A Cure for Wellness

Nach diversen Ausflügen ins Blockbuster-Kino kehrt Regievirtuose Gore Verbinski mit A CURE FOR WELLNESS ins Genrekino zurück. Sein an Thomas Manns „Zauberberg“ angelehnter Psychothriller über eine geheimnisvolle Wellness-Oase ist ein Fest für Fans des morbiden Gruselkinos – und eine visuelle Meisterleistung. Mehr dazu in meiner Kritik.

A Cure for Wellness

Der Plot

Der junge, ehrgeizige Manager Mister Lockhart (Dane DeHaan) wird beauftragt, den Vorstandsvorsitzenden der Firma (Harry Groener) von einem idyllischen aber mysteriösen ‚Wellness-Center‘ zurückzuholen, das sich an einem abgelegenen Ort in den Schweizer Alpen befindet. Schon bald vermutet er, dass die wundersamen Anwendungen des Spas nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Als Lockhart beginnt, die erschreckenden Geheimnisse aufzudecken, wird sein Verstand auf eine harte Probe gestellt: bei ihm wird die gleiche seltsame Krankheit diagnostiziert, die alle anderen nach Heilung verlangenden Gäste dort festhält…

Kritik

Gore Verbinskis Regiearbeiten sind vor allem eines: anders. Seine unzähligen Projekte, zu denen unter anderen das Horror-Meisterwerk „Ring“ gehört, ebenso wie die ersten drei Filme der „Fluch der Karibik“-Reihe, aber auch der nach wie vor immens unterschätzte Western-Actioner „Lone Ranger“, bieten von allem immer ein bisschen mehr, als es für den Mainstream üblich ist. „Ring“ war nicht bloß ein x-beliebiger, auf Jumpscares bauender Horrorschocker, sondern ein intensiver Crime-Thriller mit in Mark und Bein übergehenden Horrorelementen. Genauso wie das „Pirates“-Franchise für einen unter Disney-Flagge auflaufenden Familienblockbuster immer eine Spur zu düster war. Von der virtuosen Achterbahnfahrt durch den Wilden Westen ganz zu schweigen, die vermutlich einfach nur ihrer Zeit voraus war (und im Umkehrschluss in wenigen Jahren gefeiert werden dürfte). Wenn so jemand nun erneut die Genregefilde des Thrillers, Horrors sowie des Psychofilms betritt, dann geht das nicht ohne großes Tamtam. Dann ist Gore Verbinskis neuestes Projekt eben satte 146 Minuten lang, wurde trotz des logistischen Aufwandes nicht im Studio, sondern in diversen europäischen Ländern on Set gedreht und die Geschichte streift Themen, wie man sie sonst eher im Arthouse-Bereich vermutet. Am Ende ist „A Cure for Wellness“ ein paralysierender Höllenritt mit der Anmut eines morbiden, in Blut gemalten Gemäldes, dessen visuellem Rausch man sich von der ersten Minute an nicht entziehen kann.

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Für die Gemäuer des Spas musste die altehrwürdige Burg Hohenzollern in Baden-Württemberg herhalten.

Es ist schwer, zu beurteilen, in was für einer Welt die Geschichte von „A Cure for Wellness“ genau spielen soll. Ist es ein direktes Abbild unserer Realität, nur eben mit einem darüber gelegten, dämpfenden Blau-Grau-Filter? Ist es eine Dystopie? Oder ist diese Sichtweise wohlmöglich abhängig davon, wie viel Workaholic jetzt schon in einem steckt? Direkte Anhaltspunkte liefert Gore Verbinski seinem Publikum dafür nicht. Tatsächlich überlässt er ihm die Interpretation ganz allein; auch wenn damit die Gefahr einhergeht, dass „A Cure for Wellness“ nicht von allen Zuschauern gleich gelesen wird. Wie sehr hat uns unsere Arbeit bereits gefangen genommen? Wie illusorisch sind die vielen krypischen Werbeslogans der Marke „Die Gesellschaft ist krank“, deren Heilung lediglich das fiktive Wellnesshotel in den Schweizer Alpen verspricht? Sind wir tatsächlich schon jetzt „reif für die Kur“? Und ist es wirklich so eine realitätsfremde Vorstellung, dass die Lösung für all unsere Probleme automatisch außerweltlich erscheinen muss, um noch Heilung zu bringen? Häppchenweise wirft uns Regisseur und Autor Gore Verbinski (verfasste die Story, das Drehbuch schrieb „Lone Ranger“-Autor Justin Haythe) all die vielen Anhaltspunkte vor die Füße und gibt den Weg frei zur munteren Interpretation. Wo die einen in der Prämisse von „A Cure for Wellness“ eine finstere Zukunftsvision sehen, wohlmöglich gar ein absolut realitätsfremdes Mystery-Szenario, mag es gar nicht so weit gedacht sein, wenn sich andere wiederum stärker im von Fleiß und Arbeit zerfressenen Protagonisten Mister Lockhart wiedererkennen, als ihnen lieb ist. Auf geht’s zur Kur in die Schweiz!

