Cinderella

Es gibt unzählige Adaptionen des Grimm’schen Märchens „Aschenputtel“. Weshalb der Stoff jedoch derart zeitlos ist, dass man sich auch im Jahr 2015 nicht an der Story um die zur Prinzessin werdenden Magd satt sehen kann, beweist „Thor“-Regisseur Kenneth Branagh mit seiner modernen Realfilmvariante von CINDERELLA, die sich ganz eng an der Disney-Vorlage von 1950 orientiert. Meine Kritik zum Film lest Ihr hier.

Cinderella

Der Plot

Nach dem tragischen Tod ihrer Mutter heiratet der liebevolle Vater der jungen Ella (Lily James) erneut. Um ihn zu unterstützen, heißt Ella ihre Stiefmutter Lady Tremaine (Cate Blanchett) und deren Töchter Anastasia (Holliday Grainger) und Drisella (Sophie McShera) herzlich in der Familie willkommen. Doch als auch ihr Vater unerwartet stirbt, ist Ella schutzlos der Eifersucht und den Grausamkeiten ihrer neuen Familie ausgeliefert. Als sie bald zu einer einfachen Dienerin degradiert und von allen hämisch „Cinderella“ genannt wird, scheint für Ella alles verloren. Wäre da nicht die Erinnerung an ihre Mutter, die Ella Mut und neue Hoffnung gibt. Als sie eines Tages in den Wäldern einem gut aussehenden Fremden (Richard Madden) begegnet, scheint Ella endlich einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Sie hält den charmanten Mann für einen Bediensteten im königlichen Palast, nichtsahnend, dass er in Wirklichkeit der Prinz selbst ist. Als der Hof alle jungen Frauen des Landes zu einem großen Ball einlädt, sieht Ella die Gelegenheit gekommen, ihn wiederzusehen. Mit Hilfe einer guten Fee (Helena Bonham Carter) macht sie sich auf, um ihr Leben ein für alle Mal zu ändern…

Kritik

„Aschenputtel“, das Märchen der Gebrüder Grimm, hat mittlerweile fast einhundert Jahre auf dem Buckel. Unzählige Adaptionen haben sich auf ganz unterschiedliche Weise mit der Geschichte der zur Prinzessin werdenden Magd auseinandergesetzt, doch im Kopf bleiben einem beim Namen „Cinderella“ wohl vornehmlich der Disney-Zeichentrickfilm von 1950, sowie die tschechisch-ostdeutsche Koproduktion „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, die aus dem Weihnachtsprogramm des deutschen Fernsehens nicht mehr wegzudenken ist. Ob auf der großen Leinwand, als Musical oder Oper, auf der Theaterbühne oder im klassischen Ballett: das Märchen hat nach wie vor Hochkonjunktur. Und nachdem diverse Grimm-Figuren zuletzt einiges für eine vermeintlich zeitgemäße Verjüngungskur über sich ergehen lassen mussten – man denke nur an „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“, „Snow White and the Huntsman“ oder „Spieglein, Spieglein“ –, besinnt sich „Thor“-Regisseur Kenneth Branagh für seine 2015er-Variante von „Cinderella“ nun auf den Urtyp der Erzählung. Dabei nimmt es der Filmemacher durchaus in Kauf, seinen Stoff auf eine gewisse altbackene Art in Szene zu setzen. Doch Branagh gelingt das Kunststück, den Charme und die Magie des gemalten Meisterwerks einzufangen, ohne ihm die Zeitlosigkeit zu rauben. Zeitgleich passt er sein 1:1-Realfilmremake des Disney-Meisterwerks mithilfe moderner CGI-Animation und einer budgetbedingt sehr opulenten Kulisse den modernen Sehgewohnheiten an. Der ultimative Beweis, dass es keine komplette Generalüberholung braucht, um das angestaubte Genre des Märchens wieder ins moderne Blockbusterkino zu holen.

