The Cabin in the Woods

Mit THE CABIN IN THE WOODS schaffte es 2012 eine exzellente Selbstdemontage des Horrorgenres in die Kinos. Intelligenter Humor, gepaart mit einer ebenso schlauen Grundidee, gespickt mit tollen Darstellern inmitten einer idealen Horror-Kulisse – das ganze zusammengemischt und gewürzt mit einer ordentlichen Prise Überraschung. Nun erscheint der Streifen auf DVD. Eine genaue Analyse zu diesem nahezu bahnbrechenden Streifen lest Ihr in meiner heutigen Kritik.
Der Plot
Fünf befreundete Jugendliche wollen für ein Wochenende all ihre Sorgen – Liebeskummer, Prüfungsangst und so’n Zeug – hinter sich lassen und fernab der Zivilisation Urlaub machen. Welch‘ ein Glück, dass der ebenso sympathische wie kratzbürstige Macho Curt (stark: „Thor“-Star Chris Hemsworth) Verwandte hat, die da draußen in der Einöde des Waldes eine halb-verfallene Hütte besitzen. Badesee und Grusel-Keller inklusive. Gemeinsam mit seiner blonden (Klischee-)Freundin Jules (Anna Hutchison), der im wahrsten Sinne des Wortes jungfräulichen Dana (das sympathische TV-Starlet Kristen Connolly), dem strebsamen Holden („Greys Anatomy“-Arzt Jesse Williams) und dem sich in die Herzen der Zuschauer spielenden Dauer-Kiffer Marty (Fran Kranz) bildet Curt eine Clique, die Stereotypen-reicher nicht sein könnte. Doch es kommt noch dicker: Als sich eines Abends wie von Geisterhand eine Bodenluke im Holzhäuschen öffnet, können die unbedarften Twens natürlich nicht widerstehen und nehmen interessiert die augenscheinlichen Schätze unter die Lupe. Auch wenn T“Tanz der Teufel“ offensichtlicher nicht grüßen könnte, scheint niemand darüber zu stolpern, dass das Lesen seltsamer Formeln nicht unbedingt dafür bekannt ist, von Erfolg gekrönt zu sein. Doch „The Cabin in the Woods“ wäre nicht „The Cabin in the Woods“, wenn es da nicht diesen kleinen, aber feinen Nebenplot gäbe. Ohne es zu wissen sind unsere fünf Waldfreunde die „Stars“ einer ganz persönlichen TV-Show, inszeniert von ein paar Gestalten, die in weißen Kitteln das Geschehen lenken…
„Ich glaube, wir werden beobachtet!“
Kritik
Es gibt Dinge, die macht man einfach nicht. Die GEZ um ihre Gebühren prellen, Casting-Shows gucken, das Ende von Filmen verraten. Spätestens seit sich Manoj Night Shyamalan mit „The Sixth Sense“ unsterblich machte, wurde Spoilern unter Cineasten mit Verachtung gestraft. Wer den Ausgang vorab verriet, der musste damit rechnen, zum nächsten DVD-Abend nicht mehr eingeladen zu werden.
Einen ähnlich gelagerten Kandidaten liefert uns nun „Lost“-Produzent Drew Goddard, der sich schon 2009 gemeinsam mit Kollege Joss Whedon (das ist der, der uns in diesem Jahr den spektakulären Blockbuster „Marvel’s Avengers“ präsentierte) einer Horror-Persiflage annahm, die noch lange Zeit ihresgleichen suchen wird. Doch trotz des Kultpotentials: Einfach hatte es die 30 Millionen US-Dollar teure MGM-Produktion nicht. Obwohl schon 2009 fertiggestellt und für eine Veröffentlichung 2010 angedacht, sollte „The Cabin in the Woods“ noch bis Mitte 2012 in den Archiven des 2010 insolvent gemeldeten Studios schlummern. 2011 schließlich nahm sich Lions Gate Entertainment des Projektes an und verwarf obendrein die Pläne, dem Streifen im Nachhinein einer 3D-Konvertierung zu unterziehen. Im April 2012, über zwei Jahre nach dem ursprünglichen Termin, feierte die Goddard/Whedon-Arbeit endlich ihre verdiente Premiere in den USA. Mit gut 42 Millionen US-Dollar spielte die Horror-Persiflage ihre Produktionskosten schnell wieder ein und lockte auch hierzulande knapp 200.000 Zuschauer in die Lichtspielhäuser. Kein Wunder: „The Cabin in the Woods“ gelingt der Spagat zwischen schwarzhumorigem Slasher und einer mit Fingerspitzengefühl gefertigten Mediensatire nahezu mühelos.
