Das startet am 27. Dezember 2018

Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von WESSELS‘ WEEKLY, unserer wöchentlichen Vorschau auf die anstehenden Filmstarts. Heute geht es um den letzten Starttag des Jahres 2018, an dem ein Film aus der Reihe tanzt. Das Hape-Kerkeling-Biopic „Der Junge muss an die frische Luft“ erscheint nämlich bereits zwar Tage vor dem regulären Startdonnerstag am 25.12. und ist gleichzeitig der Anwärter auf den stärksten Neustart. Die anderen Verleiher zeigen stattdessen ein Nischenprogramm, darunter der japanische Oscar-Kandidat „Shoplifters“ und das Drama „Sibel“.
Wenn Ihr mehr zu den einzelnen Filmen wissen wollt, klickt einfach auf’s Plakat und entdeckt dort entweder die Kritik oder den dazugehörigen Trailer. Bei Produktionen, die ich vorab nicht sichten konnte, liefere ich Euch auch diesmal wieder eine Zusammenfassung der Handlung. Und wer lieber daheim bleibt, für den habe ich natürlich auch einen hübschen Heimkinotipp parat. Ich wünsche Euch viel Freude mit dieser neuen Ausgabe und natürlich viel Spaß im Kino!
SIBEL | Regie: Guillaume Giovanetti, Çagla Zencirci | TUR/FR/DE/LUX 2018
Die 25-jährige Sibel lebt zusammen mit ihrem verwitweten Vater und ihrer jüngeren Schwester in einem abgeschotteten türkischen Dorf in den Bergen nahe des Schwarzen Meeres. Da Sibel seit ihrer Geburt stumm ist und sich nur mittels der in ihrer Heimatregion traditionellen Pfeifsprache verständigen kann, wird sie von den anderen Dorfbewohnern weitestgehend gemieden. Wenn sie nicht gerade auf dem Feld arbeitet oder ihrem Vater hilft, verbringt sie ihre Zeit daher zumeist allein im benachbarten Wald, wo sie einer Einsiedlerin Gesellschaft leistet und mit großem Eifer auf Jagd geht. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, einen Wolf zu fangen, der dort herumstreunen soll und den Frauen des Dorfes Angst einjagt. Eines Tages begegnet sie im Wald einem Deserteur namens Ali, der verwundet ist und Angst hat, entdeckt zu werden.
Das europäisch koproduzierte Drama „Sibel“ ist ein stark gespieltes, nuanciert erzähltes Drama über Emanzipation, Gegenwehr und die vielen komplexen, doppelschneidigen Eigenheiten, die einem das Leben entgegenwerfen kann. Großartig.
Sonderstart am 25.12.: DER JUNGE MUSS AN DIE FRISCHE LUFT | Regie: Caroline Link | DE 2018
Der Ruhrpott im Jahr 1972. Der pummelige neunjährige Hans-Peter (Julius Weckauf) wächst auf in der Geborgenheit seiner fröhlichen und feierwütigen Verwandtschaft. Sein großes Talent, andere zum Lachen zu bringen, trainiert er täglich im Krämerladen seiner „Omma“ Änne (Hedi Kriegeskotte) und perfektioniert es außerdem bei den vielen Festivitäten in seinem Bekanntenkreis. Aber leider ist nicht alles rosig. Dunkle Schatten legen sich auf den Alltag des Jungen, als seine Mutter Margret (Luise Heyer) nach einer Operation immer bedrückter wird. Für Hans-Peter ein Ansporn, seine komödiantische Begabung immer weiter zu perfektionieren, denn „das Leben muss ja auch irgendwie weitergehen!“ Es ist die berührende Kindheitsgeschichte eines der größten Entertainer Deutschlands, Hape Kerkeling.
Ein starkes Skript, ein noch stärkerer Hauptdarsteller aber eine betont deutsche Inszenierung – „Der Junge muss an die frische Luft“ wirkt durch die theaterhafte Art, wie hier Dialoge vorgetragen werden, leider deutlich gediegener, als er eigentlich ist.
SHOPLIFTERS – FAMILIENBANDE | Regie: Hirokazu Koreeda | JPN 2018
Nach einer Diebestour in einer kalten Winternacht treffen Osamu Shibata und sein Sohn Shota auf das kleine, verwahrloste Mädchen Yuri. Kurzerhand tut Osamu das, was der Gelegenheitsarbeiter am besten kann – er “stibitzt” Yuri und nimmt sie für eine warme Mahlzeit mit nach Hause. Die anfänglichen Bedenken seiner Frau Nobuyo über das neue Familienmitglied sind schnell verflogen. Auch Großmutter Hatsue und Halbschwester Aki, die hinter einem Einwegspiegel in einem Stripclub arbeitet, heißen Yuri in der Enge ihrer alten Behausung willkommen. Umgeben von anonymen Wohnblöcken lebt die bunte Truppe mithilfe von kleinen Betrügereien, Ladendiebstählen und trotz widriger Umstände glücklich zusammen. Bis zu dem Tag, an dem ein unvorhergesehener Vorfall bisher gut geschützte Familiengeheimnisse enthüllt. Jetzt muss sich beweisen, ob diese Menschen mehr verbindet, als ihr Dasein als Lebenskünstler…
„Shoplifters – Familienbande“ definiert den Begriff „Familie“ neu, indem sich Regisseur Hirokazu Koreeda üppige zwei Stunden Zeit nimmt, zu ergründen, was Menschen zusammenhält. Trotz der örtlichen Fixierung auf den Handlungsort Japan, sind – auch dank der fantastischen Darsteller – viele Beobachtung weder zeit-, noch raumgebunden, sondern einfach nur das Ergebnis inniger, aufopferungsvoller Liebe, die das Drama mit jeder Sekunde zelebriert.
