Killing God – Liebe deinen Nächsten

Was wäre, wenn Gott Dir eine Aufgabe gibt, die Du binnen eines Abends erfüllen müsstest, ohne genau zu wissen, ob der, der Dir diese Aufgabe da gerade gegeben hat, wirklich Gott ist? Dieses Szenario spinnt die spanische Produktion KILLING GOD – LIEBE DEINEN NÄCHSTEN durch, die immer dann Spaß macht, wenn die eigentliche Thematik gerade gar nicht im Vordergrund steht. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Ein abgelegenes Landhaus im idyllischen Bergland. Klingt nach dem perfekten Ort für ein gemütliches Familienessen an Silvester. Doch als ein geheimnisvoller kleiner obdachloser Zwerg die Feier stört, tun sich tiefe Abgründe auf. Der Zwerg behauptet doch tatsächlich, Gott zu sein. Und er bringt schlechte Nachrichten: „Wenn die Sonne aufgeht, wird die ganze Menschheit ausgelöscht sein“. Die „gute Nachricht“ dabei ist, dass die Familie, bei denen er nun einkehrt, zwei Menschen wählen darf, die das Drama überleben werden. Das Schicksal der Menschheit liegt plötzlich in den Händen eines depressiven Typen, eines Ehepaares, das keine Kinder bekommen kann, und eines alten Mannes mit Herzproblemen. Jeder von ihnen ist eindeutig bereit, Teil der neuen Welt zu sein. Wen würdest du retten? Sie würden dich nicht retten – ganz sicher.

Kritik

Da sich das Subgenre der Streitkomödie – also der Gattung Film, in der eine größere Menschengruppe auf engem Raum miteinander zankt – in den vergangenen Jahren immer größerer Beliebtheit erfreut hat, wundert es nicht, dass an der eigentlich simplen Prämisse immer mehr geschraubt wird. Bis vor Kurzem unterschieden sich die Eskalierenden Auseinandersetzungen vor allem durch den Grund des Streits; der Name eines ungeborenen Kindes („Der Vorname“) ist so einer, oder der Wunsch nach „Nur einer Stunde Ruhe“, wie in der gleichnamigen französischen Komödie. In „Killing God – Liebe deinen Nächsten“ wird ebenfalls genüsslich gestritten. Allerdings ist der Grund dafür auf eine gewisse Weise übernatürlich. Es ist nämlich ein sich selbst als Gott vorstellender Zwerg (Emilio Gavira), der den Anwesenden eine Aufgabe gibt, mit der sich ganze Philosophie-Schulstunden füllen ließen. Die ohnehin völlig zerstrittene Sippe soll nämlich nicht weniger tun als die Welt zu retten, denn schon am nächsten Morgen soll die Menschheit Geschichte sein. Nur zwei Exemplare überleben – und wer die sind, sollen ausgerechnet das kurz vor der Trennung stehende Ehepaar Carlos (Eduardo Antuña) und Ana (Itziar Castro), der schwer depressive Santi (David Pareja) und der alternde Padre (Francesc Orella) entscheiden. Leider klingt diese Prämisse wesentlich bedeutsamer, als sie letztlich umgesetzt wird.

Was hat es mit dem bärtigen Zwerg, der behauptet, Gott zu sein, auf sich?

„Killing God – Liebe deinen Nächsten“ trägt das Alleinstellungsmerkmal bereits im Titel: In diesem Film geht es darum, Gott zu töten und unabhängig davon, ob der kleine bärtige Mann nun tatsächlich Gott oder einfach nur ein Landstreicher ist (das wird auch erst in den letzten Einstellungen des Films endgültig aufgeklärt), mag der Grundgedanke, dass hier ein paar Menschen überlegen, den biblischen Schöpfer abzumurksen, für manch einen Zuschauer blasphemisch wirken. Doch eh es überhaupt so weit kommt, dass die Messer gewetzt, respektive das Gift in den Wein gemischt wird, ist „Killing God“ lange Zeit erstmal eine zumindest aus religiöser Sicht weitgehend harmlose Streitcomedy, die dank der stimmigen Chemie innerhalb des Casts funktioniert. Vor allem das Ehepaar Carlos und Ana, zwischen dem die unausgesprochene Vermutung liegt, dass Ana ihren Macho-Gatten mit einem Arbeitskollegen betrogen hat, interagiert absolut authentisch und ohne Rücksicht auf die Sehgewohnheiten des Publikums. Nicht nur die Darsteller sehen aus, wie ganz normale Menschen eben aussehen und verhalten sich auch so, überhaupt wirkt das ganze Szenario in der ersten halben Stunden angenehm uninszeniert, wenn man vom Prolog, in dem der bärtige Zwerg auf sein erstes Opfer trifft, einmal absieht. Wenn sich dann auch noch der hoffnungslos in Liebeskummer schwelgende Santi und der alles als neutraler Beobachter verfolgende Padre hinzustoßen, ergeben sich aus dieser auf glaubwürdige Gegensätze geschriebenen Konstellation feurige Dialoge und für den Zuschauer jede Menge Spaß.

