einem Schnittgewitter und verwackelte Verfolgungsjagden erspart bleiben, man somit zu jedem Zeitpunkt die Übersicht behält. Doch wo andere Kameraleute mit ihrer Arbeit für zusätzliche Dynamik sorgen, bleibt „Honest Thief“ blass. Hier muss also Liam Neesons Rachefeldzug mehr denn je für sich sprechen.
Fazit: „Honest Thief“ ist ein gelungener Vertreter des „Liam Neeson sorgt für Gerechtigkeit“-Actionkinos, hätte allerdings eine interessantere Inszenierung benötigt, um dauerhaft im Gedächtnis zu bleiben.
„Honest Thief“ ist ab dem 28. Januar als VOD und ab dem 1. April als DVD und Blu-ray erhältlich.