Aladdin

Einige der kürzlich neuverfilmten Disney-Klassiker konnten sich auch im Realfilmgewand sehen lassen. Dass ausgerechnet Guy Ritchie seine ALADDIN-Neuverfilmung gegen die Wand fahren würde, überrascht – aber dann auch wieder nicht. Denn dass hier der Mann mit der sonst so energetischen Handschrift Regie geführt hat, lässt sich nicht einmal mehr erahnen. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Aladdin (Mena Massoud) ist ein Straßenjunge, der an der Seite seines treuen Affen Abu die Straßen der Stadt Agrabah unsicher macht. Mit ihren Bazaren, Palästen und fliegenden Teppichen ist sie wie gemacht für einen Träumer wie Aladdin, der eines Tages plötzlich die Liebe seines Lebens kennenlernt. Die schöne Prinzessin Jasmin (Naomi Scott), die als Straßenmädchen verkleidet für einen Moment versucht, den strengen Gesetzen innerhalb der Palastmauern zu entkommen. Für Aladdin ist die Sache klar: Er muss das Mädchen wiedersehen. Doch der der böse Jafar (Marwan Kenzari) macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Dieser schickt den ahnungslosen jungen Mann in eine Höhle mitten in der Wüste und verspricht ihm Reichtum gegen eine Wunderlampe. Doch die Sache geht schief und die Höhle stürzt über Aladdins Köpfen zusammen. Wie gut, dass der blaue Flaschengeist Genie (Will Smith) Aladdin auf Anhieb in sein Herz schließt…

Kritik

Der Disney-Konzern hat zeitlose Meisterwerke hervorgebracht. Doch seit einigen Jahren fußt der Erfolg des Milliardenunternehmens vornehmlich auf der Inszenierung von Neu- und Weiteradaptionen. Allein in diesem Jahr erscheinen mit „Dumbo“, „Der König der Löwen“ und „Aladdin“ drei Neuauflagen bekannter Zeichentrickklassiker, „Toy Story“ wird um einen vierten Teil ergänzt, „Maleficent“ um einen zweiten, „Die Eiskönigin“ ebenfalls und Ende des Jahres geht „Star Wars“ in die bereits neunte Runde. Zugegeben: Aus der wirtschaftlichen Perspektive ist das schon irgendwie einleuchtend. Die Stoffe sind bekannt und beliebt – warum also nicht fortführen oder wahlweise auf den neuesten Stand der Technik bringen? Doch gerade im Anbetracht des kürzlich über die Bühne gegangenen Fox-Deals (zur Erklärung: das Filmstudio 20th Century Fox gehört seit Ende März ebenfalls zum Mäusekonzern) sollte man schon mal kritisch sein: Geht eine solche Vormachtstellung eines einzelnen, vorwiegend auf Wiederverwertung setzenden Unternehmens nicht zwangsläufig irgendwann auf Kosten der Kreativität? Zugegeben: Jon Favreau („The Jungle Book“) und Tim Burton („Dumbo“) haben bewiesen, wie man einen eigentlich bekannten Stoff auf links drehen kann, wenn einen die Geldgeber soweit möglich von der Leine lassen. Genau das ist bei Guy Ritchie („Codename U.N.C.L.E.“) nicht passiert. Der britische Regisseur mit der energetischen Handschrift hat für seine Neuverfilmung des Zeichentrickfilms von 1992 seinen eigenen Stil nahezu komplett aufgegeben. Dadurch wirkt seine „Aladdin“-Vision tatsächlich nur wie ein öder Neuaufguss, den ausgerechnet Will Smith alias Genie für einige wenige Szenen aus der Lethargie herausholen kann.

Aladdin (Mena Massoud) hat sich in die schöne Prinzessin Jasmin (Naomi Scott) verliebt.

Dabei war sich das Internet nach der Veröffentlichung des ersten „Aladdin“-Trailers noch so sicher, den Machern sei mit der Besetzung Smith‘ als blauer Flaschengeist ein maximaler Besetzungs-GAU unterlaufen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Der zuletzt unter anderem in so unterschiedlichen Filmen wie „Suicide Squad“, „Focus“ und „Erschütternde Wahrheit“ zu sehende Mime beweist in „Aladdin“ einmal mehr, dass er seinen Superstar-Status nicht umsonst trägt. Sein Timing ist perfekt, sein Humor treffsicher und die Interaktion mit Newcomer Mena Massoud wirkt intuitiv und dadurch jederzeit glaubwürdig. Wenngleich er in Flaschengeistgestalt aufgrund der lauen CGI-Effekte nur selten wirklich anwesend wirkt, machen sämtliche Szenen mit ihm großen Spaß – dadurch ist es vor allem der Mittelteil von „Aladdin“, der wenigstens halbwegs Laune bereitet. Halbwegs deshalb, weil die Figur des Genie wie schon im Zeichentrickoriginal bloß eine Randfigur ist. Im Fokus des Films stehen vor allem das Schicksal des rebellischen Straßenjungen Aladdin und die Liebe zur im Palast eingesperrten Prinzessin Jasmin. Mit der Glaubwürdigkeit dessen ist das allerdings so eine Sache. Dass zwischen den beiden Jungdarstellern nämlich wirklich die Funken sprühen, bleibt bis zuletzt bloße Behauptung und auch wenn das Drehbuch von Guy Ritchie und John August („Charlie und die Schokoladenfabrik“) die Hintergründe beider Figuren um einige neue Details ergänzt – Jasmin darf in dieser Version von „Aladdin“ beispielsweise eine klar feministische Position vertreten – wirkt sich das nur selten produktiv auf den Film aus. Stattdessen wirkt vieles verkrampft (wie etwa der Feminismusüberbau) und anderes nur deshalb überhaupt anwesend, damit es den im Original knackige 90 Minuten langen Film hier auf zwei Stunden streckt.

