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Das startet am 8. Juni 2017

Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von WESSELS‘ WEEKLY, meiner wöchentlichen Vorschau auf die anstehenden Filmstarts. Heute geht’s um den Startdonnerstag des 8. Juni, dessen größter Start bislang der Presse vorenthalten wurde. Mit „Die Mumie“ kommt ein neuer Blockbuster mit Tom Cruise in die Kinos, der in Ermangelung an Konkurrenz ganz gut starten könne. Ansonsten lohnt sich ein Blick auf die deutschen Actionkomödie „Plan B“, während in den Arthousekinos mit „The Dinner“ und „Born To Be Blue“ zwei sehr starke Vertreter des Dramakinos erscheinen.

Wenn Ihr mehr zu den einzelnen Filmen wissen wollt, klickt einfach auf’s Plakat und entdeckt dort entweder die Kritik oder den dazugehörigen Trailer. Bei Produktionen, die ich vorab nicht sichten konnte, liefere ich Euch auch diesmal wieder eine Zusammenfassung der Handlung. Und wer lieber daheim bleibt, für den habe ich natürlich auch einen hübschen Heimkinotipp parat. Ich wünsche Euch viel Freude mit dieser neuen Ausgabe und natürlich viel Spaß im Kino!

DIE MUMIE  | Regie: Alex Kurtzman | USA 2017

Nachdem die machtbesessene, ägyptische Prinzessin Ahmanet vor Jahrhunderten ein abscheuliches Verbrechen begann, wurde sie von ihrem Volk bei lebendigem Leibe einbalsamiert und auf dem Gebiet des heutigen Irak vergraben. Genau dort begeben sich die beiden draufgängerischen Grabplünderer und Kriegsveteranen Nick Morton und Chris Vail auf eine neue Expedition, als sie durch Zufall mithilfe der smarten Archäologin Jenny Halsey das Gefängnis der Prinzessin entdecken. Sie heben das Grabmal aus und bringen den Sarg nach London, doch schon auf dem Weg dorthin ereignen sich unheimliche, übernatürliche Dinge, die ihr Flugzeug zum Absturz bringen. In der britischen Hauptstadt angekommen, entfesselt eine Jahrhunderte alte Macht das ultimativ Böse, zu dem ausgerechnet Nick eine ganz besondere Verbindung zu haben scheint…

Ein bisschen zu viel Zombie, einen Tick zu wenig Mumie, dafür jede Menge handgemachte Action, tolle Kulissen und sehr viel Humor: Alex Kurtzmans „Die Mumie“ ist ein starker Einstieg in Universals Dark Universe und kombiniert altmodisches Abenteuerflair mit düsterem Fantasy-Entertainment, das beim nächsten Mal aber gern noch ein wenig blutiger ausfallen darf. Wir schauen der Zukunft des Franchises wohl gestimmt entgegen!


 THE DINNER  | Regie: Oren Moverman | USA 2017

Für die Brüder Paul und Stan (Steve Coogan und Richard Gere) und ihre Frauen Claire und Katelyn (Laura Linney und Rebecca Hall) beginnt das Dinner mit unverbindlichem Smalltalk über Filme und Urlaubspläne. Das eigentliche Thema meiden sie geflissentlich: die Zukunft ihrer Söhne Michael und Rick. Die beiden 16-Jährigen haben nämlich ein Gewaltverbrechen begangen, das ihre Zukunftsaussichten und damit ihr Leben für immer ruinieren könnte. Noch aber sind sie nicht als Täter identifiziert worden. Michaels Vater will nur das Beste für seinen Sohn – und ist bereit, dafür weit zu gehen, sehr weit. Doch auch die anderen am Tisch haben ihre eigene, geheime Agenda. Während des Essens brechen die Emotionen auf, schwelende Konflikte zwischen den Brüdern entladen sich, und auf einmal steht eine Entscheidung im Raum, die drei der vier mit aller Macht verhindern wollen…

Das stark gespielte Thriller-Drama „The Dinner“ macht optisch vielleicht nicht allzu viel her, doch mit seiner geschickten Erzählstruktur gelingt es Oren Moverman, eine radikale Tragödie freizulegen, die den Zuschauer dort packt, wo es wehtut: der Frage nach Pietät und Anstand.


