Mein neues bestes Stück

Eine Frau, der über Nacht ein Penis wächst: Das ist die Prämisse der französischen Komödie MEIN NEUES BESTES STÜCK, die viel besser sein könnte, hätte die Regisseurin Audrey Dana ausgerechnet bei so einem Film die Zoten weggelassen. Mehr dazu in meiner Kritik.

Der Plot

Aus, Schluss, vorbei! Nach einem erbitterten Rosenkrieg mit ihrem Exmann und dem Verlust des alleinigen Sorgerechts für ihre zwei kleinen Kinder platzt der sonst so aufopferungsvollen Jeanne (Audrey Dana) endgültig der Kragen. Frustriert und abgekämpft beschließt die überforderte Mittdreißigerin, das andere Geschlecht ab sofort links liegen zu lassen und allen Männern abzuschwören. Doch eines Tages wacht sie mit einer prekären Überraschung zwischen den Beinen auf… einem Penis! So sehr manche Frauen über einen etwaigen Rollenwechsel vielleicht phantasieren mögen: Jeanne definitiv nicht!

Kritik

Für Frauen gibt es im Kino derzeit Einiges zu frohlocken. Mit „Wonder Woman“ gelangt Anfang Juni die erste weibliche Superheldin des anhaltenden Comicfilm-Booms in die weltweiten Lichtspielhäuser. Das „Ghostbusters“-Remake konzentrierte sich ebenfalls ausschließlich auf starke Frauen. Und Charlize Theron aka Furiose fuhr der eigentlichen Hauptfigur im gleichnamigen Film „Mad Max: Fury Road“ – im wahrsten Sinne des Wortes – den Rang ab. Nein, obwohl Männer im Unterhaltungskino immer noch überdominant auftreten, so wäre es doch falsch, dem vermeintlich schwachen Geschlecht die hiesige Existenz völlig abzusprechen. Doch auch dank offensiv agierender, prominenter Feministinnen wie Emma Watson oder Ellen Page tönen die Emanzipationsbläser derzeit lauter als je zuvor. Dazu passt zumindest auch das Konzept der französischen Komödie „Mein neues bestes Stück“, die – übrigens von einer Frau inszeniert – genau dieses Thema aufgreift. Regisseurin Audrey Dana („French Women – Was Frauen wirklich wollen“) lässt die von ihr selbst verkörperte Hauptfigur in einer von Männern regierten Welt verzweifeln, bis diese zu dem Schluss kommt, dass alles so viel leichter wäre, wenn sie doch bloß einen Penis hätte. Auch wenn es der Film bereits im Titel anders ankündigt, bildet Letzteres zwar vorwiegend Stoff für allerhand zotige Gags, doch eigentlich behandelt Dana in ihrer Geschichte die Frage danach, was eine Geschlechteridentität eigentlich ausmacht. Am Ende kommt sie zu dem Schluss, dass es eine solche gar nicht gibt respektive benötigt; sämtliche Probleme, ob körperlicher oder emotionaler Natur, machen nämlich weder vor dem einen, noch vor dem anderen Geschlecht Halt.

Auf einen Feierabend-Drink: Jeanne (Audrey Dana) und Merlin (Éric Elmosnino).

In Frankreich war „Mein neues bestes Stück“ ziemlich erfolgreich. Hierzulande wird die Komödie indes schon vor Start harsch abgestraft. Verwunderlich ist das nicht, denn bereits das Konzept lädt im Grunde dazu ein, sich klamaukig an der pubertär-billigen Prämisse abzuarbeiten. Und wenn dann auch noch manch ein Gag – im wahrsten Sinne des Wortes – in die Hose geht, erhärtet sich direkt der Verdacht, dass Andrey Dana ihre feministisch gedachte Idee im Rahmen der Inszenierung nicht ganz zu Ende verfolgt hat. Doch seien wir einmal ehrlich: So realitätsfern das Szenario vom über Nacht gewachsenen Penis auch ist, einmal in die Lage der Protagonistin hinein versetzt, sind (zugegebenermaßen arg plakativ gefilmte) Szenen wie jene, in welcher sich Jeanne eine ganze Nacht lang einen von der Palme wedelt und dabei Unmengen von Taschentüchern verbraucht, eigentlich gar nicht so abgehoben. Es ist zwar schwierig, zu mutmaßen, wie unsereins in einer solchen Situation reagieren würde. Aber fern liegt der Gedanke nicht, dass erst einmal all das ausprobiert wird, was Frau normalerweise nur von Mann kennt. Das Problem an „Mein neues bestes Stück“ ist indes ein ganz anderes: Audrey Dana, die nicht nur Regie führte und die Hauptrolle spielt, sondern auch das Drehbuch schrieb, ist nicht deutlich genug darin, zu erklären, was es mit dem plötzlich auftauchenden Geschlechtsteil auf sich hat. Ist Jeanne emotional weiterhin eine Frau und fortan „nur“ mit einem Penis anstatt einer Vagina ausgestattet? Oder umfasst ihr primärer Geschlechterwandel auch direkt ihr Innerstes?