Mit der schwebenden, an einen Zauberwürfel erinnernden Waldhütte auf dem Filmplakat hat das Original im Film wenig gemein. Trotzdem offenbart diese visuelle Spielerei, was hinter der Idee zu „The Cabin in the Woods“ steckt. Joss Whedon und Drew Goddard, die beide zu gleichen Teilen am Drehbuch beteiligt waren, verdrehen sämtliche Aspekte des Horrorgenres auf ebenso offensichtliche wie intelligente Weise und vermischen das Ganze mit einer knallharten Mediensatire im „Truman Show“-Gewand. Dies geschieht auf zwei, sich zeitlich parallel abspielenden Ebenen, die unvorbereitete Kinogänger ins kalte Wasser stoßen. Um diesen Überraschungseffekt nicht zunichte zu machen, soll an dieser Stelle darauf verzichtet werden, allzu detailliert auf die jeweiligen Szenerien einzugehen. Dennoch sei das allumfassende Fazit erlaubt, dass sich die Handlung mitnichten so entwickelt, wie es der geneigte Horrorfan von einem 08 15-Slasher erwartet.
Stattdessen spielen die Macher gekonnt mit den Attributen, für welche das Genrekino von Fans so geliebt wird. Aus dem Aufbau von Klischees (die „dumme Blondine“, das Final Girl etc.) wird ein Spiel mit der Erwartungshaltung seitens des Publikums. Den Witz ziehen die Macher hierbei aus der Hassliebe, die der horroraffine Zuschauer bestimmten Szenerien gegenüber bereits aufgebaut hat. Ein „Wrong Turn“ wird geschaut, weil der Backwood-Horror ohne das falsche Abbiegen an der falschen Kreuzung nicht funktionieren würde und doch fasst sich der Horrorfan jedes Mal aufs Neue an die Stirn, wenn die immer gleiche Figurenkonstellation die immer gleichen Fehler zum x-ten Mal begeht. „The Cabin in the Woods“ geht nun einen Schritt weiter und versucht quasi „hinter die Kulissen“ zu blicken. Schaut man aus den Augen der weiße Kittel tragenden Professoren, mag man erahnen, mit welchen Gedanken sich die Horrorfilm-Maschinerie herumschlagen muss.
Trotzdem ist „The Cabin in the Woods“ weit davon entfernt, eine Parodie zu sein. Auch wenn es oberflächlich so scheint: Der Streifen will sich zu keinem Zeitpunkt über das Genre lustig machen, welchem er selbst entstammt. So nimmt er sich selbst zwar nicht so ernst, die Zuschauer hingegen umso mehr. Es scheint, als wollten die Macher sich vor dem Enthusiasmus, für welchen vor allem die Horrorfans unter den Cineasten bekannt sind, verneigen. Getreu dem Motto: „Ihr steht drauf und das ist gut so!“ Denn obwohl der Horrorfilm seinen Schwerpunkt auf die Dekonstruktion des Genres legt, so können auch die obligatorischen Horror-Szenenerien alleinstehend überzeugen. Gelungene Jump-off-the-seats-Momente funktionieren ebenso wie die ansehnlichen und stellenweise äußerst brutalen Slasher-Szenen. Vor allem gelingt es dem Streifen, eine packende Atmosphäre aufzubauen, die uns die recht eindimensional gezeichneten Figuren schnell ans Herz wachsen lässt.
Doch gerade die Passagen, die sich mit den Menschen hinter dem Waldspuk befassen, haben bisweilen einen äußerst ernsten Beigeschmack inne. Sie offenbaren zu weiten Teilen den Profit- und Erfolgsgedanken hinter der (Horror-)Filmproduktion, schaffen es aber dank stark geschriebener, facettenreicher Figuren, dass diese Storyline keine ähnlich melancholischen Züge annimmt, wie es bereits in dem Paradebeispiel für Mediensatire, der „Truman Show“ der Fall war. Dafür fehlt an vielen Stellen doch der moralische Zeigefinger, den es in „The Cabin in the Woods“ jedoch ohnehin nicht gebraucht hätte. Da will der Horrorstreifen dann doch lieber mehr unterhalten denn dem Zuschauer die Augen vor der knallharten Medienwelt öffnen. Das beweist vor allem das temporeiche Finale, welches für jeden auch nur halbwegs interessierten Genrefan einen blutigen Augenschmaus darstellt. In ihm schienen sich die Macher nicht nur optisch austoben zu dürfen, sondern ließen es sich vor allem nicht nehmen, dem Publikum die volle Bandbreite an Horrorunterhaltung zu servieren und ihm so zu guter Letzt noch einmal zu offenbaren, wofür es das Genre so liebt: Den Mut zum Morbiden, den Hang zum Makaberen und den Willen, Überraschung und Konvention so zu arrangieren, dass sich das Horrorkino auch heute noch als das wohl facettenreichste von allen feiern kann.
Erschienen in der DEADLINE, Ausgabe 37