Sinister

Zwischen Mitte der 80er und 90er Jahre war das Horrorgenre bereits schon einmal tot. Erst Wes Cravens bahnbrechendes Franchise „Scream“ schaffte es, die Filmsparte wieder zu beleben. Experten sprachen dieser Tage bereits von einem „zweiten Tod“, denn wie schon vor zwei Jahrzehnten liegt auch im Jahr 2012 das Genre in den festen Händen einzelner Filmreihen. Für sich allein stehende Filmprojekte sucht man hingegen länger. Doch glücklicherweise gibt es hie und da Regisseure, die versuchen, dem Genre wieder Eigenständigkeit und Überraschung zu verleihen. Mit SINISTER schuf „Der Exorzismus von Emily Rose“-Regisseur Scott Derrickson erfrischend neue und atmosphärische Horrorkost, der ich mich in meiner heutigen Kritik widmen möchte. Außerdem gibt’s einen kleinen Exkurs über die momentane Entwicklung des Genres. 

Der Plot

Buchautor Ellison (Ethan Hawke) liebt das Makabere: Um sich und seine Buchprojekte von wahren Geschehnissen beeinflussen und inspirieren zu lassen, zieht er mit Kind und Kegel auch schon mal in ein Haus, welches von einer dunklen Vergangenheit geplagt wird. In diesem Fall ist das neue Heim einst Schauplatz für grausame Morde gewesen doch damit nicht genug: Als Ellison eines Nachts durch das Haus streift, findet er eine Kiste alter Videobänder. Auf diesen sind ausgerechnet die detaillierten Darstellungen ebenjener Morde zu sehen. Da er von der Polizei nicht die Art Hilfe erwarten kann, die er sich erhofft, versucht er, auf eigene Faust zu ermitteln, denn die Super 8-Bänder offenbaren neben de Morden im Haus noch weitere Massaker, die offenbar alle irgendwie zusammenhängen. Dabei entdeckt er, dass die Morde mehr sind, als lediglich die boshaften Taten Sterblicher. Vielmehr sind sie der Auftakt einer Reihe von unerklärlichen – vielleicht sogar übernatürlichen – Phänomenen, die den ohnehin gebeutelten Schriftsteller an die Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit treiben.

Kritik

Es scheint, es befände sich das Horrorgenre momentan an einem Scheideweg. Auf der einen Seite liegt die horrende Filmsparte fest in der Hand einzelner Franchises. Seit einigen Jahren erfreut sich der Found Footage-Horror wieder einer derart großen Beliebtheit, das die einst von Oren Peli ins Leben gerufene Reihe „Paranormal Activity“ jedes Jahr pünklich zu Halloween einen neuen Teil in die Lichtspielhäuser entlässt. Ein fünfter ist bereits beschlossene Sache. Ebenfalls nicht tot zu kriegen: Alice, Heldin der „Resident Evil“-Reihe. Und selbst der sehenswerte Sci-Fi-Horror-Streifen „Prometheus“  besitzt durch seine „Alien“-Verweise einen gewissen „Pre-/Sequel-Touch“. Betrachtet man die Direct-to-DVD-Produktionen offenbaren sich einem noch mehr solcher Franchise-Hypes, so etwa „Wrong Turn“, das es dank des allzu offensichtlichen Qualitätsabstiegs nicht mehr in die Kinos schafft, sich als Leih- und Kauftitel jedoch immer noch derart gut durchschlägt, dass ein Ende der Reihe derzeit noch nicht abzusehen ist. Immerhin hat das Publikum durch den Total-Ausfall „Hostel 3“ wohl wenigstens diese Reihe überstanden.

Auch nicht zu unterschätzen: Reboots. So ereilen die Kinowelt im nächsten Jahr mindestens drei Neuauflagen alter Klassiker. Stephen Kings „Carrie“, „The Evil Dead“ und ein erneuter Aufguss von Tobe Hoopers 70er-Terrorfilm „The Texas Chainsaw Massacre“ stehen in den Startlöchern. Weitere nicht ausgeschlossen.

Was dieser „Trend zum Gewohnten“ vermissen lässt, ist die Innovation, für die das Genre ursprünglich so bekannt war. Zwar können immer noch von Heute auf Morgen Trends entstehen (siehe Found Footage, Torture Porn, Teenie-Slasher), doch halten diese sich so lange, bis sie von einem neuen abgelöst werden. Schwierig wird es dann, wenn zwischen zwei Trends eine Leerlauf-Zeit besteht. Dann passiert exakt das, was dem Genre Mitte/Ende der Achtziger widerfuhr. Damals befand sich das Slasher-Subgenre in den letzten Zügen, doch ein neuer Trend ließ bis 1996 auf sich warten, als in diesem Jahr Wes Craven den Teeniehorror neu belebte. Betrachtet man Found Footage, vielleicht auch noch den Sequel-Wahn als aktuellen Hype, so müssen sich die Filmstudios früher oder später damit auseinandersetzen, dass die Zuschauer auch dieses Trends irgendwann überdrüssig werden. Das Problem: Ein neuer ist – zumindest derzeit – noch nicht in Sicht.

Ob sich das Horrorgenre noch einmal ganz neu erfinden und vielleicht sogar ein weiteres, noch ungeahntes Subgenre auf den Markt schmeißen kann, ist fraglich. Man möchte fast zu der Äußerung tendieren, mittlerweile schlicht und ergreifend alles gesehen zu haben. Doch kaum erreichen einen derart pessimistische Gedanken, kommen sie doch wieder ums Eck: Filmemacher mit jungen, frischen Ideen, die sicherlich alleine noch keinen neuen Trend machen, aber immerhin eine Richtung aufzeigen können. Josh Whedons „The Cabin in the Woods“ beispielsweise öffnete findigen Köpfen Tür und Tor dafür sich zu trauen, das Genre nicht einfach nur im Stil der „Scary Movie“-Reihe zu veralbern, sondern es auf intelligente Art und Weise zu demaskieren. „Eden Lake“-Macher James Watkins schwamm gegen den Strom und bediente sich für seine „Frau in Schwarz“ eines längst verloren geglaubten Themas – dem des Haunted-House-Horrors und ähnlich verfuhr auch der schwedische Regisseur Ole Bornedal („Nightwatch – Nachtwache“), der sich mit „Possession – Das Dunkle in Dir“ an das fast vergessene Exorzismus-Thema wagte und einen gelungenen „Der Exorzist“-Nachzügler realisierte.