Tom & Jerry

„Ride Along“-Regisseur Tim Story spendiert den beliebten Cartoon-Feinden TOM & JERRY ein Realfilmabenteuer, in dem sich die Trickvierbeiner so richtig austoben dürfen. Das Ergebnis ist unterhaltsam, auch wenn ausgerechnet die Titelfiguren hin und wieder wie Fremdkörper in ihrem eigenen Film wirken. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Einen Tag bevor dort die prächtigste Hochzeit des Jahrhunderts stattfinden soll, zieht die freche Maus Jerry in das vornehmste Hotel New Yorks ein. Der verzweifelten Hochzeitsplanerin Kayla (Chloë Grace Moretz) bleibt nichts anderes übrig, als den Kater Tom zu engagieren, um den ungebetenen Gast loszuwerden. Dem anschließenden Katz-und-Maus-Spiel droht ihre Karriere, die Hochzeit und möglicherweise das Hotel selbst zum Opfer zu fallen. Doch schon bald taucht ein noch größeres Problem auf: ein teuflisch ehrgeiziger Mitarbeiter, der sich gegen alle drei verschwört…
Kritik
In der schnelllebigen Popkultur ist es nur den wenigsten Phänomenen vergönnt, sich über einen längeren Zeitraum konstant in der Wahrnehmung des Publikums zu halten. Eines davon ist das einst als Protagonisten seiner eigenen TV-Cartoons bekannt gewordene Duo aus Kater Tom und Hausmaus Jerry. Seit über 70 Jahren (!) schon erfreuen die felligen Feinde Generation um Generation von Comedy-Liebhaber:innen. Angefangen hat „Tom & Jerry“ im Jahr 1940 als 161 Kurzfilme umfassende Zeichentrickserie. Es folgten zwei weitere in den Sechzigerjahren, zwei „Tom & Jerry Shows“ von 1975 bis 1982 und ein eng an die Originalserie angelehntes Prequel-Format namens „Tom & Jerry Kids“, das die beiden Hauptfiguren im Kindesalter darstellt. Neben diversen Filmadaptionen, von denen der 1993 veröffentlichte „Tom & Jerry – Der Film“ als einziger auch eine Kinoauswertung erhielt, gibt es seit 2014 eine Neuauflage der „Tom & Jerry Show“, die bis heute aus 195 Folgen in fünf Staffeln besteht und in der sich die beiden Hauptfiguren in elfminütigen Sketchen das Leben schwermachen. Das Konzept des buchstäblichen Katz-und-Maus-Spiels, bei dem möglichst viel zu Bruch geht und sich die beiden Erzfeinde in bester Slapstick-Manier um den Verstand bringen, weil sich jeder dem anderen überlegen fühlt, hat sich in den vielen Jahrzehnten nie groß geändert. Auch für ihren neuen Kinofilm nicht, obwohl Regisseur Tim Story („Ride Along“) den beiden Trickhelden erstmals ein Realfilmsetting spendiert.
Die meisten „Tom & Jerry“-Sketche dauern um die zehn Minuten. Einige der direkt fürs Heimkino (wahlweise als Fernsehausstrahlung oder als Direct-to-DVD-Titel) erschienenen Filme wie etwa „Der Zauberring“ oder „Piraten auf Schatzsuche“ schlagen auch schon mal mit einer guten Stunde zu Buche. Mit 84 Minuten war jedoch Phil Romans „Tom & Jerry – Der Film“ die bislang längste zusammenhängende Erzählung aus dem Kosmos der verfeindeten Vierbeiner; ein Rekord, den Tim Story mit seiner 101 Minuten langen Langfilm-Neuinterpretation „Tom & Jerry“ nun einstellt. Da die „Tom & Jerry“-Sketche ihren Reiz in erster Linie über das enorm hohe Tempo, das damit einhergehende Slapstick-Dauerfeuer und die immense Kreativität entwickelten, sind die Zweifel im Anbetracht einer klassischen Spielfilmlänge berechtigt: Trägt ein Format wie „Tom & Jerry“ eine Handlung von über eineinhalb Stunden? Die Antwort ist: nein. Und aus diesem Grund hat Drehbuchautor Kevin Costello („Die Abenteuer von Brigsby Bär“) eine üppige Rahmenhandlung um die beiden Cartoon-Kultfiguren herumgestrickt. Im Zentrum des Films steht die von Chloë Grace Moretz („Wenn ich bleibe“) verkörperte Kayla, die zu ihrer eigenen Verwunderung den Job einer Hotelmanagerin sowie Aushilfs-Hochzeitsplanerin ergattern kann und im Zuge dessen in den Kleinkrieg zwischen Tom und Jerry hineingezogen wird.
