Fantastic Four

Als Christopher Nolan vor einigen Jahren das Zeitalter der düsteren Comicverfilmungen einläutete, hätte er sich wohl kaum träumen lassen, dass im Kielwasser dieses Trends auch ein vermeintlich ernsthaftes Reboot der für knallbunten Popcornspaß nahezu prädestinierten FANTASTIC FOUR-Reihe entstehen würde. Regisseur Josh Trank und das geldgebende Studio 20th Century Fox haben sich längst überworfen. So wirklich verantwortlich möchte für die Marvel-Schmach, die es dieser Tage in die Kinos schafft, niemand sein. Weshalb dies gute Gründe hat und warum der Blockbuster für einen Film seiner Dekade nahezu alles falsch macht, verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Gemeinsam mit seinem Klassenkamerad Ben Grimm (Jamie Bell) entwickelt der junge Erfinder Reed Richards (Miles Teller) eine einzigartige Maschine zum Transport von Masse. Mit dem handlichen Apparat, den er als „kymatischen Materie-Shuttle“ bezeichnet, kann er Gegenstände von einem Ort an einen anderen teleportieren, worauf vier Jahre später der Director der Baxter Foundation, Dr. Franklin Storm (Reg E. Carthey), aufmerksam wird. Das Baxter Institut ist eine Schule und Denkfabrik, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, Highschool- und Collegestudenten ein Umfeld zu bieten, um neue Ideen auszubrüten. Dr. Storm bittet den jungen Visionär, zu seiner Elitegruppe junger Studenten zu kommen. Reed zieht nach New York und stößt zum Baxter-Programm, wo er maßgeblichen Anteil an dem Bau eines Shuttles hat, das auf der bahnbrechenden Technologie beruht, die er entwickelt hat. Eines Nachts beschließt Reed, seinen Apparat auszuprobieren, obwohl er bislang noch nicht an Menschen getestet wurde. Er überredet seinen Kindheitsfreund Ben Grimm, zusammen mit Dr. Storms Sohn Johnny Storm (Michael B. Jordan) und seinem Baxter-Kommilitonen Victor von Doom (Toby Kebbell), mit ihm zu einer anderen Dimension zu reisen, die einer sehr ursprünglichen Erde ähnelt – ein ganzer Planet voll mit natürlichen Energiequellen, die demjenigen unendliche Macht verleihen, der es lernt, sie zu kontrollieren. Doch die Mission der Amateurastronauten schlägt fehl. Es kommt zu einer Explosion. Reed, Johnny und Ben werden schwer verletzt, ebenso wie ihre Mitstudentin Sue Storm (Kate Mara), Dr. Storms Adoptivtochter, die im Labor zurückgeblieben war. Victor wird vermisst. Der Baxter-Vorfall ruft die Regierung auf den Plan. Die vier jungen Leute werden in eine streng geheime Einrichtung verlegt, die als Area 57 bekannt ist, wo sie die nächsten drei Jahre eingeschlossen, stabilisiert, untersucht und analysiert werden. Reed, Johnny, Sue und Ben beginnen, außergewöhnliche körperliche Fähigkeiten zu offenbaren, die ihnen fantastische Kräfte verleihen…
Kritik
Besonders durch die hohen Social-Media-Aktivitäten von Regisseuren, Schauspielern, Studios und Geldgebern ist es für den Zuschauer heutzutage zum Standard geworden, indirekt am Entstehungsprozess eines Films teilzuhaben. Besetzungscoups und Schwierigkeiten in der Kulissenfindung sind dabei ebenso inbegriffen wie lustige Anekdoten oder leidenschaftliche Bekundungen, welche Opulenz das zahlende Publikum nach Fertigstellung erwarten wird. Kurzum: Es bedarf mittlerweile schon einer besonders hervorstechenden Produktionsgeschichte, um in der Masse an überschwänglichem Eigenlob und desaströsen Fehlerbekenntnissen nicht unterzugehen. Der Entstehung von „Fantastic Four“ ist dieses zweifelhafte Kunststück gelungen, wohl allerdings anders, als ihr lieb ist. Als Zyniker möchte man fast meinen, die Produktionsgeschichte wäre interessanter als das fertige Projekt; Josh Trank („Chronicle“) hat sich mittlerweile in Gänze von seiner Vision verabschiedet und gab via Twitter kürzlich bekannt, „vor einem Jahr einen tollen ‚Fantastic Four‘-Film abgeliefert“ zu haben, der „großartige Kritiken“ erhalten hätte, den „nun allerdings keiner zu Gesicht bekommen“ werde. Sich so vehement von seinem eigenen Projekt zu distanzieren, offenbart die Schwierigkeiten in der Postproduktion. Von kurzfristigen Budgetkürzungen ist da die Rede und von Tranks Ausschließen aus sämtlichen Prozessen, die über den reinen Filmdreh hinausgehen. Dies soll gar darin gemündet sein, dass sich nicht nur Trank in seinem Trailer eingeschlossen, sondern auch seine Hunde in Eigenregie ein ganzes Hotelzimmer zerlegt haben sollen. Wie viel Wahrheit in diesen Gerüchten steckt, vermag man als Außenstehender natürlich ungern zu beurteilen. Wundern würden derartige Eskapaden im Anbetracht des fertigen Films allerdings ganz und gar nicht.