Cinderella

Nicht nur bei der Namensgebung orientiert sich Kenneth Branagh an dem Disney-Klassiker „Cinderella“, auch aus Storysicht hangelt sich der Regisseur akribisch genau am Skript des 65 Jahre alten Zeichentrickfilms entlang. Dabei unterfüttert er seinen Streifen mit reichlich dramatischen Elementen, denn wo die Laufzeit von einst – lediglich 74 Minuten – damals noch als spielfilmtauglich galt, müssen es heute mindestens 90 sein, um als Blockbuster durchzugehen. „Cinderella 2015“ umfasst nun also 100 Minuten und Kenneth Branagh macht aus dieser vermeintlichen Not glatt eine Tugend. Wenngleich es fast schade ist, dass der Filmemacher die Zeit nicht nutzt, um die freie Zeit mit herrlich altmodischen Gesangsnummern aufzupeppen, besinnt sich Skript-Schreiber Chris Weitz („About a Boy oder: Der Tag der toten Ente“) lieber darauf, die Ereignisse dramatisch zu untermauern. Er nimmt neue Blickwinkel ein, nimmt sich ausführlich Zeit für eine Einführung in die Lebensumstände sämtlicher Hauptfiguren und skizziert ein stärker ausgeprägtes Profil für die bislang lediglich als böse dargestellte Stiefmutter. Zwar reichte die Zweidimensionalität der in „Cinderella“ nun Lady Tremaine genannten Antagonistin bislang aus, um als Gegenspielerin zu Aschenputtel zu funktionieren. Doch mit dem Hintergrundwissen um die Verzweiflung ob ihres Lebensweges gestaltet sich Cate Blanchetts Performance gleich umso intensiver. Die für „Blue Jasmine“ mit einem Oscar ausgezeichnete Schauspielerin gefällt sich sichtlich in ihrer Rolle und schafft es, ihr Facetten abzugewinnen, die ihr Handeln tatsächlich zeitweise nachvollziehbar machen.  Im Falle der beiden Stiefschwestern Anastasia und Drisella bleibt es hingegen bei ebenjenen nervtötenden Attitüden wie sie auch ihre Vorbilder von 1950 schon an den Tag legten. Holliday Grainger („The Riot Club“) und Sophie McShera („Downton Abbey“) dienen dabei zwar fast ausschließlich als Gag-Lieferant, erweisen sich dabei jedoch als so ergiebig, dass man ihnen die nur oberflächlichen Charakterzüge nicht allzu übelnehmen kann.

In der Hauptrolle der Cinderella ist den Machern mit der zuckersüßen Lily James („Downton Abbey“) ein echter Glückgriff gelungen. Wenngleich ihre Figur ein wenig jünger anmutet als das Zeichentrickvorbild, so kombiniert James eine naive Weltsicht mit jeder Menge Optimismus und lässt sich Seele und Aussage des Märchens in Fleisch und Blut übergehen. Im Zusammenspiel mit Richard Madden („Game of Thrones“), der in der Rolle des Prince Charming agiert, sprühen sichtbar die Funken. Anders als in anderen Blockbuster-Romanzen aktueller Stunde – Stichwort: „Fifty Shades of Grey“ – ist es im Falle von „Cinderella“ nur nachzuvollziehen, weshalb sich Ella spontan Hals über Kopf in den blaublütigen Edelmann verliebt. Eine Szene, in welcher Prinz und zukünftige Prinzessin in einem geheimen Garten erstmalig Worte austauschen, ist voll von echter Märchenmagie und beweist einmal mehr die Zeitlosigkeit des Stoffes. Dass es das Publikum hier bisweilen mit waschechtem Kitsch zu tun hat, steht im Anbetracht der Genreherkunft auf einem anderen Blatt. Als weitere, wichtige Nebenfigur erweist sich Helena Bonham Carter („Die Karte meiner Träume“) als überraschend zurückhaltende Fee, die Cinderella jeden Wunsch erfüllt. Carters schrullige Performance weiß zu gefallen und integriert sich ordentlich in das Gesamtbild. Dennoch hätte man sich gerade von der burtonerprobten Schauspielerin ein wenig mehr Mut zur Extravaganz erhofft.

Cinderella

Erwartungsgemäß entwickelt sich „Cinderella“ ganz ähnlich seines Zeichentrickvorbildes. Das bedeutet jedoch auch, dass märchenfestes Publikum ob der Überraschungsarmut durchaus enttäuscht werden könnte. Branagh unternimmt zwar allerhand, um das Leinwandgeschehen visuell aufzupeppen, verlässt sich jedoch stur auf die Zugkraft des Originals und blickt innerhalb der Geschichte nur bedingt nach links und rechts. Wer sich ähnlich anderer, aktueller Verfilmungen diverser Märchen eine komplette Neuausrichtung des Stoffes erhofft, wird entsprechend enttäuscht. Auch ergeben sich durch das zwangsläufige Strecken der Laufzeit nicht nur interessante Aspekte, sondern auch ein Stück weit Leerlauf. Doch gerade die technische Ausstattung wird zum Wiedererkennungswert von „Cinderella“, denn auch wenn Brannagh nur sehr punktuell auf CGI-Animationen zurückgreift und genau darauf achtet, dass sich die Computereffekte gut in die bodenständige Kulisse integrieren, ist der Streifen voll von optischer Opulenz und visueller Vielfalt. Auch das macht „Cinderella“ zu einem äußerst liebenswerten Stück Disney-Filmgeschichte, das über den „Maleficent“-Fehlgriff des vergangenen Jahres mehr als hinwegtröstet.

Fazit: Kenneth Branagh ist eine schöne Neuinterpretation des „Cinderella“-Märchens gelungen und lässt dabei die Magie des Zeichentrick-Klassikers ein weiteres Mal auferstehen. Trotz kleiner Schwächen gelingt es dem Regisseur, einen zeitlosen Film zu kreieren, der auch in einigen Jahren noch dieselbe Wirkung haben wird, wie heute.

„Cinderella“ ist ab dem 12. März bundesweit in den Kinos zu sehen.

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