S.U.M. 1

Ein Mann, ein Turm und draußen der Weltuntergang – der Science-Fiction-Thriller S.U.M. 1 entspinnt eine düstere Zukunftsfantasie und lässt seine Hauptfigur langsam in Paranoia verfallen. Mehr zur deutschen Genrehoffnung verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Unheimliche, übermächtige, außerweltliche Kreaturen zwingen die Menschheit seit Jahrzehnten dazu, Zuflucht in einem Versteck aus unterirdischen Bunkersystemen zu suchen. Der junge Militärrekrut S.U.M. 1 (Iwan Rheon) wird zur Erdoberfläche geschickt, um in einem entlegenen Wald von dem Wachturm eines Sicherheitskreises aus die letzten Überlebenden zu beschützen. Was als eine 100-Tage Routinemission beginnt, entwickelt sich bald zu einem Alptraum, denn die ständige Isolation und damit einhergehende Paranoia fordern ihren Tribut und S.U.M. 1 muss nicht nur um seinen Verstand, sondern auch um sein Überleben fürchten.
Kritik
Gerade im Science-Fiction-Genre ist man in der Regel darauf angewiesen, dass einem für den Filmdreh ein üppiges Budget zur Verfügung steht. Schließlich soll die technische Ausstattung ja auch futuristisch aussehen, was, ob man nun auf haptische, oder computergenerierte Effekte setzt, in der Regel Einiges an Geld verschlingt. Genau das – nämlich Budget – stand Regisseur und Drehbuchautor Christian Pasquariello („Kill Your Darling“) für seine erste Regiearbeit „S.U.M. 1“ nicht zur Verfügung, wohl aber eine Vision. Und das Beste: Für diese benötigt der Filmemacher keine überbordenden Effekte, keine gigantischen Settings oder abgefahrene Computerspielereien, sondern einfach nur ein gutes Drehbuch und ein bis zwei feine Darsteller. Da sein paranoides Kammerspiel mit alldem aufwarten kann, erweist sich das Endergebnis, eine Geschichte über einen Militärangehörigen, der in einer von Aliens bevölkerten Welt 100 Tage auf seinem Wachposten für Sicherheit sorgen soll, als atmosphärisch dichtes Spiel mit der Erwartungshaltung und trotz seiner bisweilen zähen Inszenierung äußerst spannende Genrespielerei, angetrieben von einem namhaften „Game of Thrones“-Star.
Zwischen Auftakt und Schlussakt spielt „S.U.M. 1“ vollständig im Inneren des spärlich eingerichteten Wachturms. Lediglich eine hochmoderne Schaltzentrale, Name und Aussehen des Protagonisten sowie die zu Beginn eingeblendete, über die Alieninvasion informierende Texttafel deuten an, dass wir uns nicht in der Gegenwart, sondern in einer nicht näher definierten Zukunft befinden. Die Welt ist zu einer kargen, an der Erdoberfläche nicht bewohnten Einöde geworden, ein tristes Grau-in-Grau dominiert die Farbgestaltung, aus der lediglich die eisblauen Augen des Militärrekruten S.U.M. 1 hervorstechen. Kameramann Hagen Bogdanski („Nebel im August“) besitzt genug Fingerspitzengefühl, um aus dieser Tristesse gleichsam das Maximum an Bedrohung herauszuholen. Gleichzeitig setzt er die Enge der Wachzentrale gekonnt in Szene und sorgt so für Beklemmung, die von dem ganz allmählich herunter gezählten 100-Tage-Countdown zusätzlich unterstrichen wird. Für die darauf folgenden Ereignisse ist das nur förderlich, denn dass diese bedrückende Atmosphäre, einhergehend mit der stumpfsinnig-langweiligen Arbeitsroutine, nach und nach Anlass gibt, sich auf Details und Ungereimtheiten zu fokussieren, ist inhaltlich logisch und sorgt dafür, dass sich der Zuschauer mit den Ängsten und Sorgen des Protagonisten identifizieren kann, auch wenn man sonst relativ wenig über S.U.M. 1 erfährt.
Dass das allerdings durchaus beabsichtigt ist, unterstreicht schon sein Name selbst, denn auch, wenn der Name unseres Titelhelden immer durchbuchstabiert wird, lässt sich S.U.M. 1 eben auch als „Someone“ aussprechen – somit steht der Protagonist lediglich stellvertretend für viele; in diesem Fall für das gesamte Militär, dass schon diverse andere Rekruten als Aufpasser an die Erdoberfläche geschickt hat. Erst mit der Zeit wird aus diesem Jemand eine runde Figur, die nach und nach das System infrage stellt und damit auch den Zuschauer selbst zu Unsicherheit verleitet: Wird S.U.M. 1, der über viele Wochen lediglich mit einer stummen Ratte kommuniziert, langsam verrückt, oder steckt hinter seinen Vermutungen, die Regierung hätte sich die Bedrohung der Nonesuch genannten Aliens nur ausgedacht, um die Bevölkerung unter Kontrolle zu haben („The Village“ lässt grüßen!), tatsächlich die Aufklärung einer Verschwörung? Da die Hauptfigur zwar durchaus nahbar ist, jedoch bis zuletzt auch schwer einschätzbar bleibt, funktioniert die Prämisse von „S.U.M. 1“ tatsächlich bis zum Schluss und schafft es auf der Zielgeraden, das Publikum zu überraschen. Dies trifft leider auch in gewisser Weise in negativer Hinsicht zu.
Wo die Macher, zu denen auch der deutsche Genrespezialist Christian Alvart („Tschiller: Off Duty“) in der Position des Produzenten gehört, ihre schmalen Produktionsmittel die meiste Zeit über verschleiern können (und auch zu Beginn außerhalb des Wachturms nichts daran erinnern, wie wenig Geld hier während des Drehs geflossen ist), wird im Finale doch noch auf den einen oder anderen Trickeffekt gesetzt, der „S.U.M. 1“ als Low-Budget-Projekt entlarvt. Hier kommt man am besten durch, wenn man direkt beide Augen zudrückt, denn davon einmal abgesehen, punktet der Showdown mit Action und dem perfekten Ausnutzen des Überraschungsmoments. Gerade im Hinblick auf die zuvor hin und wieder zähe Zeit im Wachturm ist das Finale auf den Punkt choreographiert und findet einen idealen Abschluss. Hier kann sich auch Iwan Rheon (Ramsey Bolton in „Game of Thrones“) noch einmal abseits seiner wortkargen, langsam dem Wahnsinn verfallenen Performance beweisen und gibt routiniert den bewaffneten Actionhelden. Neben ihm spielt lediglich André Hennicke („Der Mann aus dem Eis“) eine wichtige Rolle, die an dieser Stelle jedoch nicht weiter erläutert werden soll. Nur soviel: Kälter als die Interaktion zwischen ihm und Iwan Rheon sind hier nur die blauen Augen der Hauptfigur.
Fazit: „S.U.M. 1“ ist ein reduziert inszenierter, visuell überzeugender Science-Fiction-Thriller mit spannender Ausgangslage, der bis zuletzt so undurchschaubar bleibt, wie seine faszinierende Hauptfigur. Lediglich die wenigen Effekte trüben den Gesamteindruck ein wenig.
„S.U.M. 1“ ist ab dem 7. Dezember in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.