Durch diese ungenaue Ausrichtung läuft Audrey Dana mehrfach direkt hinein in die Klischee- und Genderfalle. Und nicht immer erkennt man, ob sich die Filmemacherin die negativ intonierte Aussage ihrer Szenen bewusst ist. Einerseits bekräftigt Dana herzlich mithilfe diverser Beispiele, dass Mann und Frau ihre ganz eigenen Spleens und Eigenheiten haben (und dass das auch vollkommen okay ist, solange man sich gegenseitig auf Augenhöhe begegnet und respektiert); auf der anderen Seite greift sie nicht nur in der Darstellung dieser Charakteristika oft auf Klischees zurück, sodass mitunter das Gefühl entsteht, Mann und Frau würden für gewisses Verhalten (ganz gleich ob positives oder negatives) schlicht und ergreifend gar nichts können; immerhin würden sie von Hormonen dazu gezwungen. Wenn Dana dann auch noch damit beginnt, all das nur halbherzig zu bewerten, mündet das leider allzu oft in eindimensionaler Abwertung. Die Verwunderung und zu Beginn damit einhergehende Abscheu gegenüber Jeannes neuem Geschlechtsteil liegt in der Natur der Sache (und ist wohl in erster Linie auch dem Mangel an Erklärung geschuldet). Doch anstatt es bei dieser Skepsis zu belassen, kippt die Attitüde von Jeanne und ihrem Umfeld alsbald in pure Hysterie – das hierhin dann auch noch der eigentlich um Sachlichkeit bemühte Gynäkologe Doctor Pace (solide: Christian Clavier) mit einstimmt, macht das Szenario zusätzlich anstrengend; da „Mein neues bestes Stück“ ohnehin als High-Concept-Film funktioniert respektive funktionieren muss, hätte Audrey Dana Film und Figuren einen Gefallen getan, sie nicht bis zuletzt als ahnungslose Gaffer darzustellen.

Freundinnen unter sich: Jeanne (Audrey Dana) und Marcelle (Alice Belaïdi)

Aber „Mein neues bestes Stück“ kann auch punkten; Audrey Dana schafft nicht bloß mit ihrem passionierten Spiel, manch schwierigen Szenenaufbau vor dem Zusammenbruch zu bewahren. In vielen Momenten erkennt man sehr wohl, welche Message die Französin eigentlich verfolgt. So begibt sich Dana bei der Erzählung auf Augenhöhe mit ihrer Protagonistin und schafft es anhand dessen, den Blickwinkel auf die von Männern dominierte Welt so zu karikieren, dass das später von ihr angenommene Macho-Verhalten als Mischung aus Parodie und erschreckend treffendem Realismus funktioniert. Ihre Jeanne agiert so, wie eine derart im seelischen Stress befindliche Frau, die wirklich jeden persönlichen Tiefschlag auf die Übermacht der Männlichkeit um sie herum bezieht, agieren würden, um damit bemüht das Verhalten der ihr gegenüber feindlich gesinnten Männer zu imitieren. Dass sie damit jedoch jene Vorurteile bekräftigt, die sie als Frau umgekehrt eigentlich vermieden gewusst haben will, wird erst recht deutlich, wenn man sich anschaut, wie die Regisseurin bei der Figurenzeichnung vorgegangen ist. In „Mein neues bestes Stück“ beschränken sich die dominanten Rollen mitnichten bloß auf die Männer, die unterwürfigen keinesfalls ausschließlich auf die Frauen. Das Skript lässt die mannigfaltigen Probleme der verschiedenen Geschlechter sich gegenseitig überschneiden – und eine toughe Frau bietet einem allein erziehenden Mann die Schulter zum Anlehnen, während sich Frau ganz selbstverständlich auf die Suche nach kurzweiligen Sexdates begibt. Es ist zu schade, dass „Mein neues bestes Stück“ zwischendrin immer wieder so wirkt, als wüsste die Regisseurin nicht, was genau sie sich von ihrem Film erhofft. Denn wäre es ihr gelungen, Albernheiten und Botschaft treffend zusammenzuführen, wäre hier ein richtig starker Film bei herausgekommen.

Fazit: In den besten Momenten dringt durch „Mein neues bestes Stück“ die Botschaft durch, dass Probleme jeglicher Art vor den einzelnen Geschlechtern keinen Halt machen (sollten), denn etwas, worüber man selbst nicht bestimmen kann, sollte niemals zu einem Konfliktherd werden. Leider räumt Regisseurin Audrey Dana plakativen Zoten zu viel Platz ein und ist zudem ungenau in ihrer Erzählung. Ihre darstellerische Leistung hievt den Film trotzdem auf solides Mittelmaß.

„Mein neues bestes Stück“ ist ab dem 8. Juni in den deutschen Kinos zu sehen.

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