Chappie

Neill Blomkamp versucht, mit seinem neuen Streifen CHAPPIE den weniger geglückten Science-Fiction-Actionfilm „Elysium“ vergessen zu machen und an den Kritiker- und Publikumsliebling „District 9“ anzuknüpfen. Aufgrund eines schwachen Drehbuchs und merkwürdiger Besetzungscoups geht dieses Experiment allerdings komplett nach hinten los. Meine Kritik zum Film lest Ihr hier.

Chappie

Der Plot

In der nahen Zukunft werden Verbrechen mit Hilfe von Polizei-Robotern bekämpft, die kompromisslos gegen die Bevölkerung vorgehen. Doch die Menschen beginnen allmählich, sich zu wehren. Als einer der Polizei-Droiden, Chappie, gestohlen und neu programmiert wird, wird er der erste Roboter, der die Fähigkeit hat, eigenständig zu denken und zu fühlen. In den Augen der mächtigen Elite stellt dieser Roboter eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und die gesamte Menschheit dar. Und so wird mit allen Mitteln versucht, sicher zu stellen, dass Chappie der Letzte seiner Art ist.

Kritik

Die Parallelen zwischen Science-Fiction-Experte Neill Blomkamp und Mystery-Meister M. Night Shyamalan geben Anlass zur Sorge. Ihr Debüt als Filmemacher wurde von den Kritikern gefeiert und sowohl „District 9“, Blomkamps Auftaktfilm, als auch „The Sixth Sense“, der Karrierestart von Shyamalan, begeisterten darüber hinaus die Massen der Zuschauer. Beide Produktionen haben mittlerweile Kultstatus erreicht, doch mit dem Versuch, an den großen Erfolg von einst anzuknüpfen, gelang weder dem einen, noch dem anderen ebenjener Glücksgriff. Im Gegenteil: Obwohl beide Filmemacher mit Preisen und Nominierungen nur so überschüttet wurden, bahnen sich Blomkamp und Shyamalan langsam aber stetig ihren Weg in Richtung cineastischer Randnotiz. Im Falle von Shyamalan und seinen Filmen „Signs – Zeichen“, „Unbreakable“, „The Happening“ und „Die Legende von Aang“ geriet dieser Prozess schleichend. Blomkamp brauchte indes nur einen Film, um die Gunst der Kritiker fast auf Anhieb zu verlieren. Sein Science-Fiction-Actioner „Elysium“ ließ trotz (oder gerade wegen?) eines enormen Budgets und einer namhaften Besetzung die lohnenswerten Ansätze und jedwedes Gespür für Subtilität vermissen und kam über die Zeichnung eines groben Schwarz-Weiß-Bildes der heutigen Lebensumstände nicht hinaus. Zugegeben: Wesentlich tiefgründer präsentierte sich „District 9“ damals auch nicht, doch durch die genaue Beobachtungsgabe auf die Missstände unserer  Gesellschaft sowie die treffsichere Brachialität innerhalb der visuellen Inszenierung wurde die Found-Footage-Alieninvasion nicht ganz ungerechtfertigt zu einem Debüt mit Ausrufezeichen. Mit „Chappie“, einer Ansammlung diverser Klassikerzitate des modernen Sci-Fi-Kinos, setzt Neill Blomkamp nun fort, womit er sich mit „Elysium“ bereits anschickte – sukzessive unterstreicht der Filmemacher seinen Status als filmisches One-Hit-Wonder. Denn sein kruder Genremix aus Coming-of-Age-Story, düsterer Dystopie und klassischer Blockbuster-Action ist im Grunde kaum mehr als ein durchschnittlicher Bandenkrieg-Thriller, der im Laufe seiner zwei Filmstunden durch allerhand skurrile Nebenstränge verwässert wird und die eigentliche Thematik dadurch voll und ganz aus den Augen verliert.