Es lässt sich allenfalls noch erahnen, wie viel des Ursprungsgedanken in „Fantastic Four“ enthalten ist, doch eines ist sicher: Die Wiederbelebung der Comicreihe, die in ihrem düsteren Tonfall mehr an DC denn an Marvel erinnert, ist lediglich das rudimentäre Abbild eines modernen Comicblockbusters. Mit Entertainment von Heute hat das qualitativ zweifelhafte Unterfangen absolut nichts zu tun, wofür nicht bloß die schockierend lieb- und leblosen Effekte, sondern auch das ungeordnete Skript (Simon Kinberg, Jeremy Slater und Josh Trank) zuständig sind. Sich im Blockbusterkino von sämtlichen narrativen Regeln loszusagen, ist heutzutage zwar immer noch selten, doch Filme wie „Mad Max: Fury Road“ beweisen, dass ein solcher Kniff nicht mehr nur dem Nischenkino vorbehalten ist. Im Falle von „Fantastic Four“ setzt das schreibende Dreiergespann sein Publikum allerdings zwischen die strukturellen Stühle. Unabhängig davon, wie viel Schuld der Postproduktionsprozess an dieser Misere trägt, besitzt das Drehbuch nämlich eine absolut widersinnige Struktur. In seinen gut eineinhalb Stunden – einer blockbusteruntypisch kurzen Laufzeit – hält sich das Skript viel zu lange an der Origin-Story auf und lässt die potenziell interessanten Figuren im Inneren diverser Forschungseinrichtungen versauern. Eh der Plot an Fahrt aufnimmt, ist bereits eine Dreiviertelstunde vergangen; Nebenstränge wie die Andeutung einer amourösen Dreiecksgeschichte werden zwar angerissen, aber nie zu Ende erzählt. So müssen es in der ersten Hälfte ausschließlich die Figuren richten, doch diese sind trotz ihrer hochkarätigen Besetzung viel zu uninteressant und nicht somit imstande, als Identifikationsfigur für das Publikum zu funktionieren.
Dadurch, dass die Charakterzüge der Protagonisten lediglich angerissen und gerade von Kate Mara („House of Cards“) und Michael B. Jordan („Für immer Single?“) bloß leidlich passioniert verkörpert werden, funktioniert auch auf der emotionalen Ebene nahezu nichts. Wenngleich „Fantastic Four“ schon früh den stark humorbefreiten Tonfall vorgibt, gibt es Szenen, in welchen das Schmunzeln des Zuschauers oder gar eine gefühlsbedingte Regung mit eingerechnet wird. Da sich von Seiten des Publikums jedoch mit der Zeit eine absolute Gleichgültigkeit gegenüber der Leinwandgeschehnisse einstellt, laufen sämtliche Momente dieser Art ins Leere. Selbst das restliche, verbliebende Potenzial wird nicht ausgeschöpft: Wenn etwa Kate Mara in einer geistig fordernden Prozedur auf ihre Musik als Berieselung besteht, gibt die Umsetzung des Skripts eine Pause vor, in welcher offenbar mit dem Lachen des Zuschauers gerechnet wird. Ohne die Pointe, wie etwa einem zu dieser Situation passenden Song („Guardians of the Galaxy“ lässt grüßen) oder wenigstens der entsprechenden Attitüde, ein solches Anliegen in einem solchen Moment vorzutragen („Iron Man“ lässt grüßen), verlaufen all jene Szenen der kurzweiligen Tonfallbrechnung im Sande. So versucht sich „Fantastic Four“ komplett auf den Unterhaltungswert der Geschichte zu verlassen – und scheitert auch hier kläglich. Denn nicht nur der Spannungsaufbau gerät aufgrund der schlicht vollkommen langweiligen Aufmachung ins Stocken. Ist „Fantastic Four“ nach einer dreiviertel Stunde endlich über die Skizzierung der Prämisse hinaus, folgt ein qualitativer Fehlschlag auf den nächsten.
