Annie

Will Gluck adaptiert das in den USA heißgeliebte Musical ANNIE für die Leinwand und lässt darin einen exzellenten Cast über den Dächern von New York, in den amerikanischen Ghettos und auf Filmpremieren umhertanzen. Dabei hat die deutsche Synchronisation einige Überraschungen parat, die den Filmspaß aber auch nur bedingt bremsen können. Lest mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Als Baby wurde die kleine, fröhliche Annie (Quvenzhané Wallis) einst von ihren Eltern verlassen, die ihr jedoch das Versprechen gaben, eines Tages zu ihr zurückzukommen. Seitdem war das Leben für Annie mit ihrer gemeinen Pflegemutter Miss Hannigan (Cameron Diaz) nicht immer leicht. Doch alles könnte sich ändern, als plötzlich der abgebrühte Wirtschafts-Tycoon und New Yorker Bürgermeister-Kandidat Will Stacks (Jamie Foxx) auf der Bildfläche erscheint. Auf Rat seiner brillanten Vizepräsidentin Grace (Rose Byrne) und seines ebenso scharfsinnigen wie durchtriebenen Wahlkampfleiters Guy (Bobby Cannavale) nimmt er – als nur leicht verschleiertem Bestandteil seiner Wahlkampagne – Annie bei sich auf. Stacks glaubt, dass er Annies Schutzengel ist, doch Dank Annies selbstbewusster Art und ihrer durch nichts zu erschütternden positiven Lebenseinstellung, könnte genau das Gegenteil der Fall sein.
Kritik
Es ist bei Weitem nicht die erste Leinwandadaption des gleichnamigen Musicals, die uns Feelgood-Regisseur Will Gluck („Freunde mit gewissen Vorzügen“) Anfang des Jahres mit „Annie“ präsentiert. Das filmgewordene Lebensprinzip „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ gehört in den USA längst zum klassischen Kulturgut und wurde nicht nur am Broadway aufgeführt, was für derartige Produktionen einem Ritterschlag gleichkommt, sondern darüber hinaus schon mehrfach in die internationalen Lichtspielhäuser respektive ins US-amerikanische Fernsehen gebracht. Dass die Story um eine über alle Maße lebensbejahende Waise ursprünglich einer Comicvorlage entlehnt ist, wissen wohl nur die Wenigsten. Ganz anders verhält es sich mit der musikalischen Untermalung, denn insbesondere „Hard Knocked Life“, ebenjener Song, den R’n’B-Star Jay-Z einst in ein Hip-Hop-Gewand kleidete, hat auch über die Musicalfangrenzen hinaus den Status eines Megahits. Knapp 40 Jahre nach der Uraufführung des später mit insgesamt elf Tony-Awards ausgezeichneten Bühnenstücks kommt nun also eine weitere Filmvariante der altbekannten Geschichte ins Kino und passt diese dem aktuellen Zeitgeist an, ohne dabei an allzu viel Charme einzubüßen. Dem zum Trotz ist „Annie“ nicht völlig frei von Schwächen. Insbesondere die deutsche Synchronisation macht dem bedingungslos gelungenen Filmerlebnis mancherorts einen Strich durch die Rechnung, was jedoch noch lange nicht bedeutet, dass es sich nicht lohnen würde, einen Blick auf das zeitlos unterhaltsame Märchen zu werfen.