Chappie

Der Diskussion der Fürs und Widers von künstlicher Intelligenz haben sich in der Vergangenheit schon so einige Filmemacher angeschlossen. „RoboCop“, „I, Robot“ oder zuletzt „Transcendence“ kauen ein und dasselbe Thema immer wieder durch und schaffen es im besten Fall, der Thematik neue Sichtweisen hinzuzufügen. So geschehen im phänomenalen Kammerspiel „Ex Machina“, das hierzulande im April in die Kinos kommt, aber auch das Blockbusterkino wird die Zwiespältigkeit des Themas in diesem Frühsommer noch anreißen – Stichwort: „The Avengers: Age of Ultron“. So steht bereits früh die Frage im Raum, ob es einen Film wie „Chappie“ überhaupt braucht, doch die Faszination der Verschmelzung von Mensch und Maschine ist groß. Neill Blomkamp geht gar noch einen Schrit weiter und versucht ,zumindest auf dem Papier so etwas wie eine Coming-of-Age-Story zu erzählen; also eine Geschichte vom Erwachsenwerden eines Roboters, was in dieser Kombination durchaus Raum für neue Ansätze schafft. Leider dauert es nicht lange, bis sich offenbart, dass Blomkamp offenbar nur in Teilen an einem derartigen Plot interessiert ist, denn das Szenario, das er und sein Co-Autor Terri Tatchell („District 9“) schließlich entwerfen, ist altbekannt und alles andere als innovativ. Die beiden Schreiber zeichnen die Umstände einer im modernen Science-Fiction-Kino gewöhnlich pessimistischen Zukunft, irgendwo zwischen nahender Apokalypse und eskalierendem Jetzt. Und als wäre dies nicht genug des Aufrollens üblicher Klischees, begibt sich Blomkamp sogleich wieder an den Ort, an dem 2009 seine Karriere begann: nach Johannesburg.

Im Mittelpunkt stehen die Roboter-Cops – und nicht nur die Abkürzung dieser im Film als „Scouts“ bezeichneten Wesen lässt einen unweigerlich an den Actionklassiker „RoboCop“ denken, der erst 2014 ein Remake erfuhr. Die Bevölkerung hat sich mit den knallharten Gesellen ebenso wenig angefreundet, wie schon in Paul Verhoevens Kultfilm, doch wie eingangs erwähnt soll diese Prämisse nur die Rahmenbedingungen bieten. Als Dreh- und Angelpunkt haben sich Blomkamp und Tatchell nämlich eine künstliche Intelligenz namens Chappie ausgesucht. Informatiker Deon (Dev Patel) werkelt seit Jahren an einem Programm, mit welchem Roboter zu so etwas wie Gefühlen fähig sein sollen. Um dem Ganzen schließlich die größtmögliche Menschlichkeit zu verleihen, betont er immer wieder, dass sich das Programm ganz so entwickelt, als hätte es das Publikum mit den unterschiedlichen Entwicklungsphasen eines echten – also menschlichen – Kindes zu tun. Doch trotz dieser gebetsmühlenartig wiederholten Aussage bleibt Chappie dem Zuschauer merkwürdig fern. Zwar entwirft Blomkamp immer mal wieder Momente, in denen er das Gefühlszentrum des Publikums bis zum Anschlag ausreizt; so wird Chappie etwa das Opfer eines Angriffs mehrerer Jugendliche, die ihn in bester Mobbingmanier mit Steinen bewerfen und schlussendlich sogar anzünden, doch die Versuche, bei Chappie dadurch so etwas wie humane Ansätze durchscheinen zu lassen verpuffen. Erst nach rund einer Stunde, wenn aus dem zurückhaltenden Roboter ein echter Bad Boy geworden ist, der sich fraglos den durch und durch naiven Nebenfiguren anschließt, beginnt sich langsam ein Gefühl dafür einzustellen, Chappie als menschenähnlich zu akzeptieren. Doch dann hat der Roboter in seinen nur allzu manipulierten Attitüden bereits sämtliche Chancen auf Mitgefühl verspielt.

