Die Känguru-Chroniken

Basierend auf den Büchern von Marc-Uwe Kling bringt „Alles auf Zucker!“-Regisseur Dani Levy nun DIE KÄNGURU-CHRONIKEN als Film in die Kinos und tut sich mit der Struktur eines plotgetriebenen Langspielfilms keinen Gefallen. Mehr noch: Seine Geschichte eines ungleichen Duos aus Kleinkünstler und Känguru, die sich gegen einen rechtspopulistischen Immobilienhai verschwören, spielt grob fahrlässig ausgerechnet den politisch Rechten in die Hände. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Eines Tages steht es plötzlich vor Marc-Uwes Tür: ein Känguru, seines Zeichens Kommunist und ganz verrückt nach Pfannkuchen. Erst möchte es sich nur Eier ausborgen. Anschließend Milch, einen Schneebesen, den Herd und schließlich zieht es mit Sack und Pack bei seinem Nachbarn ein. Aus einer Zweckgemeinschaft wird eine Freundschaft, denn schon bald stellen Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) und das Känguru fest, dass sie einen gemeinsamen Feind haben: den rechtspopulistischen Immobilienhai Dwigs (Henry Hübchen), der das Wohnviertel der beiden abreißen und das Prestigeprojekt eines Wolkenkratzers darauf errichten will. Gemeinsam mit ihrer Nachbarin Maria (Rosalie Thomass), in die Marc-Uwe heimlich verliebt ist, schmieden er und das Känguru einen Plan, wie sie Dwigs zu Fall bringen können. Doch damit der gelingt, müssen sie sich nicht nur einer Horde gewaltbereiter Nazis entgegenstellen, sondern auch schon mal ein teures Auto in einem Pool versenken. Eine Reihe abstruser Ereignisse nimmt ihren Lauf…

Kritik

Der deutsche Autor, Liedermacher, Kleinkünstler und Kabarettist Marc-Uwe Kling begann seine heute vor allem in Studentenkreisen beliebten „Känguru-Chroniken“ einst am Theater und führte sie später als Podcast beim Berliner Radio Fritz fort. Darin gibt das titelgebende kommunistische Känguru kurze, pointierte Anekdoten von sich; nicht selten gespickt mit starken politischen Aussagen. Diese Kurzgeschichten erwiesen sich in Audioform als so erfolgreich, dass Kling sie schon bald in Buchform herausbringen konnte. 2009 erschien der erste Band „Die Känguru-Chroniken: Ansichten eines vorlauten Beuteltiers“ im Berliner Ullstein Verlag, dem bis heute drei weitere folgten. Im Anbetracht des immensen Erfolgs – sowohl von der rezensierenden Presse gab es vorwiegend positive Resonanz als auch von den Lesern, die die Bücher regelmäßig in die Bestsellerlisten hievten – war es nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand die Filmrechte am Stoff sichern und ihn schließlich auf die große Leinwand bringen würde. Geworden ist es Dani Levy, Regisseur von unter anderem Filmen wie „Alles auf Zucker!“ oder, im Anbetracht des Genres als Politsatire wohl noch passender, „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“. Doch obwohl es auch in „Die Känguru-Chroniken“ vorwiegend um das Thema Politik (hier: rechts gegen links) geht, liegt der Vergleich mit einem anderen Film seines Genres viel näher: In seinen besten Momenten erinnert Levys Werk nämlich an die Romanverfilmung „Er ist wieder da“ – nur leider in viel, viel schwächer umgesetzt und dadurch bisweilen regelrecht fahrlässig in seiner Grundaussage. Wer nicht mitdenkt, dem vermittelt der Film den Eindruck, dass die Linken hier weitaus gefährlicher seien als die Rechten, dabei wäre es wohl noch am ehesten im Sinne des Kängurus, eine politische Mitte zu favorisieren. So aber bleibt am Ende ein bitteres Geschmäckle übrig.

Plötzlich steht ein Känguru vor Marc-Uwes Tür und möchte erst Pfannkuchen-Zutaten und zieht kurze Zeit später bei ihm ein.

