Peter Hase

Will Gluck adaptiert mit PETER HASE ein weltweit beliebtes Kinderbuch, doch am Endergebnis dürften vor allem ältere Zuschauer Spaß haben. Weshalb die völlig absurde Mischung aus „Paddington“ und „Deadpool“ richtig Laune macht, das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Der freche, aber gutmütige Peter Hase (Christoph Maria Herbst) führt seit vielen Jahren einen Kleinkrieg mit dem mürrischen Mr. McGregor, dem ein üppig bewachsener Obst- und Gemüsegarten gehört. Der Alte findet die puscheligen Vierbeiner nämlich alles andere als niedlich und scheucht sie immer wieder verzweifelt von seinem Grund und Boden. Diese Fehde erreicht plötzlich ungeahnte Ausmaße, als Peter den alten McGregor – eher aus Versehen – zur Strecke bringt. Fortan gehört der Garten der Hasenfamilie und sämtlichen Tieren des Waldes. Und auch die tierliebe und warmherzige Nachbarin Bea (Rose Byrne) schaut regelmäßig nach dem Rechten. Da steht eines Tages McGregors Neffe Jeremy (Domhnall Gleeson) auf der Matte und ist auf dem besten Wege, es seinem tierunfreundlichen Onkel gleichzutun und es sich auf ewig mit den Häschen zu verscherzen. Als er sich jedoch Hals über Kopf in seine charmante Nachbarin verliebt, beginnt er, seinen Unmut gegenüber Peter noch einmal zu überdenken…
Kritik
Was hat der kuschelige Peter Hase dem Verleih Sony Pictures direkt nach US-Start nicht bloß für Kopfzerbrechen bereitet! Eine einzige Szene brachte dem insgesamt eigentlich recht harmlosen Familienabenteuer einen regelrechten Shitstorm samt Boykottpetition ein. Der Grund: Der von Domhnall Gleeson („Barry Seal – Only in America“) gespielte Schurke leidet im Film unter einer schweren Brombeerallergie und wird daraufhin von den von ihm verhassten Langohren mit genau diesen Früchten beschossen, bis er aufgrund eines allergischen Schocks fast krepiert. Lebensmittelexperten und besorgte Eltern sahen darin eine Verharmlosung des Themas der Nahrungsmittelallergie und riefen dazu auf, den Film nicht in den Kinos anzuschauen. Das brachte sogar Sony Pictures dazu, sich beim Publikum zu entschuldigen und appellierte im selben Atemzug daran, mit Kindern im Nachhinein über die Ernsthaftigkeit von Lebensmittelunverträglichkeiten zu sprechen. Das klingt nicht nur völlig absurd, das ist es erst recht, wenn man sich anschaut, wie der titelgebende Peter Hase schon im Film mit der Thematik umgeht: Die in der deutschen Fassung von Christoph Maria Herbst („Stromberg“) gesprochene Hauptfigur bittet darin nämlich bereits mit Augenzwinkern darum, bloß keine „bösen Briefe“ zu schicken, nur weil er die allgemeine Allergiehysterie für ein wenig übertrieben hält. Dieser bitterböse Metahumor zieht sich durch „Peter Hase“ genauso wie ausufernde Slapstickparaden und Actioneinlagen, doch am Ende ist es ausgerechnet die emotionale Diversität, die den Film auch für erwachsene Zuschauer zu einem Erlebnis macht.