Das stimmt zugegebenermaßen nicht ganz, denn obwohl das Spa in „A Cure for Wellness“ offiziell in den Schweizer Alpen verortet ist, wurden große Teile des Films in Deutschland gedreht. Für die Aufnahmen der schlossähnlichen Anlage filmte man die Baden-Württembergische Burg Hohenzollern. Das Innenleben des Sanatoriums wurde in Beelitz-Heilstätten gedreht, der Bahnhof am Fuße der Burg ist der Oberhofer Bahnhof und die Schwimmhalle der Wellness-Oase ist eigentlich das Johannisbad in Zwickau. Für einige wenige Szenen drehte man außerdem in den Babelsberger Filmstudios. Trotzdem wirkt „A Cure for Wellnes“ visuell wie aus einem Guss. Gore Verbinskis Auge für Ästhetik bezieht sich hier nicht bloß auf das Entdecken besonderer Kamerawinkel, mit denen sich penibel genau Dinge wie die Spiegelung der Umgebung vorausplanen lassen. Auch das Zusammenfügen der einzelnen Kulissen gelingt dem Regisseur wie eine Fingerübung. Er lässt das Wellnesshotel in „A Cure for Wellness“ wie ein großes, in seinem undurchdringbaren Aufbau an das Overlook-Hotel aus „Shining“ erinnerndes Gebäude erscheinen, hinter dessen Mauern Unheimliches vonstatten geht. Allzu weit ist der Vergleich mit Stanley Kubricks Meisterwerk dann auch gar nicht hergeholt: Der Physionomie in diesem Gebäude ist ebenso wenig zu trauen, wie den vielen merkwürdigen Gestalten hier – egal ob Angestellter, oder Patient. Gruseliger ging es zuletzt nur auf Shutter Island zu. Und dann wäre da natürlich noch das Thema Irrenanstalt, das noch heute immer wieder als Grundidee für Horrorfilme herhalten muss. „A Cure for Wellness“ liefert so etwas wie ein Best-Of davon, wenngleich wohl am ehesten noch Erinnerungen an die zweite „American Horror Story“-Staffel wach werden – „Asylum“ hat die Messlatte dieser Prämisse aber auch ziemlich weit nach oben gelegt.

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Nicht nur Mister Lockhart (Dane DeHaan) fragt sich: Was geht hier eigentlich vor sich?

Technisch ist „A Cure for Wellness“ erwartungsgemäß über alles erhaben. Im Anbetracht des optischen Pomps rückt zeitweise sogar der nicht minder berauschende Score von Benjamin Wallfisch („Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“) eher in den Hintergrund; und das, obwohl der paralysierend-extravagante Klangteppich des Hans-Zimmer-Schülers nicht minder zur spannungsgeladenen Atmosphäre beiträgt. Aber auch erzählerisch macht Leinwandkomponist Gore Verbinski bei seinem fast zweieinhalb Stunden langen Horror-Opus extrem viel richtig. Anders als es die Prämisse erwarten ließe, besinnt sich der 52-Jährige nicht auf standesgemäße Storytwists; stattdessen ist sein Film so etwas wie ein einziger großer Mindfuck, der lange nicht alles aufklärt, was er an Fragen aufwirft. Mitunter werden sogar Handlungsstränge fallen gelassen, um den eigentlichen Grundkonflikt gen Ende noch stärker in den Fokus zu rücken. Das muss man mögen und auch, wenn eine der wichtigsten Fragen des Films tatsächlich aufgelöst wird („Wofür zur Hölle ist diese Einrichtung eigentlich gedacht?“), bedeutet das doch nur, dass Verbinski seiner Geschichte zwar Eckpfeiler zugesteht, doch letztlich muss jeder selbst wissen, wie (und ob) er diese tatsächlich verbinden kann. Das Besondere: Selbst wenn das nicht gelingt, bleibt immer noch ein berauschendes Erlebnis für die Sinne, das vielerorts erst dann so richtig funktioniert, wenn man sich fallen lässt – und eben nicht über den Sinn und Unsinn des Gezeigten nachdenkt. „A Cure for Wellness“ ist kein nach Schema F funktionierender Genrefilm, sondern ein Experiment. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Zum Teil dieses Experimentes werden Schauspieler wie Dane DeHaan („Life“), Mia Goth („Nymph()maniac“) und Jason Isaacs („The Infiltrator“), die nicht nur perfekt in Szene gesetzt werden – vor allem Mia Goths wiederholtes plötzliches Auftreten auf den Burgmauern schafft einen hochästhetischen Mehrwert. Das Skript verhilft den Figuren außerdem zu einem sich dem Publikum allmählich erschließendem Profil, ohne auch nur im Ansatz die mystischen Tendenzen einzubüßen. Immer wieder bricht Gore Verbinski gezielt mit den Erwartungen des Publikums, liefert Anhaltspunkte, weshalb das Gezeigte von eben mittlerweile schon wieder in eine ganz andere Richtung gehen könnte und verdichtet diesen Suspense zu einem Dickicht aus Geheimnissen, auf dessen anderer Seite alles stehen könnte, ohne dass es uns wirklich schockieren würde. „A Cure for Wellness“ ist gar nicht gezielt darauf aus, zu schocken – auch Jumpscares sucht man in dem Psychothriller vergeblich (wenn man einmal davon absieht, dass der im Trailer groß angekündigte und visuell überragend inszenierte Autounfall zu Beginn des Films tatsächlich so plötzlich kommt, dass man sich hier gern erschrickt). Verbinskis Werk entspricht einem Wimmelbild aus Horrormotiven, einer Hauptfigur folgend, bei der man nicht weiß, wie tief sie in der Realität verwurzelt ist. Eine ganz eigenartige, dabei hochspannende und definitiv sehenswerte Erfahrung.

Mithilfe der geheimnisvollen Hannah (Mia Goth) will Mister Lockhart (Dane DeHaan) dem Treiben auf der Burg auf die Spur kommen.

Fazit: Gore Verbinskis Rückkehr ins Genrekino ist ein Horrorgemälde von morbider Schönheit, das einen so lange in seinen Bann zieht, bis man selbst nicht mehr weiß, ob das Gezeigte echt, oder nur Einbildung ist. Für Horrorfans ist „A Cure for Wellness“ das erste große Must-See 2017!

„A Cure for Wellness“ ist ab dem 23. Februar bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

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