Verachtung

Die Filmreihe rund um die Sonderermittler Carl und Assad, die ungelöste Fälle erneut aufrollen, zeigt sich in Teil vier und damit dem letzten Teil in dieser Besetzung von ihrer bislang spannendsten Seite. Ein wahrlich würdiger Abschluss, den VERACHTUNG da bildet. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik. 

Der Plot

Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) und sein Assistent Assad (Fares Fares) werden mit einem schaurigen Tatort konfrontiert: In einem verlassenen Apartment haben Handwerker drei mumifizierte Leichen gefunden – sie sitzen an einem gedeckten Tisch, an dem ein vierter freier Platz auf einen weiteren Gast wartet. Wer sind die Toten, und für wen ist der Platz bestimmt? Die Spur führt Mørck und Assad zu einer Frauenklinik auf einer verlassenen Insel vor der dänischen Küste. Die grausamen Experimente, die hier an den Patientinnen durchgeführt wurden, sind ein dunkles Kapitel der Geschichte, das bislang als abgeschlossen galt. Doch Mørck und Assad finden Hinweise, dass die Täter von damals immer noch am Werk sind – und sie haben nicht viel Zeit, um weitere Morde und Übergriffe zu verhindern…

Kritik

Spätestens, seit die Stieg-Larsson-Verfilmungen der Millennium-Trilogie große Achtung erhielten, sind skandinavische Krimis überaus gefragt: Neben Stoffen, die direkt fürs Fernsehen entwickelt werden, werden auch skandinavische Krimi-Bestseller verfilmt und zuweilen sogar ins Kino gebracht, statt ausschließlich auf dem heimischen (und mobilen) Bildschirm zu flimmern. Wie schon bei diversen skandinavischen Krimiproduktionen, hat das ZDF auch bei den Adaptionen von Bestsellern des Schriftstellers Jussi Adler-Olsen seine Finger mit im Spiel. Und manche Filme über Adler-Olsens Sonderdezernat Q, in dem Carl Mørck und sein Kollege Assad, wirken so, als sollten sie besser bloß am späteren Abend im ZDF laufen: Solide gemacht, aber ohne besonderen dramaturgischen sowie inszenatorischen Schliff – wieso also extra eine Kinokarte dafür lösen? „Verachtung“, der nunmehr vierte Part der Reihe nach „Erbarmen“, „Schändung“ und „Erlösung“, rechtfertigt das „Kino-Upgrade“ dagegen umso mehr: Regisseur Christoffer Boe (schrieb unter anderem das Drehbuch zu „When Animals Dream“), ein Novize in dieser Filmreihe, unterstreicht inszenatorisch gekonnt die menschlichen Abgründe dieses Falls in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart, was nebenbei die dramaturgische Fallhöhe vergrößert.

Nete (Fanny Leander Bornedal) verbringt eine Nacht in der Isolationszelle.

Der Plot von „Verachtung“ greift nämlich ein sehr dunkles Kapitel der dänischen Geschichte auf: Jahrzehntelang gab es Mädchenheime, in denen junge Frauen zwangssterilisiert wurden. Rund 11 000 Frauen wurden Opfer solch einer Zwangssterilisation. Zu Beginn von „Verachtung“ werden in einem versteckten Raum in einer Wohnung drei in qualvoller Pose mumifizierte Leichen gefunden. Die Menschen sind allesamt seit über einem Jahrzehnt tot – und sie alle verbindet eine Vergangenheit mit solchen Heimen. Wie bei Adler-Olsen nicht unüblich, wird der vergangene Schrecken erzählerisch mit heutigen Verbrechen verquickt, wobei die Leinwand-Übersetzung dessen, wie der Schriftsteller in seinen Schmökern zwei verschiedene thematische Baustellen verbindet, aufgrund der unterschiedlichen Erzählzeit bislang von schwankender Qualität war. Den Autoren  Bo Hr. Hansen („Die unheimliche Geschichte von der Riesenbirne“), Nikolaj Arcel („Der dunkle Turm“) und dem wiederkehrenden Mikkel Nørgaard  („Schändung“) gelingt es in „Verachtung“, die verschiedenen Erzählebenen wie aus einem Guss wirken zu lassen und obendrein dabei nicht den Anschein zu erwecken, sie würden hetzen: Übermäßige thematische Sprünge bleiben in diesem Kinokrimi aus. Viel mehr führt er uns auf fesselnde Weise von Dänemarks beschämender Vergangenheit ins Heute, wo sich kaum kaschierende Rassisten alte Schreckensideologien aufleben lassen.

Aufgelockert wird diese Erzählung nicht etwa durch forcierte Komik oder bemüht menschelnde Momente, sondern durch den eh schon ständig muffeligen Kommissar Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas), der dieses Mal noch mehr muffelt als sonst: Sein Kollege Hafez el-Assad (Fares Fares) lässt sich versetzen, was für einen Ermittler mit syrischer Herkunft eine nahezu einmalige Gelegenheit ist. Carl, grantiger Geheimniskrämer, der er ist, will sich seine gekränkten Gefühle nicht eingestehen und sie sich noch viel weniger anmerken lassen, und mault daher viel herum, während Sekretärin Rose Knudsen (Johanne Louise Schmidt) gegen dieses Getue stichelt. Boe verankert solche Szenen in einem ruhigen, schnodderigen Tonfall, statt herumzukaspern oder wegen der kippenden Stimmung zwischen den befreundeten Kollegen auf die Tränendrüse zu drücken. Das erweist sich als stimmige Entscheidung: Die Szenen ecken nicht mit der Grundstimmung dieses dunklen, dramatischen Krimis an und sind dennoch dank der eingespielten, kecken Dynamik zwischen Kaas, Fares und Schmidt sehr amüsant anzuschauen, womit sie einen willkommenen, kleinen Kontrast zum Rest des Films darstellen.

Kommissar Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) macht sich Luft.

Fazit: Ein spannender, erschreckender Fall, der vergangene und aktuelle Schandtaten erzählerisch geschickt vereint, und ein guter Einsatz des eingespielten Stamm-Ensembles: Der vierte Adler-Olsen-Film ist der bislang gelungenste.

„Verachtung“ ist ab dem 20. Juni in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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