„Trägt ein Format wie „Tom & Jerry“ eine Handlung von über eineinhalb Stunden? Die Antwort ist: nein. Und aus diesem Grund hat Drehbuchautor Kevin Costello eine üppige Rahmenhandlung um die beiden Cartoon-Kultfiguren herumgestrickt.“
Die beiden hat es mittlerweile nach New York verschlagen und es vergehen nur wenige Momente in „Tom & Jerry“, bis sich die beiden dort treffen und sofort mit ihren bekannten Angriffen beginnen. Die Integration in das Realfilmumfeld ist dabei nur mäßig gelungen. Zwar besitzen sämtliche Tricktiere (alles Nichtmenschliche wird in diesem Film von Cartoonfiguren dargestellt, die Zweibeiner dagegen sind echt) einen nostalgischen Comiccharme, doch die gezeichneten Figuren agieren spürbar in einer anderen Dimension als ihr reales Umfeld. Das kann – wie etwa in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ oder auch „Mary Poppins“ – zwar auch seinen ganz eigenen, visuellen Reiz entwickeln. Doch den Tricktieren fehlt es hier an Farbsättigung und Kontrast, wodurch sie konsequent überbeleuchtet aussehen. Dadurch besitzt auch das Zusammenspiel zwischen ihnen und den menschlichen Figuren keinerlei spürbare Haptik. Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass Moretz, Michael Peña und ihre Kolleg:innen keinen merklichen Spaß an ihren Rollen hätten – der wesentliche Pluspunkt, der das große Versäumnis eines „Tom & Jerry“-Films ausgleicht, eben nicht die beiden Titelhelden ins Zentrum der Erzählung zu rücken, sondern ganz andere Figuren. Die „Wenn ich bleibe“-Darstellerin verkörpert mit Feuereifer eine tollpatschige Aufschneiderin, die sich schon bei ihrem Vorstellungsgespräch im Hotel um Kopf und Kragen redet und das Mordstempo der „Tom & Jerry“-Sketche zum Anlass nimmt, eine ungeheure (und ungeheuer sympathische) Energie in ihre Performance zu legen. Derweil mimt „Ant-Man“-Star Michael Peña den stets um Contenance bemühten Gegenpart, der die Eskalation der Ereignisse jedoch auch mit eiserner Disziplin nicht abwenden kann. Wann immer das Chaos auf Peñas Ordnungswillen prallt, kommen in „Tom & Jerry“ hochamüsante Momente zustande; Erst recht, weil Chloë Grace Moretz‘ Kayla selbst Teil des Chaos‘ ist. Und natürlich Tom und Jerry, die Tim Story immer wieder sketchartig mitten im Geschehen platziert.
In den schwächsten Momenten erweckt „Tom & Jerry“ dadurch den Eindruck, das Ergebnis zwei vollkommen für sich allein stehender Geschichten zu sein: Auf der einen Seite erzählt Tim Story von einer aus dem Ruder laufenden Prunkhochzeit in einem Luxushotel, auf der anderen Seite vom altbewährten Kleinkrieg zwischen Tom und Jerry. Die ausufernden Slapstick-Eskapaden kommen hier mitnichten zu kurz, dauern mitunter mehrere Minuten, ganz ohne dass sie dabei die Story vorantreiben. Würde man diesen Szenen Böses wollen, könnte man den Eindruck gewinnen, es hier lediglich mit Füllmaterial zu tun zu haben, das nur deshalb existiert, um den „Eine riesige Hochzeit geht schief“-Plot mit einer bekannten Marke zu versehen und dadurch besser promoten zu können. Gleichwohl machen die Tom-und-Jerry-Szenen einen derart großen Anteil am Film aus, dass man es genauso gut umgekehrt deuten könnte. Zweifellos ist die Symbiose aus Comic- und Realfilm hier nur mäßig gelungen; Zu sehr sind die beiden Einzelteile noch als solche zu erkennen, zu wenig aus einem Guss fühlt sich das Endergebnis an. Und trotzdem macht jeder Part für sich Laune, da nicht bloß die Spielfreude der menschlichen Darstellerinnen und Darsteller überwiegt, sondern auch die (dem Genre geschuldet zugegebenermaßen recht überraschungsarme) Story mit hohem Tempo überzeugt sowie die Tom-und-Jerry-Szenen mit ihr Liebe zum Detail und vor allem zu den Ursprüngen.
„Auf der einen Seite erzählt Tim Story von einer aus dem Ruder laufenden Prunkhochzeit in einem Luxushotel, auf der anderen Seite vom altbewährten Kleinkrieg zwischen Tom und Jerry. Die ausufernden Slapstick-Eskapaden kommen hier mitnichten zu kurz, dauern mitunter mehrere Minuten, ganz ohne dass sie dabei die Story vorantreiben.“
„Tom & Jerry“ ist zwar der erste Film aus dem Universum, der nach dem Tod von William Hanna und Joseph Barbera ohne kreativen Input der Schöpfer entstand. Gleichwohl müssen die Fans nicht auf die ikonischen Bewegungsabläufe und Geräusche ihrer vierbeinigen Helden verzichten. Mit Archivaufnahmen sämtlicher Originalschreie aus den Cartoons von 1942 bis 1957 behalten die Kapriolen von Tom und Jerry ihre Zeitlosigkeit bei – und beweisen, dass sie noch immer zum Brüllen komisch sind. Auch wenn sich bei den Liebhaber:innen der beiden sicher am Ende die Geister daran scheiden werden, dass Kater und Maus hier erstmals ihre Feindschaft aufgeben und so richtig zusammenarbeiten müssen…
Fazit: Der neue Spielfilm aus dem „Tom & Jerry“-Universum punktet mit einer kurzweiligen Comedy-Handlung und hochengagierten Schauspieler:innen auf der einen, sowie temporeichem Tom-und-Jerry-Slapstick auf der anderen Seite. So richtig zusammen kommt beides nicht. Dennoch macht der Film im Gesamten Spaß.
„Tom & Jerry“ ist ab dem 12. August 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.