Aus „It’s a Hard Knocked Life“ wird „Unser Leben ist voll krass”, „Little Girls“ werden zu „Kleinen Gören“ und „I Think, I’m Gonna Like it Here“ wird etwas ungelenk in „Ich glaube, mir gefällt es hier“ umbenannt. Zwar handelt es sich zum Großteil lediglich um 1:1-Übersetzungen der Original-Songtitel, doch kommen diese auf Deutsch bei Weitem nicht mehr so geschliffen daher, wie im englischsprachigen Original. Trotzdem war eine Übersetzung der Songtexte aufgrund der recht jungen Zielgruppe zwangsläufig eine Selbstverständlichkeit, wenngleich es Disney demnächst ein wenig durchdachter gelingt, ebenjenes Problem zu lösen: Immerhin kommt das für mehrere Oscars nominierte Märchenmusical „Into the Woods“ zwar ebenfalls synchronisiert in die hiesigen Kinos, belässt es in Sachen Übersetzung jedoch bei den Sprachparts und lässt die Gesangseinlagen (untertitelt) außen vor. In „Annie“ stößt man entsprechend nicht nur auf manch holpriges Songzitat, sondern darüber hinaus auf ganz andere Probleme ästhetischer Natur. Milde ausgedrückt bedeutet dies, dass „Annie“ Öl ins Feuer all jener Skeptiker gießen wird, die mit der deutschen Synchronkultur per se auf Kriegsfuß stehen. Funktioniert es in den Dialogen standardgemäß sehr gut, den amerikanischen Schauspielern weitestgehend lippensynchron ihre deutschen Worte in den Mund zu legen, ist dieses Unterfangen bei den Gesangseinlagen zum Scheitern verurteilt. Allen voran die Hauptakteure Quvenzhané Wallis („Beasts of the Southern Wild“) und Jamie Foxx („Django Unchained“) legen eine solch ausgeprägte Mimik an den Tag, das es einem Ding der Unmöglichkeit gleichkommt, den fast zu Grimassen einladenden Gesichtszügen eine entsprechend wirklichkeitsgetreue Synchronisation zukommen zu lassen. Ungewollte Schmunzler sind da schonmal vorprogrammiert.
Auch die Wahl der Synchronsprecher selbst löst an einer Stelle für Stirnrunzeln. Mit seiner markant männlichen Stimme gehört Charles Rettinghaus (spricht u.a. auch Robert Downey Jr.) zur Standardbesetzung, wenn es darum geht, Jamie Foxx Deutsch sprechen zu lassen. So auch bei „Annie“, doch sämtliche Musicalparts kommen nicht etwa ebenfalls von Rettinghaus, sondern von Manuel Straube. Dieser hatte zuletzt in Disneys zauberhaftem Wintermärchen „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ den Gesangspart der männlichen Hauptfigur inne und erweist sich qualitativ als absolut richtige Wahl. Gleichwohl ist die Tonhöhe beider Sprecher von solchem Unterschied, dass die Wechsel zwischen Sprech- und Singstimme teilweise haarsträubend sind und nicht weniger unfreiwillig komisch daherkommen, als der zum Großteil gescheiterte Versuch, die englischen Texte anständig zu übersetzen oder eine lippensynchrone Übersetzung zu kreieren. Doch während sich wohl vorzugsweise Cineasten und Pedanten an diesem Umstand stören werden, die den Film vermutlich ohnehin ausschließlich in der Originalfassung sehen werden, tut all dies der emotionalen Vermittlung des interessanten Stoffes keinen Abbruch. Mit einem Cast, der durchgehend einen großen Spaß an seiner Arbeit mitbringt, gerät „Annie“ trotz Probleme auf technischer Ebene zu einem abwechslungsreichen Familienspaß.
