Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner

Insbesondere unter Cineasten haben deutsche Komödien nicht den besten Ruf. Doch im Falle von AUF DER ANDEREN SEITE IST DAS GRAS VIEL GRÜNER müssen sich die Zuschauer nicht verstecken, wenn sie sagen, dass ihnen diese verspielt-naive RomCom eigentlich ganz gut gefallen hat. Mehr zum Film in meiner Kritik.

Der Plot

Eigentlich führt die liebenswerte Chaotin Kati (Jessica Schwarz) mit ihrem Ehemann, dem Arzt Felix (Felix Klare), seit fünf Jahren eine glückliche Beziehung. Aber so langsam schleicht sich der Alltag ein, denn Felix scheint über seine Arbeit die Liebe vergessen zu haben. Als Kati der unangepasste Künstler Mathias (Christoph Letkowski) über den Weg läuft, verknallt sie sich sofort in ihn – und beginnt zu zweifeln: Ist ihr Felix tatsächlich der richtige Mann? Will sie wirklich mit ihm alt werden? Während Kati völlig hin und her gerissen ist, spielt ihr das Schicksal einen Streich: Kati findet sich plötzlich fünf Jahre früher wieder, exakt einen Tag bevor sie Felix zum ersten Mal begegnet ist. Verständnis für diesen unerklärlichen Zeitsprung zeigt nur die esoterisch versponnene Kollegin Linda (Pheline Roggan), vor ihrer besten Freundin Marlene (Elena Uhlig) muss Kati ihr unerklärliches Wissen um die nahe Zukunft geheim halten. Kati erhält so aber eine zweite Chance bei der Suche nach dem großen Glück – und die einmalige Gelegenheit, das Schicksal in manchen Dingen zu überlisten.

Kritik

Manchmal ist es wie verhext: Da bekommt man als unwissender Zuschauer einen Film vorgesetzt, der durch eine unvorhergesehene Wendung nochmal eine Extraportion Schwung und Dynamik verliehen bekommt und am Ende findet man heraus, dass genau dieser Twist zum Haupt-Marketingaspekt des Films auserkoren wurde. Als hätte man damals bei „The Sixth Sense“ damit geworben, dass Bruce Willis‘ Figur des Kinderpsychologen Dr. Malcolm Crowe aus dem Jenseits die Fürsorge seines jungen Patienten Cole übernimmt, fokussiert man im Falle von „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“ das Element der versehentlichen Zeitreise; schließlich ist Pepe Danquarts Film keine herkömmliche Komödie, sondern erarbeitet sich ja gerade dadurch ihr Alleinstellungsmerkmal. Schade ist es trotzdem, denn zumindest wir Ahnungslosen waren bei der Sichtung der Verfilmung von Kerstin Giers gleichnamigem Roman angenehm überrascht, denn welche Richtung genau der Film einschlagen würde, wussten wir vorab nicht. Seinen Aha-Effekt behält das Projekt trotzdem bei, denn auch, wenn sich schon im Titel die fehlende Subtilität der Aussage widerspiegelt, ist „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“ ein feiner Vertreter der deutschen Komödie, der sich selbst nicht zu ernst nimmt und immer wieder scharf an der Satire kratzt. Und auch wenn gerade Letzteres noch ein wenig konsequenter ausfallen dürfte, macht die locker-leichte Sommercomedy am Ende viel mehr richtig, als falsch.


Kati (Jessica Schwarz) und Frau Baronski (Judy Winter) genießen ihre Freundschaft und den Sommertag.

Die titelgebende Aussage befasst sich damit, dass man immer das will, was man gerade nicht haben kann. Im Grunde ziemlich ernster Stoff, denn tatsächlich manövriert sich auch Hauptfigur Kati in eine verhängnisvolle Zwickmühle: Eigentlich glücklich mit ihrem Freund Felix, lernt sie aus dem Alltagstrott heraus den verwegenen Künstler Mathias kennen und meint zu wissen, dass dieser ja doch viel besser zu ihr passe, als ihr derzeitiger Lebenspartner. Als sie sich durch die Reise in die Vergangenheit plötzlich in der Zeit kurz vor dem Kennenlernen mit Felix wiederfindet, datet sie direkt Mathias, um nur wenig später festzustellen, dass auch nach dieser Wahl irgendwann der Punkt eintritt, in dem sich erneut das Gefühl breit macht, dass das Gras auf der anderen Seite viel grüner wäre. Im Kern steckt dahinter eine tief-pessimistische Aussage, denn wenn jede Entscheidung irgendwann in Unzufriedenheit mündet, ist es letztlich egal, welchen Weg man einschlägt. Selbst die Frage nach der Existenz von Zufall und Schicksal reißt Pepe Danquart („Lauf Junge Lauf“) an, doch anstatt diese schwierige Thematik in ein Existenzdrama münden zu lassen, bereitet er es, wie schon der Roman, als leichtfüßig-romantische Komödie mit komplizierter Dreiecks-Konstellation auf, die die ganz schwierigen Themen nur im Vorbeigehen tangiert. Dinge wie der berühmt-berüchtigte Schmetterlingseffekt würden hier nicht bloß den erzählerischen Rahmen sprengen, sondern das Geschehen in eine völlig andere Richtung leiten. „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“ befasst sich stattdessen voll und ganz mit der unendlich charmanten Hauptfigur Kati, die das Geschehen genau so betrachtet, wie es unsereins in ihrer Situation tun würde. Denn wer würde sich denn ernsthaft um die großen, komplexen Zusammenhänge scheren, wenn er plötzlich die Gelegenheit bekäme, die letzten fünf Jahre noch einmal neu zu leben?

