Greyhound – Schlacht im Atlantik

Am Ende ist er also bei Apple TV+ gelandet: GREYHOUND – SCHLACHT IM ATLANTIK mit Tom Hanks, ein Kriegsdrama über den Kampf eines unerfahrenen US-Navy-Commanders gegen deutsche Soldaten. Weshalb der Film die große Leinwand verdient gehabt hätte, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Während des Zweiten Weltkrieges macht sich der aus 37 alliierten Schiffen bestehende Konvoi HX-25 auf den Weg nach Liverpool. Der unerfahrene, aber besonnene Royal-Navy-Commander Ernest Krause (Tom Hanks) führt die Flotte an Bord der der USS Keeling, genannt Greyhound, an und wird rasch in eine Verteidigungsposition gedrängt, als ein Konvoi aus Wolfsrudeln deutscher U-Boote seine Schiffe verfolgt. Und der Teil der Strecke, den die Flotte ohne Luftunterstützung durchqueren muss, steht erst noch bevor. Es kommt zu einer Schlacht, die für den Zweiten Weltkrieg wegweisend sein wird.
Kritik
Als Apple im März 2019 verkündete, mit dem neu gegründeten Apple TV+ in den Streamingmarkt einsteigen zu wollen, schien dieser Plan zunächst einmal folgerichtig. Der Technikgigant aus Cupertino ist nicht bloß einer der erfolgreichsten Konzerne auf diesem Planeten, sondern unterhält mit dem iTunes Store auch eine der weltgrößten Internet-Handelsplattformen für Musik, TV und Film. Und nicht zuletzt war Apple-Gründer Steve Jobs bis 2006 Gesellschafter und Geschäftsführer von Pixar, eh die Walt Disney Company das Animationsstudio übernahm. Apple hat also seit jeher seine Finger im Filmbusiness – nun stellt es sich in direkter Konkurrenz zu Netflix und Amazon Prime auf. Doch schon direkt nach Start folgte die Ernüchterung, als das Portfolio zunächst bloß eine Handvoll Serien („Verschwiegen“ mit Chris Evans ist übrigens ein Geheimtipp!) umfasste und die Publikumspräsentation des Programms zwar ambitioniert, aber eben noch so überhaupt nicht ausgereift (einige Exklusiv-Deals wurden angekündigt, einige Projekte mit bekannten Stars sind bereits in der Mache) wirkte. Denn Bezahlinhalt herunterladen und dann von zuhause gucken, das konnte man im iTunes-Store ja auch vorher schon. Nun aber hat sich Apple TV+ mit „Greyhound – Schlacht im Atlantik“ einen ersten großen Titel exklusiv nur für die eigene Plattform gesichert – wenngleich das vorher nicht so geplant war, denn eigentlich sollte der Kriegsfilm mit Tom Hanks ins Kino kommen, musste dann aber aufgrund der Corona-Krise andere Auswertungsfenster bemühen.
Regisseur Aaron Schneider war bislang hauptsächlich als Kameramann tätig. In dieser Position hat er bereits diverse TV-Filme, Serienepisoden und Videoclips inszeniert. „Greyhound – Schlacht im Atlantik“ ist erst sein zweiter Spielfilm als Regisseur. Dass seine Wurzeln vor allem in der visuellen Gestaltung von Filmproduktionen liegen, erkennt man sofort. Gedreht wurde unter anderem auf der U.S.S. Kidd in Baton Rouge sowie der HMCS Montreal der kanadischen Royal Navy. Schneider weiß ganz genau, wie er seine Figuren so zu platzieren hat, dass gleichzeitig die intime Kommunikation an Deck, aber auch die ehrfurchtgebietenden Aufnahmen der Greyhound zur Geltung kommen. Kameramann Shelly Johnson („Captain America“) hat ein hervorragendes Auge dafür, die verwinkelten Gänge des Schiffes als in ihrer Unübersichtlichkeit gleichermaßen beklemmend wie weitläufig erscheinen zu lassen; Es kommt immer ganz darauf an, wem der Zuschauer gerade folgt. Ob dem abgeklärten Ernest Krause oder den Jungspunden, die längst nicht so routiniert sind wie ihr Commander. Wobei das mit der Abgeklärtheit auch so eine Sache ist. Drehbuchautor Tom Hanks hat auf Basis von C.S. Fosters Roman „The Good Shepherd“ nämlich einen Film kreiert, in dem die emotionale Befindlichkeit seiner Hauptfigur kontinuierlich infrage gestellt wird.
