Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen

Nach diversen Adaptionen für Leinwand, Fernsehschirm und Theater wagt sich Andreas Dresen an eine weitere Neuauflage von James Krüss‘ tragikomischer Geschichte TIMM THALER ODER DAS VERKAUFTE LACHEN. Eine gute Idee? das verrate ich in meiner Kritik.Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen

Der Plot

Timm Thaler (Arved Friese) lebt in ärmlichen Verhältnissen, doch er lacht gern und viel. Sein Lachen ist so bezaubernd und ansteckend, dass der dämonische Baron Lefuet (Justus von Dohnányi) es um jeden Preis besitzen will. Und so macht der reichste Mann der Welt dem Jungen ein unmoralisches Angebot: Wenn Timm ihm sein Lachen verkauft, wird er in Zukunft jede Wette gewinnen. Nach anfänglichem Zögern unterschreibt Timm den Vertrag. Jetzt kann er sich scheinbar jeden Wunsch erfüllen, doch ohne sein Lachen ist er ein anderer Mensch. Nur noch Timms Freunde Ida (Jule Hermann) und Kreschimir (Charly Hübner) halten zu ihm. Gemeinsam wollen sie Timm aus den Fängen des Barons befreien und durch eine List sein markantes Lachen zurückgewinnen.

Kritik

Selbst wer sich nur rudimentär mit dem Schaffen von Regisseur Andreas Dresen („Halt auf freier Strecke“) befasst hat, der kommt nicht so schnell auf die Idee, den eher auf herbe Erwachsenenkost spezialisierten Filmemacher mit der Beaufsichtigung einer Kinder- und Jugendgeschichte in Verbindung zu bringen. Doch der ursprünglich tatsächlich für eine eher jüngere Leserschaft konzipierte Roman „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ von James Krüss aus dem Jahr 1962 hat über die Jahrzehnte immer mehr an Aktualität gewonnen. Die für Heranwachsende meist nur unterschwellig wahrgenommene Konsum- und Gesellschaftskritik richtet sich längst an Zuschauer aller Altersklassen. So kommt bei dieser neuesten Leinwandadaption der „Timm Thaler“-Geschichte zusammen, was zusammen gehört. Andreas Dresen erzählt und inszeniert zwar kinderfreundlich genug, um jüngeres Publikum weder erzählerisch, noch visuell zu verschrecken (aufgrund der inhaltlichen Komplexität und der Darstellung des finsteren Grafen Lafuet empfehlen wir den Film dennoch erst ab einem Alter von etwa acht Jahren), im Kern ist sein Film jedoch so zeit- und alterslos, wie es bisher kaum eine „Timm Thaler“-Verfilmung war. Dabei deckt Dresen nicht bloß das gesamte Gefühlsspektrum des Zuschauers ab, sondern überzeugt in erster Linie durch seine clevere Welterschaffung. Damit ist „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ schon jetzt eine der vielfältig-kreativsten und nachhaltigsten Familienfilme, die dieses Jahr zu bieten hat.

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Nach seinem Deal mit dem Grafen Lafuet schließt Timm (Arved Friese) Freundschaft mit Hotelpagen Kreschimir (Charly Hübner).

Schon Minuten nach Beginn bricht „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ wie eine emotionale Dampfwalze über sein Publikum herein. Nur wenige Szenen zwischen Vater (gespielt von Bjarne Mädel) und seinem Sohn Timm genügen, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie innig die Liebe zwischen den beiden ist und auch, wie leidenschaftlich sich der Vater darum bemüht, seinem Sohn trotz des fehlenden Geldes sämtliche Freiheiten und einen gewissen Luxus zu ermöglichen. Wenn die beiden auf der Pferderennbahn um kleines Geld wetten, nur um sich davon in einem schicken Restaurant ein Brathähnchen zu gönnen, reichen diese kurzen Momente aus, um zu erkennen, von welch enormer Güte und Herzlichkeit die Kindheit des kleinen Timm geprägt ist. Umso härter trifft einen der unvermeidliche Schlag, als Timms Vater plötzlich ums Leben kommt. Gleichwohl kommt die Geschichte erst dadurch ins Rollen; „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ ergründet behutsam die Gefühlswelt des heranwachsenden Jungen und führt uns mithilfe dieser Ausnahmesituation umso detaillierter an den Charakter Timm heran. Der unbedarfte, durchaus freche aber immer absolut liebenswerte Thaler-Spross  muss sich zu keinem Zeitpunkt anbiedern, um vom Publikum – egal ob jung oder alt – ins Herz geschlossen zu werden. Der vollkommen losgelöst aufspielende Newcomer Arved Friese („Der Nanny“), der übrigens tatsächlich ein umwerfend ansteckendes Lachen hat, tut sein Übriges, um aus Timm Thaler eine ganz wundervolle Hauptfigur zu kreieren.

