BFG – Big Friendly Giant

Steven Spielberg legt mit der Kinderbuchverfilmung BFG – BIG FRIENDLY GIANT seine 30. Kinoarbeit vor. Weshalb er ausgerechnet zum runden Jubiläum sein bisher schwächstes Werk abliefert, das verrate ich in meiner Kritik.BFG - Big Friendly Giant

Der Plot

Das junge Londoner Waisenmädchen Sophie (Ruby Barnhill) lernt eines Tages einen geheimnisvollen Riesen (Mark Rylance) kennen, als dieser sie zur Geisterstunde aus ihrem Bett entführt. Aus anfänglicher Angst und Skepsis erwächst schon bald eine enge Freundschaft zwischen den beiden Außenseitern. Doch das Idyll des Riesen, den Sophie BFG tauft, ist keines. Er lebt mit einer Horde menschenfressender Wüstlinge zusammen, zu denen der freundliche Gigant nicht so recht passen will. Gemeinsam mit Sophie könnte es ihm jedoch gelingen, endlich in Frieden zu leben und die Welt wieder mit Träumen zu versorgen. Fortan gehen er und Sophie durch dick und dünn, erleben Seite an Seite aufregende Abenteuer, tauchen ein in fabelhafte Welten und finden am Ende ihrer fantastischen Reise schließlich zu sich selbst.

Kritik

Die Filme von Steven Spielberg sind untrennbar mit einer großen Portion Kitsch verbunden. Interessant ist dabei aber nicht, dass es der Regisseur von Filmen wie „E.T.“, „Gefährten“, „Lincoln“ und zuletzt „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ trotzdem in den Olymp der größten, ernst zu nehmenden Regisseure geschafft hat. Vielmehr macht es sprachlos, dass diese strenge Fokussierung auf nur allzu oberflächliche Gefühlsregungen trotzdem immer auch mit echten Emotionen verknüpft ist. Als in Spielbergs Kriegsdrama „War Horse“ das sehnsüchtige Wiedersehen zwischen Hauptfigur Albert und seinem Streitross Joey in Szene gesetzt wurde, geschah das ähnlich einer Michael-Bay-Regiearbeit vor einem gleißenden Sonnenuntergang mit melodramatischer Streicheruntermalung und unter Zuhilfenahme vieler Plattitüden; da diesem Moment jedoch ungeschönte Erfahrungen aus dem Schützengraben vorausgingen, stimmte das Verhältnis vom Zuschauer zum Protagonisten. Eine subjektive und damit möglicherweise überdramatisierte Erzählweise ließ sich angesichts der ohnehin längst in das Geschehen involvierten Emotionen für Ross und Reiter also durchaus nachvollziehen. Dasselbe gilt für das zu Tränen rührende Finale von „E.T.“, für den hochstilisierten Gefangenenaustausch in „Bridge of Spies“ sowie für das Präsidentenportrait „Lincoln“ im Gesamten, bei dem Steven Spielberg nie damit hinterm Berg hielt, das Leben einer offiziell zur Lichtgestalt auserkorenen Persönlichkeit nachzuzeichnen.

Ruby Barnhill

Bei der Kinderbuchverfilmung „BFG – Big Friendly Giant“ tappt der Filmemacher nun erstmalig mit voller Wucht in jene Falle, die er bislang nur touchierte. Die Geschichte über einen Träume zaubernden Riesen, der sich mit einem kleinen Waisenmädchen anfreundet, fährt von Beginn an eine solch große Portion Schmalz auf, dass man überhaupt nicht die Gelegenheit bekommt, ehrliches Interesse an den Figuren zu entwickeln. Hinzu kommt eine Charakterzeichnung, die bis zuletzt oberflächlich bleibt und aus dem eigentlich so sympathischen Riesen einen solch naiven Zeitgenossen macht, dass es für den Zuschauer alsbald anstrengend wird, dem Geschehen folgen zu wollen. Dabei beginnt „BFG“ vor allem visuell als äußerst sehenswertes Vergnügen. Mit welcher Finesse die Zusammenarbeit von CGI-Künstler, Regisseur und Kameramann Janusz Kaminski („Der Richter – Recht oder Ehre“) hier vonstatten geht, um den Riesen des Nachts durch die Londoner Straßen streifen und immer wieder auf elegante Weise verschwinden zu lassen, verströmt eine märchenhafte Magie, die vor allem Kinderaugen zum Strahlen bringen wird. In diesen Momenten setzt Spielberg auf ein Understatement gegenüber den vielen virtuosen Effektgewittern im heutigen Blockbusterkino und legt Wert auf Detailarbeit, die auch in einem gestochen scharfen 3D besonders gut zur Geltung kommen. Der Entschluss, der Protagonistin Sophie eine Einführung von nicht einmal fünf Minuten zuzugestehen, hat indes positive wie negative Seiten: Einerseits wird der Zuschauer direkt ins Geschehen katapultiert und muss sich nicht lange an einer aufwändigen (und für diese Geschichte möglicherweise auch nicht sonderlich relevanten) Figurenzeichnung aufhalten. Andererseits beschränkt sich Sophies Charakter auf ihr Dasein als abenteuerlustige Waise, wodurch sie später immer wieder zum Spielball der von einer merkwürdigen Art der Artikulation geprägten Handlung wird.