BORN TO BE BLUE  | Regie: Robert Budreau | CAN/USA 2015

Der legendäre Jazz-Trompeter Chet Baker (Ethan Hawke) erlebt in den Fünfzigerjahren einen kometenhaften Aufstieg als der „James Dean of Jazz“ und „King of Cool“. Doch schon zehn Jahre später ist Baker am Ende. Zerrissen von seinen inneren Dämonen und den Exzessen des Musikerlebens, begegnet er einer eines Tages einer Frau (Carmen Ejogo), mit der auf einmal wieder alles möglich scheint. Angefeuert von seiner neuen Leidenschaft und ihrem bedingungslosen Glauben an ihn, kämpft sich Baker wieder zurück und erschafft so einige der unvergesslichsten Musikaufnahmen seiner Karriere. Doch seine Sucht nach Drogen und die Liebe zum Rausch lassen ihn nicht los und so scheint nicht einmal seine Jane die Rettung für ihn zu sein…

„Born To Be Blue“ gewährt uns anhand von Chet Baker einen hochemotionalen, ungeschönten Einblick ins Musikbusiness, der seinen Reiz auch dadurch entwickelt, dass Regisseur Robert Budreau Realität und Fiktion verschmelzen lässt. Ethan Hawke brilliert als vom Schicksal gebeutelter, am Ende an sich selbst gescheiterter Musiker. Auf so viel „Blues“ muss man Lust haben, doch schließlich wird man mit sehr viel Musik und ebenso viel Gefühl belohnt.


EIN KUSS VON BÈATRICE  | Regie: Martin Provost | FR 2017

Von einem Tag auf den anderen steht Claires (Catherine Frot) Leben auf dem Kopf. Die Klinik, in der sie seit Jahren mit Leib und Seele als Hebamme arbeitet, schließt. Claires einziger Sohn eröffnet ihr, dass er Vater wird und sein Medizinstudium abbricht. Dann verliebt sie sich noch in Paul (Olivier Gourmet), den humorvollen Nachbarn aus der Kleingartenkolonie. Und als wäre das alles noch nicht genug, platzt Béatrice (Catherine Deneuve) in ihr Leben. Béatrice ist die ehemalige Geliebte ihres verstorbenen Vaters und genau das Gegenteil der gewissenhaften und zurückhaltenden Claire. Sie ist extravagant, laut, egoistisch und lebenslustig: Welten prallen auf einander. Doch Béatrice wäre nicht Béatrice, wenn sie nicht auch noch ein paar Überraschungen auf Lager hätte. Überraschungen, die Claires Leben für immer verändern…

In „Ein Kuss von Béatrice“ erzählt Martin Provost von zwei Frauen, die sich entgegen erster Tendenzen ähnlicher sind, als zunächst angenommen. Daraus ergibt sich für das hervorragend aufgelegte Hauptdarstellerinnengespann eine spannende, wenn auch deutlich zu lange Reise in emotionale Seelengefilde, die leider hier und da von ihren diversen Subplots verwässert wird.


WHITNEY – CAN I BE ME | Regie: Nick Broomfield, Rudi Dolezal | UK/USA 2017

Whitney Houston war ein Ausnahmetalent mit einer glockenhellen Stimme über drei Oktaven, sie war wunderschön und mit mehr aufeinanderfolgenden Nr.-1-Hits als die Beatles unglaublich erfolgreich – und doch starb sie schon mit 48 Jahren an einer Überdosis. Dokumentarfilmer Nick Broomfield und der Kultmusikvideo-Regisseur Rudi Dolezal versuchen in bislang unveröffentlichten Aufnahmen sorgfältig zu rekapitulieren, welche Kräfte Whitneys Karriere verkürzten und 2012 zu ihrem Tod mit 48 Jahren führten. Seien es Rassismus, Religion, Drogen, Sexualität, Selbstzweifel, die Forderungen ihrer Eltern und der Industrie, eine problematische Ehe, die von den Medien ausgeschlachtet wurde – die beiden Regisseure durchleuchten alles.  Sie liefern das Bild einer bemerkenswerten Frau, die zahlreichen Zwängen ausgesetzt war und mit großer Menschlichkeit versuchte, sich um alle zu kümmern.