Yo-Landi Vi$$er

Neill Blomkamp, der die Entstehung seines neuen Films selbst als irrwitzige Spinnerei erklärt, mag es sich in der Theorie vielleicht sympathisch vorgestellt haben, doch mit der Idee, mit Watkin Tudor Jones aka Ninja sowie Yo-Landi Vi$$er die zwei Hauptakteure des Rap-Rave-Phänomens Die Antwoord (bekanntester Song: „Enter the Ninja“) als Nebencharaktere zu verpflichten, hat sich Blomkamp vielleicht einen persönlichen Traum erfüllt, seinem Film jedoch keinen Gefallen getan. Die beiden Musiker sind echte Charaktertypen, denen man so etwas wie mangelnde Authentizität trotz der nicht vorhandenen Schauspielerfahrung nicht vorwerfen kann. Es ist vielmehr das schwache Skript, das aus den Darstellern die naiven Stereotypen eines klassischen Gangsterduos macht. Gemeinsam mit „The Walking Dead“-Star Jose Pablo Cantillo, der den Dritten um Bandenbunde mimt, kreiert Blomkamp eine Gruppe von vermeintlichen Antihelden, die bis zuletzt jedoch nicht zur notwendigen Sympathie oder gar Einsicht finden, um als vertretbare Protagonisten zu funktionieren. Mehr noch: Als es den dreien sogar gelingt, den unwissenden Chappie auf ihre Seite zu ziehen, ist „Chappie“ von einer unangenehmen Doppelmoral durchzogen. Dem Regisseur gelingt weder der Kommentar auf die Frage, inwieweit Kinder von der Außenwelt und ihrem eigenen Gewissen geprägt werden, noch lässt er seine Hauptfiguren jedwede Schlüsse aus der verfahrenen Situation ziehen. So laufen sowohl die Story, als auch die etwaige Moral ins Leere.

Trotz der Verpflichtung von Hollywoodstar Hugh „Wolverine“ Jackman kann „Chappie“ nicht einmal mit einem ernstzunehmenden Bösewicht aufwarten. Während bereits sämtliche Nebenfiguren fragwürdigen Idealen folgen, besitzt Jackman solch schwammige Beweggründe, dass auch seine sitzende Darbietung nichts daran ändern kann, dass sich sein Dasein auf das Herunterbeten einiger halbgarer Argumentationsversuche beschränkt. Entgegen Hauptfigur Dev Patel („Slumdog Millionaire“), dessen Leistung als Einzige mitreißt, jedoch viel zu selten zu sehen ist, bleiben die Hintergründe jedweder Schandtaten im Dunkeln und selbst wenn im Falle von Yo-Landi und Ninja immerhin ansatzweise durchscheint, wo die Motivation zur Schandtat herrührt, so funktioniert das Drehbuch von „Chappie“ lange Zeit bloß über das Entwerfen skurriler Zufälle. Da braucht es schon viel Gutwillen, um bei all den Schwächen innerhalb der inneren Filmlogik nicht das Interesse an der Handlung zu verlieren.

Chappie wird vom Kleinkind zur Killermaschine.

Chappie wird vom Kleinkind zur Killermaschine.

Auf einer Ebene braucht sich „Chappie“ dann allerdings doch absolut nicht zu verstecken. Mit einem Budget von über 100 Millionen Dollar schaffen es die Macher, mit CGI-Animationen und Motion-Capture-Techniken aufzufahren, die sich selbst vor solchen Spitzenleistungen wie zuletzt „Planet der Affen: Revolution“ nicht zu verstecken brauchen. Sharlto Copley („Maleficent – Die dunkle Fee“) mimt Chappie mithilfe einer formidablen Motion-Capture-Leistung und macht den Roboter tatsächlich verdammt lebendig. Seiner Performance ist es auch zu verdanken, dass man die Art der Interaktion zwischen Cappie und den Menschen zu jedem Zeitpunkt nachvollziehen kann. Zunächst agiert der Roboter auf sehr kindliche Weise, eh er nach und nach das Verhalten seiner Umwelt imitiert und sich dieser schließlich anpasst. Darüber hinaus ist die technische Ausstattung jedoch allenfalls solide. Während Hans Zimmer („12 Years a Slave“) einen dynamischen, aber keineswegs überraschenden Bombast-Score abliefert, der immer wieder von unpassenden Songs von Die Antwoord durchbrochen wird, kreiert Kameramann Trent Opaloch („The Return of the First Avenger“) zwar übersichtliche Bilder ohne viel Schnickschnack, die mit fortschreitender Dauer jedoch immer einfältiger und genrekonformer werden, bis sich schlussendlich nur noch ein Klischee an das nächste reiht.

Fazit: Die CGI-Animationen der Roboterfiguren sind makellos. Auch der passionierte Score von Hans Zimmer, sowie die Performance des gutherzigen Schauspielers Dev Patel wissen zu gefallen. Alles darüber hinaus ist jedoch weit unterhalb des Unterhaltungswertes beider Blomkamp-Vorwerke und weist dem einst aufstrebenden Filmemacher unaufhörlich den Weg in Richtung One-Hit-Wonder.

 „Chappie“ ist ab dem 05. März bundesweit in den Kinos zu sehen.

Erschienen bei Quotenmeter.de

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