Neben einer technisch fragwürdigen Inszenierung, die von billigem CGI über die falsche Ausleuchtung der sichtbar in einem Studio inszenierten Kulisse bis hin zu uninspiriertem Orcherster-Einheitsbrei (Marco Beltrami) reichen, ist insbesondere die Einführung des Bösewichts eine an heutigen Standards gemessene Nullnummer. Innerhalb von einer halben Stunde muss der Schurke nicht bloß etabliert und seine Beweggründe ergründet, sondern auch vernichtet werden, was im Anbetracht der überraschenden Skrupellosigkeit (Stichwort: Blutfontänen!) zunächst wie ein unmögliches Unterfangen wirkt. Darüber hinaus ist in jenen dreißig Minuten auch noch die Formierung der Fantastic Four zum Team inbegriffen, während die Welt kurz vorm Untergang steht und die vier Hauptfiguren weiterhin mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen haben. Dass nach viel, viel Leerlauf innerhalb der ersten Stunde plötzlich so viel Inhalt in den Schlussakt gesteckt wird, zeugt nicht bloß vom Unvermögen der Drehbuchautoren, sondern ist aufgrund seiner Ausführung hier überdeutlich die Schuld der Postproduktion. Szenen werden via Schwarzblende mittendrin abgebrochen, Dialoge beziehen sich auf Gegebenheiten, die im Film nicht stattfanden und zwischen all diesem Wirrwarr versuchen Miles Teller („Whiplash“) und Jamie Bell („Nymph()maniac“), dem Chaos Herr zu werden. Bell gelingt dieses Unterfangen aufgrund der einzig gelungenen Animation von „The Thing“ noch am besten, wohingegen Teller zwar nichts für die lachhaften Dehnungseffekte seines Körper kann, sein Engagement dadurch jedoch auch arg in Mitleidenschaft gezogen wird; mehr noch: Durch Tellers Bestreben, seiner Figur die größtmögliche Tiefe zu verleihen, wirken die ohnehin schon energiearmen Actionsequenzen mit seiner Figur umso lachhafter. Stattdessen sollte eigentlich der Film von seiner Schauspielkunst profitieren und nicht umgekehrt.
Fazit: In „Fantastic Four“ stimmt nichts. Der Filmaufbau folgt keinerlei Stringenz und erweist sich dadurch als anstrengend. Die für einen Unterhaltungsfilm dieses Genres so wichtigen Effekte sind – an heutigen Standards gemessen – absolut ungenügend, darüber hinaus fehlt es dem Projekt sichtbar an Passion und die Schauspieler haben trotz ihrer Namen nie auch nur im Ansatz die Möglichkeit, ihr Können auszuspielen. Nicht nur, dass sich an diesen Film in wenigen Wochen kaum einer erinnern wird: Wenn die fantastischen Vier in der aller letzten Szene einen Namen für ihre Superheldencombo suchen, erhält dieser Moment obendrein einen fremdschämenden Beigeschmack. Die Vier brauchen keinen Namen – die Macher haben dem Franchise mit diesem Film den Todesstoß versetzt, sodass es ein Wiedersehen mit The Thing und Co. nicht geben wird. Vier verliert!
„Fantastic Four“ ist ab dem 13. August bundesweit in den Kinos zu sehen.
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