An dieser Stelle findet sich dann auch schon das zweite große Problem des Films. „BFG – Big Friendly Giant“ orientiert sich stark an der Romanvorlage, begeht damit aber auch dieselben Fehler, die zur fehlenden Zugänglichkeit beitragen. Das von den Riesen praktizierte Kauderwelsch, bestehend aus falscher Grammatik und kuriosen Wortschöpfungen basierend auf der menschlichen Sprache, wird auch in der Leinwandvariante von „BFG“ beibehalten. Das mag in der Umsetzung konsequent sein, wird für den Zuschauer aber schon bald zur Geduldsprobe. Nicht nur die (sowohl in der Originalfassung, als auch in der deutschen Synchronisation) vorhandene Willkür in den Wortkreationen folgt nur selten einer nachvollziehbaren Herkunft, auch die Erklärung für diese Fantasiesprache ist an den Haaren herbeigezogen. Wenn die kleine Sophie den Riesen beim Erlernen der richtigen Sprache unterstützen möchte, ist dieser schließlich so unbelehrbar, dass die vorab eingeführte Begründung, „Riesen wüssten es nun mal nicht besser“, ad absurdum geführt wird; denn selbst, wenn sie die Gelegenheit haben, es besser wissen zu können, wollen sie es offenbar nicht. Als Sophie dann sogar noch von ihrer Seite aus ins riesische Kauderwelsch verfällt, um sich ihrerseits dem grammatikalischen Kuddelmuddel anzupassen, ist das nicht süß oder charmant, sondern inhaltlich albern und in der Ausführung nervig. Zur Sympathie für den von Oscar-Preisträger Mark Rylance („Bridge of Spies“) weitestgehend sensibel verkörperten Riesen trägt es obendrein übrigens auch nicht bei. Immerhin: Der durch das Motion-Capturing-Verfahren zum Leben erweckte Riese gehört zum Besten, was man in Sachen Tricktechnik aktuell im Kino bewundern kann.

BFG - Big Friendly Giant

Zu guter Letzt reiht sich auch die Handlung selbst nahtlos in das nur übersichtlich gelungene Fantasiemärchen ein, in dem an allen Ecken und Enden so viele Mängel zu finden sind, dass es sich bei „BFG“ um das bisher schwächste Werk von Altmeister Spielberg handelt. Gestaltet die mittlerweile leider verstorbene Drehbuchautorin Melissa Mathison („E.T. –  Der Außerirdische“) den Einstieg noch überdurchschnittlich flott, passiert in der darauf folgenden Dreiviertelstunde zwar wenig genug, um die vielen kreativen Ideen in Setting und Kulisse zu entdecken, der Plot selbst braucht hingegen viel zu lang, um so sehr in Fahrt zu kommen, dass der Sprung von der träumerischen Anfreundung zwischen dem Riesen und Sophie hin zum abenteuerlichen „Wir retten die Riesenwelt“-Plot glaubhaft gelingt. Wenn sich BFG und seine kleine, ihn immer wieder gezielt (und bisweilen penetrant) mit dem Namen „BFG“ ansprechende Freundin schließlich in Richtung Königsfamilie begeben, erweckt der Film den Eindruck, aus zwei vollkommen unabhängig voneinander konzipierten Drehbüchern entstanden zu sein. Minimalismus weicht Plattitüden, optisch begibt sich „BFG“ in standardisierte Gefilde und ohne die abschließende Auflösung des Konflikts vorwegzunehmen, lässt sich doch guten Gewissens sagen: So schnell war eine finale Schlacht noch nie vorbei. So ganz erschließt es sich uns also nicht, weshalb „BFG“ Anfang des Jahres an der Croisette gefeiert wurde. Und wundern würden wir uns angesichts der schwer zu klassifizierenden Zielgruppe auch nicht, sollte Spielbergs neuester Film hierzulande gnadenlos untergehen.

Fazit: „BFG – Big Friendly Giant“ ist in seiner visuellen Verspieltheit verzaubernd und beeindruckend zugleich. Inhaltlich missfallen hingegen die anstrengende Fantasiesprache, die oberflächliche Figurenzeichnung sowie die kuriose Dramaturgie, durch die sich „BFG“ in zwei vollkommen unabhängig voneinander existierende Teile aufteilen lässt. Da sich allerdings beide Parts unter den Tonnen von Zuckerguss nicht voll entfalten können, lässt sich weder in der einen, noch in der anderen Hälfte irgendein Highlight ausmachen, das sich abseits der technischen Umsetzung finde lässt.

„BFG – Big Friendly Giant“ ist ab dem 21. Juli in den deutschen Kinos zu sehen – auch in schönem 3D!

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