Die kurzweilige Dokumentation „Whitney – Can I Be Me“ bleibt in seinem Porträt von Whitney Houston zwar nicht vollständig objektiv, doch trotz der teils spekulativen Betrachtung ihres privaten Schicksals spürt man doch die Ehrfurcht der Regisseure, die sie ihrer legendären Hauptfigur entgegenbringen.eineinhalbstündige Berlin-Hommage zu bestaunen.


PLAN B – SCHEIß AUF PLAN A | Regie: Ufuk Genc, Michael Popescu | DE 2016

Can, Phong, Cha und U-Gin sind beste Freunde und zugleich die erfolglosesten Actionstar-Wannabes diesseits von Hollywood. Doch als ihnen überraschend ein Casting-Angebot ins Haus flattert, bietet sich eine aller letzte Chance, endlich zu zeigen, was sie wirklich draufhaben. Dumm nur, dass U-Gin die Adresse vertauscht. So landen die Jungs nicht im erhofften Casting, sondern eindeutig im falschen Film – denn unerwartet kommen sie einer Truppe knallharter Gangster in die Quere, die sich Phong als Geisel schnappen und die anderen auf eine mörderische Mission schicken. Im Tausch gegen Phongs Leben sollen sie den Geheimsafe des gefürchteten Gangsterbosses Gabriel ausfindig machen. In einem Wettlauf gegen die Zeit kämpfensich die Jungs von einem Fettnäpfchen ins nächste quer durch Berlin und müssen bald erkennen, dass sie im Zentrum einer Unterweltverschwörung gelandet sind.

„Plan B – Scheiß auf Plan A“ ist eine gelungene Hommage an das Actionkino der Achtziger- und Neunzigerjahre und funktioniert ganz klar über den „Passion over Substance“-Faktor. Die Leidenschaft der Darsteller tröstet über holprige Dialoge und eine zähe Dramaturgie hinweg. Dafür gibt’s fantastische Stunts, fiese Bösewichte und eine eineinhalbstündige Berlin-Hommage zu bestaunen.


MEIN NEUES BESTES STÜCK | Regie: Audrey Dana | FR/BEL 2017

Aus, Schluss, vorbei! Nach einem erbitterten Rosenkrieg mit ihrem Exmann und dem Verlust des alleinigen Sorgerechts für ihre zwei kleinen Kinder platzt der sonst so aufopferungsvollen Jeanne (Audrey Dana) endgültig der Kragen. Frustriert und abgekämpft beschließt die überforderte Mittdreißigerin, das andere Geschlecht ab sofort links liegen zu lassen und allen Männern abzuschwören. Denn sie ist sich sicher: Mit einem Schwanz wäre alles einfacher! Doch eines Tages wacht sie mit einer prekären Überraschung zwischen den Beinen auf… einem Penis! So sehr manche Frauen über einen etwaigen Rollenwechsel vielleicht phantasieren mögen: Jeanne definitiv nicht! Als auch ihr Gynäkologe ihr nicht helfen kann, muss sich Jeanne etwas überlegen…

In den besten Momenten dringt durch „Mein neues bestes Stück“ die Botschaft durch, dass Probleme jeglicher Art vor den einzelnen Geschlechtern keinen Halt machen (sollten), denn etwas, worüber man selbst nicht bestimmen kann, sollte niemals zu einem Konfliktherd werden. Leider räumt Regisseurin Audrey Dana plakativen Zoten zu viel Platz ein und ist zudem ungenau in ihrer Erzählung. Ihre darstellerische Leistung hievt den Film trotzdem auf solides Mittelmaß.