Insbesondere für die Zielgruppe zwischen 5 und 15 bereitet „Annie“ eine Geschichte auf, die trotz ihrer üppigen zwei Stunden Laufzeit sehr dynamisch und dabei nie hektisch daherkommt. Ausformulierte Handlung und Gesangparts halten sich angenehm die Waage und während die jüngeren Zuschauer durch verschiedene Perspektiven einen Einblick in das Leben der Erwachsenen bekommen und darüber hinaus eine entsprechende Identifikationsfigur erhalten, die eindrucksvoll beweist, wie man sich auch als Dreikäsehoch in diesem zurechtfindet, ist das Skript vollgepackt mit frechem (Meta-)Humor für Erwachsene, der das Leinwandgeschehen gern auch mal selbstironisch und immer augenzwinkernd kommentiert. Dabei verzichten die Drehbuchautoren um Regisseur Will Gluck auf penetranten Haudrauf-Humor, sondern machen sich stattdessen die Eigenheiten und Spleens der Hauptfiguren amüsant zunutze. Vor allem das Zusammenspiel zwischen einer manchmal leider recht aufgesetzt wirkenden Quvenzhané Wallis und einem sich selbst genießenden Jamie Foxx sorgt für jede Menge Situationskomik. Cameron Diaz („Sex Tape“) erweckt ebenfalls den Eindruck, am Set jede Menge Spaß gehabt zu haben, wenngleich ihrer Figur das markante Profil fehlt. Rose Byrne („Bad Neighbors“) fungiert als gute Seele und geht sichtlich in dieser Rolle auf.

Rose Byrne und Quvenzhané Wallis geben hoch über den Dächern von New York einen stimmungsvollen Song zum Besten.
Wie auch das Bühnenvorbild ist die 2015er-Variante von „Annie“ überdeutlich auf seine junge Protagonistin zugeschnitten. Dass Jada Pinkett und Will Smith zu den Produzenten des Streifens gehören, verwundert angesichts der gekonnten In-Szene-Setzung von Quvenzhané Wallis nicht, die nicht selten den Eindruck erweckt, selbst ein Spross der berühmten Smith-Familie zu sein. Da die jüngste Oscar-Nominierte der Geschichte sich jedoch als echte Sympathieträgerin erweist, ist dieser Umstand zu verschmerzen, der Film erscheint dadurch jedoch mancherorts wenig fokussiert und nicht auserzählt. Sämtliche Ereignisse laufen in der Figur der Annie zusammen, was wenig Einfluss zu anderen Geschehnisse zulässt. Dadurch wird „Annie“ zwangsläufig vorhersagbar, was das junge Publikum wohl aber nicht stören wird. Die rhythmisch eingängigen Songs und der treffsichere Tonfall trösten schließlich auch das geübtere Kinopublikum über diesen Umstand hinweg.
„Annie“ ist ab dem 15. Januar bundesweit in den Kinos zu sehen!
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Grundsätzlich trifft die Kritik hier schon ins Schwarze, aber wer allen Ernstes einen Satz wie diesen in die Tatstatur setzt: „Mit einem Cast, der durchgehend einen großen Spaß an seiner Arbeit mitbringt“, darf sich nicht sehr über die dt. Synchronarbeit lustig machen, wie ich finde…
Niemand macht sich hier über die deutsche Synchronarbeit lustig. Das Einzige, was auffällt, ist die Wahl der Singstimme eines Darstellers. Und das ist nicht gleichbedeutend mit „der Sprecher macht seine Arbeit nicht gut“.
Dann habe ich Sätze wie „Zwar handelt es sich zum Großteil lediglich um 1:1-Übersetzungen der Original-Songtitel, doch kommen diese auf Deutsch bei Weitem nicht mehr so geschliffen daher, wie im englischsprachigen Original“ und „der zum Großteil gescheiterte Versuch, die englischen Texte anständig zu übersetzen oder eine lippensynchrone Übersetzung zu kreieren“ wohl missverstanden.
Was mir dann leid tut.
Ich kann schon verstehen, wo der Kommentar herrührt. Es hat auch nichts mit einer generellen Unfähigkeit der für die Synchronisation verantwortlichen Personen zu tun. Es ist einfach gerade bei einem Musical äußerst schwer, adäquate Übersetzungen zu finden. Gerade bei den Songs. Schließlich sollte der Sinn nicht verfälscht werden, es zum Rhythmus passen etc. Daher wirken die Mundbewegungen zum Teil tatsächlich sehr auffällig unpassend zum gesprochenen (deutschen) Text. Das kann man in einer Kritik, die den (von mir persönlich sehr lieb gehabten) Film als Gesamtwerk betrachtet, einfach nicht weglassen.