„Regisseur Aaron Schneider weiß ganz genau, wie er seine Figuren so zu platzieren hat, dass gleichzeitig die intime Kommunikation an Deck, aber auch die ehrfurchtgebietenden Aufnahmen der Greyhound zur Geltung kommen.“
Wüsste man nicht, dass „Greyhound“ auf einer Buchvorlage passiert, so käme man nicht umher, davon auszugehen, dass sich Tom Hanks („Sully“) die Rolle des Ernest Krause selbst auf den Leib geschrieben hat. Kein anderer Schauspieler ist so sehr dafür prädestiniert, eine Autoritätsperson gleichermaßen respekteinflößend wie durch und durch sympathisch und warmherzig zu verkörpern. Immer wieder betont das Skript in den Dialogen zwischen ihm und seiner Crew den höflichen und fast freundschaftlichen Umgang. Hier wird nicht nur kontinuierlich „Bitte“ und „Danke“ gesagt, während Krauses Funksprüche grundsätzlich motivierend ausfallen. Er stellt sich außerdem mit solch einem Grundvertrauen der ihm untergebenen Schiffsbesatzung gegenüber, dass man ihn als Anführer von Anfang an ernst nimmt, ohne das Gefühl zu haben, kuschen zu müssen. So einen wie Ernest Krause will man ganz einfach nicht enttäuschen, so aufopferungsvoll wie auch er sich seiner Mannschaft gegenüber gibt. Dabei ist dieser Einsatz der erste für Krause. Hanks‘ starkes Spiel lässt immer wieder durchscheinen, dass besagte Abgeklärtheit auch eine wohl gewählte Fassade ist, um selbst in unübersichtlichen und überfordernden Momenten als Halt für seine Crew zu fungieren. Wenn schon die Umstände eines solchen Einsatzes die Menschen an die Grenzen des Menschenmöglichen treiben – ganz gleich ob aus physischer oder psychischer Sicht – dann sollen sie doch das Gefühl haben, eine Gemeinschaft zu sein. Hanks‘ Krause ist für diese der perfekte Anführer.
Für einen Kriegsfilm, der hauptsächlich auf dem Wasser spielt und auch von Anfang an Gas gibt – es dauert nur wenige Minuten, bis die Greyhound unter Beschuss gerät und aus diesem auch bis zum Schluss nicht mehr herauskommt – ist „Greyhound“ bemerkenswert intim geraten. Es geht vor allem um das Zwischenmenschliche. Die klassische Kriegsaction dagegen bildet hier bloß einen Rahmen, in dem das Bemühen um Menschlichkeit auf kühn kalkulierte Angriffszüge prallt. Wenn wir nämlich nicht gerade sehen, wie respektvoll Ernest Krause mit den anderen Besatzungsmitgliedern umgeht, bekommen wir einen Einblick darin, wie genau einzelne Feldzüge geplant und ausgeführt werden. Die hieraus resultierende Action ist dann auch überhaupt nicht reißerisch oder labt sich gar an der Zerstörung; Auch mir der feindlichen Besatzung kommt man nur kurz über zwei Funksprüche in Berührung. Zwar formieren sich auch hier auf der einen Seite die Guten, auf der anderen Seite die Bösen und man weiß von Anfang an, von welcher Seite „Greyhound“ erzählt. Aber der Feind erfährt nie eine Überzeichnung, ist nicht einfach der „böse Deutsche“, sondern eine fast nüchtern gezeichnete Bedrohung aus der Ferne. Auch um einer kriegsromantischen Verklärung durch falsch verstandenes Heldentum vorzubeugen, ist dieser Umgang mit den Antagonisten deutlich effektiver als in Filmen, in denen man dem Bösen ein klar definiertes Gesicht gibt.
„Für einen Kriegsfilm ist „Greyhound“ bemerkenswert intim geraten. Es geht vor allem um das Zwischenmenschliche. Die klassische Kriegsaction dagegen bildet hier bloß einen Rahmen, in dem das Bemühen um Menschlichkeit auf kühn kalkulierte Angriffszüge prallt.“
Auch handwerklich ist „Greyhound“ gut gemacht. Wenngleich man den Aufnahmen, auf denen die Flotte auf offener See im Gefecht mit der Gegenseite zu sehen sind, ansieht, dass hier Computereffekte im Spiel waren, profitiert der Film stark von der Kulisse eines echten Kriegsschiffes. Da sich ohnehin ein Großteil der gezeigten Ereignisse zwischen Commander-Kabine und Brücke abspielt, fallen diese Szenen jedoch nicht allzu sehr ins Gewicht. Umso bedauerlicher ist da schon eher, dass „Greyhound“ nicht ins Kino kommt. Denn nachzuempfinden, wie die Ereignisse an Deck die Psyche der Besatzung malträtieren, wird zuhause nicht annähernd so möglich sein, wie auf einer Leinwand, der man sich ebenfalls für eineinhalb Stunden nicht entziehen kann.