Dem gegenüber steht die exzentrisch-bitterböse, dabei aber nicht weniger überzeugende Performance von Justus von Dohnányi („Desaster“), der sich in seiner Performance des teufrlichen Grafen Lafuet sichtbar selbst genießt. Seine Kombination aus abartigem Charme und purer Bösartigkeit macht es zu jedem Zeitpunkt glaubhaft, wie es ihm gelingt, sein Umfeld um den Finger zu wickeln. Die wahre Identität des Grafen bleibt lange im Verborgenen und mit den allumfassenden Weltherrschaftsplänen trägt Drehbuchautor Alexander Adolph (diverse „Tatort“-Episoden) hier und da ein wenig zu dick auf. Durchdacht ist es dennoch, wenn der Graf plötzlich davon zu schwärmen beginnt, wie sich in Entwicklungsländern selbst das Wasser an die dort ansässigen Bewohner verkaufen lässt (und wenn man an Nestlé und die Privatisierung des Trinkwassers denkt, dann ist das alles schon wieder gar nicht so weit an der Realität vorbei). Hier und da wird man den Eindruck nicht los, Dresen wolle lieber dreimal mehr als einmal zu wenig die „Timm Thaler“ inne wohnende Botschaft unterstreichen; etwa, indem er diverse Beispiele dafür nennt und aufzeigt, mit denen der nun um ein charmantes Lächeln reichere Graf Lafuet schon bald über den ganzen Erdball regieren wird. Doch es ist unbestreitbar, dass selbst manch aufgeklärte Erwachsene den in der Wunde bohrenden Finger brauchen, um gewisse Zusammenhänge zu erkennen, während die jüngeren Zuschauer am Ende vor allem eines verinnerlicht haben dürften: Geld regiert eben doch nicht die Welt.

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Viel zu spät realisiert Timm, dass Geld nicht alles ist…

Es ist nicht ganz leicht, die Geschichte zeitlich exakt zu verorten. Spielt sich die Romanhandlung kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ab, erinnert diese Verfilmung visuell eher an die Zeit rund um die Jahrhundertwende zwischen dem 18. Und 19. Jahrhundert. Indem sich Andreas Dresen beim Design der Dämonenwelt auch noch auf eine äußerst futuristische Optik verlässt, trägt er zusätzlich dazu bei, dass man nie so recht weiß, wann genau „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ eigentlich spielen soll. Letztlich ist das aber auch überhaupt nicht relevant, hebt es doch im Gegenteil eher noch hervor, von welch zeitloser Aktualität die in der Geschichte verarbeiteten Themen sind. Trotz des ernsten Kerns ist Dresens Film jedoch auch extrem vergnüglich und kurzweilig geraten. Insbesondere die vielen Nebendarsteller (darunter Charly Hübner, Nadja Uhl oder die in „Wendy – Der Film“ zuletzt leider nur sehr schwach aufspielende Jule Hermann) sorgen dafür, dass die dem Film inne wohnende Melancholie nicht alles überstrahlt. Manch eine Idee, wie etwa die Platzierung von zwei allenfalls solide animierten Ratten als Bewacher Timms, hätte es allerdings nicht unbedingt gebraucht. Trotzdem ist „Timm Thaler“ ein reifer, erwachsener und zum mehrfachen Nachdenken einladender Film mit dem Vorteil, dass die kindliche Naivität der jungen Darsteller die Dynamik der Geschichte nachhaltig prägt; selbst in Timms dunkelsten Stunden strahlt immer noch ein Silberstreif am Horizont. Den Armen und Schwachen können eben auch die Reichen und Schönen ihren Optimismus nicht rauben.

Fazit: „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ ist ein ebenso aussagekräftiger wie liebevoller Film, mag aber inszenatorisch zunächst ein wenig befremdlich wirken. Doch die optischen Widersprüche aus der Darstellung eines verarmten, zeitlich kaum zu verortenden Deutschland und der futuristischen Welt des Grafen verhilft der Geschichte zur einer entrückten Realität und dadurch zu noch mehr Zeitlosigkeit.

„Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ ist ab dem 2. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.

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