Es ist in erster Linie Jessica Schwarz („Hanni und Nanni – Mehr als beste Freunde“), die „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“ gleichzeitig erden und aufputschen kann. Wie ihre Figur der tollpatschigen Kati von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert, verleiht ihr ideales Identifikationspotenzial, auch wenn Liebhaber unauffälliger Figuren hier klar den Kürzeren ziehen. Wer der Geschichte Böses unterstellen will, könnte in ihrer Charakterzeichnung sogar das absolut unbeholfene Stereotyp einer allein nicht zurecht kommenden Frau sehen, doch diese Kati ist nicht etwa aufgeschmissen, sobald sie keinen Mann an ihrer Seite hat. Ob alleine oder in trauter Zweisamkeit: Die junge Frau ist einfach eine Chaotin, die trotzdem mit beiden Beinen fest im Leben steht. Ihr unsicheres Verhalten im Anbetracht der beiden Männer lässt Pepe Danquart immer aus der Situation heraus entstehen. Selbst noch vollkommen überfordert mit dem plötzlichen Zeitsprung, stürzt sie sich sofort hinein in das Abenteuer Männerfang. Grenzenlose Naivität trifft hier auf überzeugendes Kalkül – und Kati wird zu einer Heldin, die sich nehmen könnte, was sie wollte, sofern sie denn wüsste, was das ist und nicht so verdammt chaotisch wäre. Gleichsam sind sämtliche anderen Charaktere nicht anders. Egal ob Mann oder Frau: Mit Ausnahme von Ruhepol Frau Baronski (endlich mal wieder auf der großen Leinwand zu sehen: Judy Winter) zeigt sich hier jeder von der schleichend aus dem Ruder laufenden Eskalation überfordert. Da gefällt es besonders, die Dinge aus den Augen der Protagonistin zu sehen, die als Einzige den Verlauf der Dinge durchschaut.


Mathias (Christoph Letkowski) und Kati (Jessica Schwarz) lernen sich näher kennen.

„Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“ punktet indes nicht bloß mit der ansteckenden Spielfreude von Jessica Schwarz, den zum Großteil treffsicheren Pointen sowie der bis zuletzt absolut unberechenbaren Erzählung. Auch in den ruhigen Momenten zeigt sich die Komödie von ihrer besten Seite. Zwar gehen der Regisseur sowie seine Drehbuchautoren Stefan Barth („Heiter bis tödlich“), Katrin Milhahn („Ente gut!“), Antonia Rothe („Doctor’s Diary“) und Danquart selbst über manch eine Storyverwicklung zu rasch hinweg (Stichwort: Schwangerschaft), doch im Großen und Ganzen wirken die hier ausgetragenen Konflikte glaubhaft und unmittelbar. Dass sich Kati Hals über Kopf in Mathias verliebt, nimmt man der jungen Frau schon deshalb ab, weil sich Christoph Letkowski nach „Die Reste meines Lebens“ wiederholt als unkonventioneller, ungekünstelter Darsteller beweist, während auch Felix Klare („Tatort“) seinem Felix genug charmantes Profil verleiht, um die Sinnhaftigkeit von Katis Gewissenskonflikt zu unterstreichen. Gerade im Nebendarstellersegment kommt schließlich auch noch das satirische Potenzial von „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“ zum Tragen, denn die übermäßig spleenig aufspielenden Schauspielerinnen und Schauspieler lenken das Geschehen mitunter in eine Richtung, die die Konventionen der klassischen RomCom untergraben. Danquart zieht dabei nicht immer konsequent die Authentizität im Handeln seiner Figuren durch; manchmal fragt man sich schon, weshalb manch ein Charakter tut, was er tut.  Bis zuletzt ergibt sich so allerdings ein aufregendes Ensemble, das zunächst bloß auf Klischees zurückgreift, in letzter Instanz aber immer genau so handelt, wie man es nicht erwarten würde.

Fazit: Am besten funktioniert „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“, wenn man absolut gar nichts über die Ausgangslage weiß. Doch auch ohne den Überraschungseffekt, der gar nicht zwingend als solcher angelegt ist, gelingt Pepe Danquart eine fantastische Sommerkomödie voller sympathischer Charaktere, die Naivität und Verspieltheit mit einer feinen Portion Lebensweisheit kombiniert.

„Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner“ ist ab dem 13. Juli in den deutschen Kinos zu sehen.

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