Das geht rund eine halbe Stunde so, eh die vier plötzlich Spülgeräusche aus dem Badezimmer vernehmen. Wäre das Auftauchen des Zwerges nicht bereits im Prolog angekündigt worden und maßgeblicher Bestandteil des Marketings, könnte hieraus zumindest punktuell ein äußerst intensiver Spannungsmoment entstehen. Doch dadurch, dass man weiß, wer gleich durch diese Tür treten wird, können die bislang ausschließlich für Kurzfilme zuständigen Regisseure Caye Casas und Albert Pintó nicht von der Unberechenbarkeit dieser Szene zehren. So konzentriert sich ab sofort wieder alles auf die Dynamik innerhalb der von nun an um eine Person reichere Gruppe, die durch die obskure Aufgabenstellung des Zwerges (oder Gott) erstmal an Drive gewinnt. Das liegt allerdings nicht unbedingt daran, dass sich Carlos, Ana, Santi und Padre fortan in tiefschürfenden philosophischen Diskussionen über den Wert des Lebens üben würden; die Wertigkeit des Diskurses bleibt über die ganze Laufzeit nämlich nur angedeutet. Von einer allgemeinen Diskussion („Wenn nur zwei Menschen überleben, sollte einer davon definitiv ein Arzt sein.“) verschiebt sich das Gespräch schnell wieder auf die Zustände rund um den Tisch und es steht nicht mehr die Frage im Raum, welche beiden Personen von allen auf der Welt gerettet werden sollten, sondern wer von den vieren.

Das Haus hängt voller ausgestopfter Tiere. Eine ideale Kulisse für eine unheilvolle Begegnung…

Weshalb „Killing God – Liebe deinen Nächsten“ bei der IMDb als Horrorfilm gelistet wird, offenbart sich im finalen Drittel. So richtig gruselig wird es zwar nicht, obwohl es die mit allerlei totem Getier ausgestattete Kulisse eines alten, verwinkelten und sichtbar abgewohnten Herrenhauses definitiv hergeben würde. Auch die zurückhaltende, jedoch in den richtigen Stellen das Geschehen intensivierende Musikuntermalung (Komponist: Francesc Guzmán) verhilft dem Film zu einer unbehaglichen Atmosphäre. Doch so richtig ins Genre kippt „Killing God“ erst ab jenem Moment, in dem die Freunde beschließen, mit dem Zwergengott kurzen Prozess zu machen. Nun wird es einigermaßen splattrig. Da werden Köpfe abgehackt und Hände abgeschnitten, bis das Blut in Fontänen aus den Körpern schießt. Doch auch derartige Gewalteskalationen (die immerhin das Ergebnis guter handgemachter Effekte sind und nicht aus dem Computer stammen) können nicht komplett verhindern, dass „Killing God“ mit jeder Szene mehr die Puste ausgeht. Durch den dramaturgischen Durchhänger im Mittelteil, der eigentlich nur davon handelt, dass oberflächliche Gespräche über ein Thema geführt werden, das eigentlich viel mehr Substanz hergibt, muss sich der Film gen Ende nochmal ganz neu aufraffen. Und das gelingt ihm leider nur bedingt. Daran ändern auch die starken Darsteller nichts, genauso wenig wie die Tatsache, dass die Macher für das Ende eine richtig bittere Note gewählt haben, mit der sich „Killing God“ zumindest noch ein wenig länger im Gedächtnis hält, als durch die neunzig Minuten vorher. So viel verschenktes Potenzial ist regelrecht tragisch.

Fazit: „Killing God – Liebe deinen Nächsten“ hat einen starken Auftakt und endet mit einer bittersüßen Pointe. Alles dazwischen bleibt allerdings weit hinter den Erwartungen zurück, die man hat, wenn ein Zwergengott eine Gruppe von Losern dazu auffordert, über die zukünftige Weltbevölkerung zu richten.

„Killing God – Liebe deinen Nächsten“ ist ab dem 27. Dezember in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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