DER KLEINE DRACHE KOKOSNUSS: AUF IN DEN DSCHUNGEL! | Regie: Anthony Power | DE 2018
Der kleine Drache Kokosnuss ist in Aufbruchsstimmung: Die Abfahrt ins Ferienlager steht kurz bevor! Junge Feuerdrachen und Fressdrachen treten gemeinsam eine Schiffsfahrt zu den Dschungelinseln an, um so den Teamgeist unter den beiden Drachenspezies zu stärken. Begleitet werden sie dabei von Feuerdrachenlehrerin Proselinde, dem Fressdrachen-Chefkoch und Kokosnuss‘ Vater Magnus. Feuerdrache Kokosnuss und sein bester Freund Oskar, der einzige vegetarische Fressdrache, finden es aber unfair, dass nur Drachen im Camp erlaubt sind. Sollen sie die Sommerferien ohne ihre beste Freundin, das Stachelschwein Matilda, verbringen? Kurzerhand schmuggeln sie Matilda als blinde Passagierin an Bord. Doch die Reise wird nicht nur zur Bewährungsprobe für unsere drei Helden, sondern für alle Teilnehmer, als das Schiff plötzlich einen Felsen rammt…
„Der kleine Drache Kokosnuss – Auf in den Dschungel!“ ist ein der jungen Zielgruppe ansprechend erzähltes Feuerdrachenabenteuer mit einigen aufregenden Spannungsspitzen und einer hübsch ambivalenten Geschichte über Freundschaft und Zusammenhalt. Der Fernsehlook dagegen darf beim dritten Teil allerdings gern verschwinden.
KILLING GOD – LIEBE DEINEN NÄCHSTEN | Regie: Caye Casas, Albert Pintó | ESP/FR 2017
Ein abgelegenes Landhaus im idyllischen Bergland. Klingt nach dem perfekten Ort für ein gemütliches Familienessen an Silvester. Doch als ein geheimnisvoller kleiner obdachloser Zwerg die Feier stört, tun sich tiefe Abgründe auf. Der Zwerg behauptet doch tatsächlich, Gott zu sein. Und er bringt schlechte Nachrichten: „Wenn die Sonne aufgeht, wird die ganze Menschheit ausgelöscht sein“. Die „gute Nachricht“ dabei ist, dass die Familie, bei denen er nun einkehrt, zwei Menschen wählen darf, die das Drama überleben werden. Das Schicksal der Menschheit liegt plötzlich in den Händen eines depressiven Typen, eines Ehepaares, das keine Kinder bekommen kann, und eines alten Mannes mit Herzproblemen. Jeder von ihnen ist eindeutig bereit, Teil der neuen Welt zu sein. Wen würdest du retten? Sie würden dich nicht retten – ganz sicher.
„Killing God – Liebe deinen Nächsten“ hat einen starken Auftakt und endet mit einer bittersüßen Pointe. Alles dazwischen bleibt allerdings weit hinter den Erwartungen zurück, die man hat, wenn ein Zwergengott eine Gruppe von Losern dazu auffordert, über die zukünftige Weltbevölkerung zu richten.
MARY SHELLEY | Regie: Haifaa Al-Mansour | UK/LUX/USA 2017
Sie ist jung, rebellisch und bereit, alle Zwänge und Konventionen ihrer Zeit zu überwinden: Das Schicksal führt die 16-jährige Mary (Elle Fanning) 1814 mit dem berühmten romantischen Dichter Percy Shelley (Douglas Booth) zusammen, der wie Mary selbst sein Leben der Literatur verschrieben hat. Doch die leidenschaftliche Liebe des jungen Paares wird trotz aller Offenheit und Toleranz immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Als der Poet Lord Byron (Tom Sturridge) Mary Shelley zu einem literarischen Wettbewerb herausfordert, erfindet sie das wohl berühmteste literarische Geschöpf der Weltgeschichte: Frankensteins Monster….
Haifaa Al-Mansours Biopic „Mary Shelley“ über eine der einflussreichsten Buchautorinnen der Horrorliteratur ist die spannende und emotionale Geschichte einer kämpferischen, jungen Frau, die einen der größten literarischen Welterfolge überhaupt hervorbrachte
Heimkinotipp: NACH DEM URTEIL | Regie: Xavier Legrand | FR 2017
Miriam (Léa Drucker) ist fassungslos, als das Gericht entgegen ihres Willens und dem Willen ihres Sohnes ihrem unberechenbaren Ex-Mann Antoine (Denis Ménochet) das Besuchsrecht für den gemeinsamen Sohn Julien (Thomas Gioria) zuspricht. Von nun an soll der 11-Jährige jedes zweite Wochenende bei seinem Vater verbringen. Die Besuche bei Antoine werden für Julien zur Tortur. Während Miriam und ihre Tochter daheim krank vor Sorge warten, setzt Julien alles daran, seinen verzweifelt um Annäherung bemühten Vater nicht zu provozieren. Und tatsächlich passiert auch lange Zeit nichts. Ist Antoine also wirklich ein Pulverfass wie Miriam ihn beschreiben, oder einfach nur unbeholfen im Umgang mit der Situation? Ein Nervenkrieg steht bevor, der das ohnehin zerrissene Ehepaar noch einmal auf die Probe stellt.
„Nach dem Urteil“ ist hochemotionales und bisweilen unerträglich spannendes Dramakino, das einen auch nach Verlassen des Kinosaals noch lange beschäftigen wird. Denn letztlich sind die darin behandelten Themen nur das Abbild eines für viele Menschen stattfindenden Alltags.