Fazit: Zwischenmenschliche Intimität an Deck eines Kriegsschiffes trifft auf kühle Angriffstaktik – „Greyhound – Schlacht im Atlantik“ ist vor allem dank seines warmherzig aufspielenden Hauptdarstellers Tom Hanks ein unkonventioneller, jedoch keineswegs verklärender Kriegsfilm.
„Greyhound – Schlacht im Atlantik“ ist ab sofort bei Apple TV+ zu streamen.
Ich sehe das absolut nicht wie der Autor. Der Feind in den U-Booten erfährt eine deutliche Überzeichnung und zu allem Übel wird er auch noch als ziemlich doof dargestellt. Nur um wenige Beispiele zu nennen: Ein U-Boot der VII-C Klasse würde sich gewiß nicht auf einen Oberflächenkampf mit einem Zerstörer einlassen, schon gar nicht mit zweien oder dreien. Das erste U-Boot griff direkt an – welch hanebüchener Unsinn! Kein Fühlunghalten, kein Alarmtauchen und offensichtlich keine Ortung von Schraubengeräuschen des Zerstörers. Ein U-Boot konnte die hochfrequenten Schrauben oder gar Turbinengeräusche deutlich einem Zerstörer zuordnen und entsprechend handeln. Als wenn das restliche Rudel den geopfert hätte, um zu schauen, was so passiert.
Primäre Ziele waren damals die Handelsschiffe, nicht die Zerstörer. Erstens waren die Boote genau deswegen draußen und zweitens waren diese Ziele wesentlich leichter zu treffen und nicht so wehrhaft wie ein Zerstörer.
Und ja, es kam vor, daß beschädigte Boote auftauchen mußten. Die haben sich dann aber nicht an die Geschütze gestellt und wild um sich geschossen.
Mit dem Wissen, 6 feindliche U-Boote im Schlepptau zu haben eine Beerdigung zu veranstalten, die Gefechtsbereitschaft aufzuheben und sogar die Maschinen zu stoppen, ist mehr als grob fahrlässig.
Die Überfahrt dauerte damals zwischen 9 und 13 Tage. Hanks schafft es in 4, ausgehend von Clevelands Aussage, daß der Captain seit der Abfahrt nicht mehr geschlafen hatte bis zum Treffpunkt mit dem englischen Geleit.Oder ich hab irgendwo einen Schnitt verpaßt.
Aber der Gipfel der Idiotie ist ja wohl, daß der böse Deutsche den Zerstörer anfunkt und verhöhnt. Nicht weiter nötig zu erklären, daß so eine Aktion aus taktischer und persönlicher Sicht völliger Unsinn ist. Anscheinend mußte man noch kurz klar machen, daß die Deutschen dumm, böse und der perfekte Feind sind und es immer wieder eine Freude von Hollywood ist, sie aus dem Wasser zu blasen.
Tom Hanks hat auch das Drehbuch geschrieben. Ich hielt immer große Stücke auf Hanks, aber in diesem Film hat er dem Publikum keinen Gefallen getan. Ich kenne viele Bücher von C.S. Forester (die Romanvorlage für diesen Film ist von ihm) und die Hauptperson ist meist eine intelligente Persönlichkeit, die sich ständig selbst in Frage stellt und zweifelt, nach außen aber stets als selbstbewußtes Vorbild fungiert. Das scheint im Drehbuch noch etwas durch – Tom Hanks hätte sicher einen großartigen Kapitän Hornblower abgegeben, wenn jemand ein vernünftiges Drehbuch geschrieben hätte.
Ach ja, a propos Kapitän: In diesem Film ist er Lieutenant Commander (dt. Kapitänleutnant) – ein Rang, den man nicht unbedingt als Zerstörerkommandanten erwarten würde, aber ganz gewiß nicht für den Kommodore des gesamten Geleits! Zudem ist Hanks sichtbar nicht mehr der Jüngste, der Rang eines Commanders (dt. Korvettenkapitän) oder Captains (Kapitän zur See, Vollkapitän) hätte ihm besser zu Gesicht gestanden.
Die Filmmusik war…seltsam. Was sollten denn diese lächerlichen Geräusche bei den Sequenzen mit den U-Booten? Das klang wie schlechte Walgesangsimitate und hat wirklich nur sehr entfernt was mit dem Ozean in diesem Zusammenhang zu tun. Da wäre die Titelmusik vom Weißen Hai noch passender gewesen.
Am Ende des Films bleibt nur noch die schnelle Action in der Erinnerung und ein fader Geschmack von amerikanisch-hurrapatriotistischem Hollywood. Und das Geräusch, wenn C. S. Forester sich im Grabe herumdreht.