GIULIAS GROSSES RENNEN  |  Regie: Matteo Rovere | IT 2016

Die Leidenschaft für schnelle Motoren liegt Giulia De Martino im Blut, denn sie stammt aus einer Familie, die seit Generationen Champions im Motorsport hervorbringt. Auch sie ist Rennfahrerin, noch dazu ein außergewöhnliches Talent, sodass sie bereits als Siebzehnjährige unter der Führung ihres Vaters Mario an der GT-Meisterschaft teilnimmt. Aber eines Tages ändert sich alles, und Giulia muss nun sowohl auf der Rennbahn als auch im Leben allein zurechtkommen. Die Situation verkompliziert sich, als ihr Bruder Loris unerwartet wieder zu Hause auftaucht, auf den man als Rennfahrer zwar nicht mehr bauen kann, der jedoch mit einem außergewöhnlichen siebten Sinn fürs Fahren begabt ist. Giulia bleibt nichts anderes übrig, als mit ihm zusammenzuarbeiten. In einer rasanten Abfolge von Adrenalin und Emotionen entdecken beide, wie schwierig und gleichzeitig bedeutsam es ist, eine Familie zu sein.


SELBSTKRITIK EINES BÜRGERLICHEN HUNDES  |  Regie: Julian Radlmaier | DE 2017

Ein bürgerlicher Windhund gesteht, wie er vom Filmemacher zum Vierbeiner wurde: Weil er gerade keine Förderung bekommt, sieht Julian sich gezwungen, einen Job als Erntehelfer anzunehmen. Als er der jungen Kanadierin Camille weismacht, es handele sich dabei um die Recherche für einen kommunistischen Märchenfilm, in dem sie die Hauptrolle spielen soll, will sie ihn begleiten und Julian spinnt romantische Fantasien. So landen die beiden in der trügerischen Idylle einer ausbeuterischen Apfelplantage. Während Julian unter der körperlichen Arbeit leidet und sich vor den merkwürdigen Zimmergenossen in den Containerbaracken fürchtet, stürzt sich Camille enthusiastisch in die vermeintliche Recherche und freundet sich mit Hong und Sancho an, zwei wundergläubige Proletarier auf der Suche nach dem Glück, die nicht nur Camille, sondern auch Julian nachhaltig beeindrucken.


Heimkinotipp: DIE TASCHENDIEBIN  |  Regie: Chan-Wook Park | KOR 2016

Korea in den 1930er Jahren. Die schöne, aber unnahbare Lady Hideko lebt mit ihrem dominanten Onkel Kouzuki in einem abgelegenen Anwesen, dessen Herzstück eine hingebungsvoll gepflegte Bibliothek ist. Kouzuki sammelt und verkauft Bücher voll schonungsloser Erotik, die Hideko zahlungskräftigen Herren vorlesen muss. Eines Tages kommt ein neues Dienstmädchen, die junge und naive Sookee, ins Haus von Lady Hideko. Doch das Mädchen hat ein Geheimnis: Sookee ist eine Betrügerin, engagiert, um Hideko dem gerissenen Grafen Fujiwara in die Hände zu spielen, der sie nach der Hochzeit um ihr Vermögen bringen will. Doch zwischen den beiden jungen Frauen entwickelt sich etwas Unerwartetes: eine ungeahnte Zuneigung, die die Karten der Macht neu verteilt.

Chan-wook Parks „Die Taschendiebin“ ist ein komplex-verschachtelt erzähltes, hochspannendes und ebenso erotisches Verwirrspiel um Liebe, Begehren und das Entkommen aus gesellschaftlichen Zwängen. Trotz einiger Längen ist das betörend schön gefilmte Drama schon jetzt ein Highlight des Kinojahres 2017.