Peter und seine Freunde wollen ihren Garten für sich beanspruchen, müssen es dafür aber mit seinem Besitzer auf sich nehmen.
Wenn wir einmal ehrlich sind, hatten wir die Verfilmung von Beatrix Potters Kinderbuch „Peter Hase“ nach rund einer Viertelstunde bereits aufgegeben. Zu anstrengend und um pseudocoole Hipness bemüht gestalteten sich die ersten Momente des Films, in denen die eigentlichen Stärken der Erzählung kaum zur Geltung kommen. Hektisch gefilmt, permanent von anstrengenden Sprüchen der Hauptfigur unterbrochenen und untermalt von ständig wechselnden Radiopop- und Sommerhits, hätte das ohne Zweifel sehr anständig animierte Familienabenteuer ein Paradebeispiel dafür sein können, wie man so einen zeitlosen Romanklassiker eben nicht für die Leinwand adaptieren sollte – nämlich vorbei an sympathischer Zeitlosigkeit. Doch dieser erste Eindruck sollte sich im weiteren Verlauf zum Glück nicht bestätigen; ganz im Gegenteil: Kommt die Geschichte hinter „Peter Hase“ erst einmal zum Tragen und die Inszenierung zur Ruhe, offenbart sich einem eine durchaus komplexe Erzählung darüber, was Freundschaft bedeutet und wie wichtig es ist, Kompromisse einzugehen und zu seinen Fehlern zu stehen. Das Besondere am Film, der sich nur sehr entfernt an der weitaus knapper ausfallenden Buchvorlage orientiert, ist nämlich, dass es nicht bloß um den Kampf zwischen den guten Häschen und dem bösen McGregor geht. Tritt erst einmal die voller natürlichem Enthusiasmus aufspielende Rose Byrne („Spy – Susan Cooper Undercover“) aufs Parkett, lotet das Skript von Will Gluck („Annie“) und Rob Lieber („Die Coopers – Schlimmer geht immer“) die moralischen Grauzonen so weit aus, dass „Peter Hase“ für die allzu kleinen Zuschauer sogar fast zu komplex sein dürfte.
Es ist für einen Film dieser Couleur schon durchaus mutig, den ursprünglich als Antagonisten etablierten Thomas mit der so gutherzigen Bea anbandeln zu lassen. Das finden auch Peter und seine Familie, an denen ihre eigentlich so gute Menschenfreundin plötzlich kaum noch Interesse zu haben scheint. So kommt es, dass plötzlich auch die Hasen zu jedem Mittel bereit, die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. Und das in einer (wenngleich durchaus komischen) Perfidität, dass man zeitweise gar nicht unbedingt wüsste, welcher Seite man in diesem hanebüchenen Kampf um Beas Gunst nun die Daumen drücken soll, würde Domhnall Gleeson nicht ein derart enthemmtes, grandios überzeichnetes Spiel an den Tag legen. Beide Seiten haben jede Menge fieser Tricks auf Lager, um ihrem Gegner an den Kragen zu gehen. Letzteres geschieht natürlich nicht, ohne dass Will Gluck jede einzelne Szene mit einer gehörigen Portion absurdem, aber doch immer auch extrem kreativen Slapstick paart. Wenn Peter das Haus seines Feindes mit allen möglichen Fallen präpariert, sodass dieser nicht einmal heile aus seinem Bett aufstehen kann, ist das an Timing und Einfallsreichtum kaum zu übertreffen. Und wenn die Figuren zwischendurch sogar die vierte Wand durchbrechen und das Geschehen kommentieren, dürfte auch bei den weniger slapstickaffinen Zuschauern kein Auge trocken bleiben.

Bea (Rose Byrne) ergreift für ihre Häschen immer wieder Partei. Sogar beim bösen Mr. McGregor (Sam Neill).
Wenn es einen Film gibt, der den familiären Charme eines „Paddington“ mit dem frech-selbstreferenziellen Humor eines „Deadpool“ kombiniert, dann ist es „Peter Hase“ – allein dieser Vergleich sollte den Zuschauern jeder Altersklasse den Kauf eines Kinotickets wert sein. Doch auch in den emotionaleren Momenten kann „Peter Hase“ durchaus punkten. Rund um die sympathische Liebesgeschichte, in der sich der spießige Ordnungsfanatiker und Kontrollfreak Thomas McGregor, der eigentlich für das Londoner Nobelkaufhaus Harrods arbeitet (hier entstanden auch einige der lustigsten Szenen des gesamten Films), erkennen Peter und seine Freunde plötzlich, dass sie der Konfrontationskurs mit ihrem Erzfeind auf Dauer nicht weit bringt – und erst recht nicht zurück in die Arme ihrer Freundin. Stattdessen beginnen sie, den verbalen Austausch zu suchen, um dabei nicht nur sich alleine, sondern vor allem, um Bea glücklich zu machen. Die Botschaft, dass man sich selbst nicht zwingend in ein besseres Licht rückt, nur weil man den anderen schlecht macht, ist gleichermaßen subtil wie perfekt auf die junge Zielgruppe zugeschnitten. Und wer hätte gedacht, dass ein sich entschuldigender Hase (die Langohren reiben für diese Geste ihre Köpfe aneinander) dafür sorgt, dass uns am Ende sogar ein kleiner Kloß im Halse stecken bleibt. Will Gluck hat hier tatsächlich ein kleines Wunder geschaffen. Nur auf Vorlagentreue sollten Fans des „Peter Hase“-Buchs nicht zu sehr bauen.
Fazit: Mit Beatrix Potters harmloser Kinderbuchvorlage hat die mit starken Trickeffekten gespickte Leinwandadaption „Peter Hase“ nichts mehr zu tun. Was Regisseur Will Glück stattdessen daraus gemacht hat, ist ein einzigartiger Clash aus liebenswürdigem Familienabenteuer der Marke „Paddington“ und derben Metaspäßen im Stile von „Deadpool“.
„Peter Hase“ ist ab dem 22. März bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.