In David Wnendts Romanverfilmung „Er ist wieder da“ taucht Adolf Hitler höchstpersönlich wie von Geisterhand in der deutschen Hauptstadt im Jahr 2015 auf und beginnt, mit denselben Mitteln wie damals im eigentlich aufgeklärten Deutschland einen ähnlich populistischen Siegeszug anzutreten. Der künstlerisch selbstbewusste Kniff: Damit einen die Erkenntnis über den Erfolg von Hitlers angewandten Methoden auch so richtig schön ins Mark trifft, provozierte schon der Roman, dass man dem Führer über einen gewissen Zeitraum auf den Leim gehen muss, eh die weiteren Verwicklungen der Handlung dem Zuschauer den Boden unter den Füßen wegziehen. Marc-Uwe Kling, der für die Leinwandfassung seiner „Känguru-Chroniken“ eine ganz neue Rahmenhandlung um seine ansonsten eher kurzgeschichtenartig aneinandergereihten Anekdoten verfasste, geht für seinen Film nun ähnlich vor – doch ausgerechnet den finalen Schlag in die Magengrube lässt sein Film vermissen. Mehr noch: Im Laufe der schlanken neunzig Minuten von „Die Känguru-Chroniken“ kommt es immer wieder zu Ereignissen, die, würde man dem Film Böses wollen, ausgerechnet der rechtnationalistischen Politecke Recht geben. Da wir im Anbetracht der Vorlagen aber kaum hiervon ausgehen möchten, lässt sich „Die Känguru-Chroniken“ wohl am ehesten noch als erzählerisch grob fahrlässig bewerten.

Beispiele: Als Marc-Uwe und das Känguru bei einem Ausflug in den Stadtpark eine Gruppe von Nazis treffen, tritt das Beuteltier ohne ersichtlichen Grund den Hund der Truppe mehrere Meter weit weg und philosophiert anschließend darüber, welche Hunderasse am weitesten fliegt. Das mag einem schnellen Gag dienlich sein, doch inhaltlich rückt es die politisch links gesinnten Hauptfiguren plötzlich in das negative Licht der Streitsucher, gegen die sich die Nazis lediglich zur Wehr setzen wollen. Die Pläne des rechtspopulistischen Immobilienmoguls Dwigs lassen sich ganz nüchtern darauf herunterbrechen, ein Gebäude mit viel, viel Wohnraum gegen Gebäude mit deutlich weniger Wohnraum auszutauschen. Auch hier greifen die Protagonisten schließlich zu wahlweise illegalen, brutalen oder anderweitig fiesen Mitteln, um die Pläne zu vereiteln, anstatt sich nüchtern mit der Erkenntnis auseinanderzusetzen, dass dieses Gebäude dem deutschen Gesetz nach gar nicht gebaut werden dürfte. Und wenn das Känguru als Running Gag immer wieder einen Glücksbringer klaut, ohne dass dies für irgendeinen Teil der Pläne relevant wäre, erhärtet das den Eindruck, Marc-Uwe Kling ginge von vornherein davon aus, dass man als Zuschauer schon wisse, wie all diese Figuren ticken, denn ansonsten müsste man sehr schnell von der Sympathie für die Hauptfiguren abrücken. Vermutlich tut er das auch, denn es wird wohl kaum ein Zuschauer „Die Känguru-Chroniken“ im Kino sehen wollen, der sich eher mit der rechtsgesinnten Seite der Politik identifiziert. Doch sollte sich doch so Jemand ins Kino verirren, liefert ihm Kling überraschend viel Zuspruch für die gern eingenommenen Opferrolle.

Der rechtspopulistische Immobilienhai Dwigs (Henry Hübchen) schaut sich vor Ort um.

Natürlich gibt es im erzählerisch lange unkoordiniert vor sich hinplätschernden Skript auch genug Momente, in denen derartig fragwürdige Szenen relativiert werden sollen. Dwigs und sein Gefolge praktizieren offen ausgesprochenen Populismus, äußern sich klar und deutlich gegen Minderheiten und Ausländer. Auch an der Nazi-Sippe rund um den großartig offensiv aufspielenden Daniel Zillmann („Heil“) lässt der Film kein gutes Haar. Doch seine in den kurzgeschichtenartigen Büchern viel besser zur Geltung kommenden, satirischen Pointen zünden hier nie so richtig. Am Ende läuft alles auf ein eindimensionales „Nazis sind dumm“ hinaus; und gerade aus dieser Eindimensionalität, die nichts außer plumpen Schlägereien oder Schwierigkeiten mit komplexer Sprache zur Folge hat, ergibt sich einer der größten Schwachpunkte am Film. Denn gerade wo sich „Die Känguru-Chroniken“ im szenischen Aufbau so oft angreifbar macht, müsste Kling mit starken Gags und klugen Beobachtungen kontern. Stattdessen liefert er absolut zusammenhanglos Referenzen an Videospiele oder „Pulp Fiction“, die sich vielleicht in Sketchform nett gemacht hätten, hier in Ermangelung an Kohärenz jedoch einfach nur fehl am Platz wirken. Und das ist schade. Denn ausgerechnet der Part, der vorab vermutlich als größte Schwierigkeit in Erwägung gezogen wurde, überzeugt.

