Capone

Nach dem Totalflop „Fantastic Four“ meldet sich Regisseur Josh Trank mit CAPONE zurück, einem Drama über den berüchtigten Ganoven Al Capone und insbesondere über seine letzten Jahre. Ob das Tom-Hardy-Vehikel überzeugt, verraten wir in unserer Kritik.

OT: Capone (CAN/USA 2020)

Der Plot

1946: Der berühmte Chicagoer Gangsterboss Al Capone (Tom Hardy) ist gerade einmal 47 Jahre alt, aber bereits körperlich wie geistig völlig am Ende. Er leidet unter Neurosyphilis und wird zunehmend dement. Seine Frau Mae (Linda Cardellini) agiert auf einem Anwesen in Florida, das Stück für Stück verkauft wird, zunehmend nur noch als geduldige Pflegerin. Das FBI überwacht ihn weiterhin, selbst wenn es Gegenwind gibt, man solle den ungefährlich gewordenen, kranken Mann doch endlich in Ruhe lassen. Davon bekommt Capone kaum noch etwas mit, jedoch sucht ihn seine blutige Vergangenheit in wahnhaften Träumen heim…

Kritik

Josh Trank fühlt sich zu Stoffen hingezogen, die Erwartungen auf den Kopf zu stellen. Sein Regiedebüt „Chronicle“ erschien während der Glanzzeit des Found-Footage-Horrors, kam aber als Found-Footage-Superheldenfilm daher, in dem Coming-of-Age-Konventionen ebenso auf links gedreht werden, wie der Verlauf typischer Superhelden-Ursprungsgeschichten. Sein zweiter Film, das von der Kritik verrissene und vom Publikum negativ aufgenommene „Fantastic Four“-Reboot, nahm sich vor, das muntere Superquartett als Protagonisten einer Art Comicbuch-Bodyhorror-Story neu zu interpretieren. Und auch nach diesem brutalen Flop bleibt Trank diesem Pfad treu: Denn das Gangsterdrama „Capone“ zeigt seinen Titelhelden, den berüchtigten Mafioso Al Capone, nicht etwa in seiner Blütezeit. Ebenso wenig skizziert es den Aufstieg und Fall Capones. „Capone“ fokussiert sich einzig und allein auf das letzte Lebensjahr des legendär gewordenen Verbrechers, in dem er vornehmlich schimpfend, fiebrig schwitzend und desorientiert im Bett lag. Diese Schwerpunktlegung brachte Tranks dritter Regiearbeit nach US-Start bereits einige unverdiente Schelte ein – nicht wenige Filmfans, die sich auf einen klassischen Mafiafilm freuten, bewerteten „Capone“ allein schon deshalb negativ, weil sie nicht erhalten haben, was sie sich zuvor in den Kopf setzten.

Linda Cardellini und Tom Hardy als Fonse und Mae Capone.

So unberechtigt dieser Backlash war – es ist nicht so, als ließe sich an „Capone“ nichts zu bemängeln finden, wenn man dem Film auf seiner Wellenlänge begegnet. So ist Tom Hardys Darbietung der Titelfigur ein zweischneidiges Schwert. Es gibt Szenen, in denen Capones fiebrige Kauzigkeit zu empathischen, nicht etwa sich über seine gesundheitliche Lage erhebenden Schmunzlern einlädt, und Hardy trifft in diesen den Nagel auf den Kopf. Jedoch gibt es ebenso eine Handvoll Szenen, in denen Hardy Capones Gebrabbel, Gemecker und kränkliches Gestöhne derart überzieht, dass es unfreiwillig komisch wird – das verleiht „Capone“ einen bitteren, unschönen Beigeschmack, und es mindert die grundlegende Dramatik der Lage. Das schmälert, nimmt man den ganzen Film in Betracht, dann auch jene Szenen, in denen es Hardy gelingt, den immer kränklicher werdenden, den Bezug zur Realität verlierenden Gangster geradeheraus zu spielen, ohne absurde Übertreibung oder dezente Ironie. Für sich betrachtet gelingen zwar solche Momente, in denen Capone etwa ärztlich untersucht wird, und nicht mehr weiß, wie alt er ist, oder wenn er reuig zu seiner Frau kriecht, weil er das Bett besudelt hat. Allerdings wird ihr emotionaler Nachhall durch die Momente schauspielerischer Fehlgriffe geschmälert. Nur die Filmverantwortlichen werden wissen, ob das allein Hardys Schuld ist, der in den vergangenen Jahren bekanntlich zunehmend Freude an maßloser Exzentrik gefunden hat (siehe etwa „Venom“), oder ob es auch Tranks Regieführung war, die dazu führte.

„Es gibt eine Handvoll Szenen, in denen Hardy Capones Gebrabbel, Gemecker und kränkliches Gestöhne derart überzieht, dass es unfreiwillig komisch wird – das verleiht „Capone“ einen bitteren, unschönen Beigeschmack.“

Dieser Unklarheit ungeachtet, ist ja bereits bestens verbucht, dass Hardy es eigentlich versteht, die Grundtonalität von „Capone“ perfekt zu meistern – spielte er doch schon für Nicolas Winding Refn den berüchtigten Verbrecher Bronson, der im gleichnamigen Biopic aus dem Jahr 2008 ebenfalls körperlich wie mental zerfällt. Die Glanzmomente von „Capone“ sind daher jene, in denen der einstige Schrecken Chicagos in Alb- und Wachträumen von verzerrten, finsteren Erinnerungen heimgesucht wird. Diese Passagen, in denen Hardy einen sichtbar angeschlagenen (das Alters- und Krankheits-Make-up ist beeindruckend) Capone mimt, der irritiert durch dramatische und brutale Fetzen seines früheren Lebens stapft, und sich dabei an den letzten Strohhalmen seines früheren Images klammert, sind einnehmend gespielt. Und vor allem auch denkwürdig inszeniert: Trank und sein Kameramann Peter Deming („Mulholland Drive“) finden eine Bildsprache, die gezielt-stacksend zwischen verklärter Erinnerung, Gangsterfilm-Dramatik und unheilvoll-irreal balanciert. Diese Mischung allein ist schon gekonnt, aber die unregelmäßigen Augenblicke, in denen die Balance (gewollt-)drastisch verloren wird, geben Capones Wahn eine zusätzliche, beklemmende Dimension.

Tom Hardys Performance spaltet…

In den geradlinigen Realweltmomenten ist die Bildsprache leider etwas routiniert TV-Biopic-Drama-esk, und obwohl Linda Cardellini („Green Book – Eine besondere Freundschaft“) als hingebungsvolle, aber auch verzweifelte Gattin sehr überzeugend ist, wird nicht genug aus ihrer Rolle gemacht, um ihren Schmerz auszuloten. Daher fehlt es diesem Film an einer greifbaren, durchgängigen Empathie, so dass trotz gelungener Momente zu häufig Gleichgültigkeit vorherrscht.

Fazit: Die Grundidee ist reizvoll, doch Tranks Dekonstruktion einer Gangsterlegende kommt zu keiner Schlussfolgerung. Im Zusammenspiel mit Tom Hardys qualitativ stark schwankenden Performance macht dies „Capone“ zu einem ambitionierten, aber auch halbgaren Drama, das aber wenigstens ein paar denkwürdige Passagen aufweist.

„Capone“ ist ab dem 26. März auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie ab dem 19. März als VOD abrufbar.

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