Selbst im internationalen und damit deutlich größer budgetierten Kino ist der Computereffekt eines einzelnen Lebewesens in einem ansonsten realen Setting eine ziemliche Herausforderung. Filme wie „Paddington“ oder „Life of Pi“ haben bewiesen, wie es funktionieren kann. Im deutschen Raum erwies sich der Versuch mit „Benjamin Blümchen“ zuletzt indes als tricktechnisch absolute Vollkatastrophe. Nun hatten die Verantwortlichen von „Die Känguru-Chroniken“ zwar längst nicht so viel Geld zur Verfügung wie die Macher von „Paddington“, das visuelle Ergebnis kann sich aber trotzdem mehr als sehen lassen. Nur ab und zu wirkt es befremdlich, wenn das Känguru den Mund zum Sprechen verzieht (zugegeben: man weiß aber auch einfach nicht, wie es aussehen würde, wenn Kängurus sprechen könnten). Davon einmal abgesehen fügt sich das CGI-Beuteltier jedoch ganz hervorragend in das haptische Setting. Auch seine Co-Stars, für die angenehmerweise nicht auf die immer gleichen deutschen Schauspielstars zurückgegriffen wurde, überzeugen voll und ganz. Neben Daniel Zillmann empfiehlt sich vor allem Newcomer Dimitrij Schaad („Asphaltgorillas“) für weitere Schauspielprojekte. Schade: Er hätte einen besseren Film verdient, mit dem er vermutlich endlich einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird.

In der Kneipe wird über das weitere Vorgehen beratschlagt.

Fazit: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Die Verfilmung der beliebten „Känguru-Chroniken“ ist nicht annähernd so pointiert und politisch klug beobachtend wie es die Bücher sind. Dafür überzeugen die Animation des Kängurus und der Cast.

„Die Känguru-Chroniken“ ist ab dem 5. März in den deutschen Kinos zu sehen.

6 Kommentare

  • Ja, man erreicht wohl die meiste Aufmerksamkeit wenn man sich über etwas was sehr viele gut finden sehr kritisch äußert *gähn*

    • Aber den Film hat doch noch keiner gesehen, woher soll irgendjemand wissen, ob die Leute den Film gut finden!?

    • Das hier angedeutet wird, Antje Wessels hätte den Film schlecht bewertet, weil ihn viele so toll finden, um mit der negativen Kritik Aufmerksamkeit zu generieren, ist lächerlich.
      Die meisten kritiken sind negativ, und Sie selbst haben den Film noch gar nicht gesehen. Das die Bücher beliebt sind, hat doch keinen Einfluß darauf, ob der Film gut wird.

  • Wenn ich nach „Rezensionen “ enrscheiden würde kino oder nicht… hätte ich viele gute Filme verpasst ! Füer Croniken Fans ein muss! Und der Hund hat nicht Grundlos den Tritt bekommen!… ich würde auch wenn der an mir kum klefft… zerrt .. nervt! Ich freu mich drauf!

    • Es war in den Büchern so, das der Hund nicht Grundlos getreten wurde, jedoch nicht unbedingt im Film.
      Und was soll Ihre Kritik an Rezensionen? Es hindert Sie doch keiner, in den Film zu gehen, wenn Sie die Bücher mochten. Ich mag die Bücher und insbesondere die Hörbücher, aber fürchte (nicht aufgrund der Rezension hier) das der Film da nicht mithalten kann. Ich werde daher nicht ins Kino gehen, aber den Film später sehen.

  • Anstelle all dieser nie wirklich lustigen oder gar geistreichen Komödien, die unablässig produziert werden, sollte man in Deutschland besser häufiger Filme wie „Systemsprenger“ machen und vor allem unterstützen. Danke, Frau Wessels, dass Sie eine der wenigen Stimmen der Vernunft sind und zumindest versuchen das Publikum vor diesem Unsinn zu warnen.

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