Von solch nuancierten Detailänderungen einmal abgesehen, bleibt „Aladdin“ ansonsten sehr nah an der Originalgeschichte. Teilweise werden Szenenabschnitte sogar nahezu eins zu eins übernommen: So wie ganz am Anfang, als Aladdin zusammen mit seinem Affenfreund Abou auf dem Markt Lebensmittel klaut und schließlich seiner Zukünftigen in die Arme läuft. In diesen Momenten blitzt wenigstens für einen sehr kurzen Moment auf, dass hinter der Kamera Guy Ritchie platzgenommen hat. Doch die vollkommen willkürlich wirkende Nutzung von Zeitraffer und Zeitlupe haben nichts mit der abwechslungsreichen Verwendung aller möglicher Stilmittel zu tun, mit denen der Regisseur seine bisherigen Filme aufgepeppt hat – und seien es nur so banale Dinge wie Splitscreens oder exakt auf den Beat platzierte Kamerawechsel. Nun benötigt es für einen guten Film natürlich nicht zwingend die klar erkennbare Handschrift eines Regisseurs. Doch leider besitzt „Aladdin“ im Endergebnis überhaupt nichts, was man als „Stil“ bezeichnen könnte. Stattdessen wirken die vor maximal billig wirkender (Disneyland-)Kulisse aufgenommenen Szenen, durch die nach Drehschluss scheinbar direkt nochmal durchgefegt wurde, damit auch bloß nirgendwo Staub und Dreck herumliegt, wie starr abgefilmtes Theater. Insbesondere in den Musicalszenen bleibt Kameramann Alan Stewart („Lab Rats“) gern so weit auf Distanz, dass die vorgegaukelte gute Laune den Zuschauer gar nicht erst erreichen kann. Da kann man direkt in der ersten Reihe eines Bühnenstückes Platz nehmen und ist dort vermutlich näher am Geschehen, als hier.

Genie (Will Smith) steht seinem neuen Meister Aladdin bei.

Dieser Eindruck des Lieblosen findet sich auch auf der Tonspur wieder. Der bereits für die Musikstücke des Originals zuständige Alan Menken komponierte auch für das Realfilmremake die Stücke – oder besser: interpretierte sie neu, während er für Jasmin eine Solonummer mit dem Titel „Speachless“ hinzuschrieb. Die Zeitlosigkeit solcher Stücke wie „Arabian Nights“, „Have a little Friend“ und „A Whole New World“ steht zwar außer Frage. Gleichzeitig untergräbt Menken sie durch einen austauschbaren Popbeat, der jedem Lied seinen Zauber raubt und sie alle entsetzlich ähnlich klingen lässt. Da kann auch die eher nach Eurovision Song Contest denn Female Empowerment klingende Ballade „Speachless“ nichts dran ändern, die – wenngleich makellos gesungen von Naomi Scott – vor allem Erinnerungen an „Let it Go“ wachwerden lässt und sich dadurch in erster Linie kalkuliert anfühlt. Der „Power Rangers“-Darstellerin Naomi Scott ist hierfür allerdings kein Vorwurf zu machen. Die 26-jährige Britin steckt sichtbar viel Herzblut in ihre Performance der ikonischen Disneyprinzessin, während Mena Massoud („Run this Town“) insgesamt eher steif wirkt; den verschmitzten Charme des Zeichentrickhelden besitzt er nicht. Trotzdem wirkt er gerade aufgrund seiner anklingenden Unsicherheit wie die Idealbesetzung. Ganz anders sieht das bei Marwan Kenzari („Mord im Orient Express“). Der gebürtige Niederländer ist für einen Superschurken vom Kaliber eines Jafar nämlich nicht bloß viel zu jung, sondern sieht obendrein auch noch viel zu gut aus. Das kann man als Neuninterpretation stehen lassen, oder als den Besetzungs-GAU, für den man anfangs Will Smith hielt…

Fazit: Die Neuverfilmung von „Aladdin“ ist lieb- und lebloses Musicaltheater in dem jeder Song gleich klingt und Settings wie Disneyland-Kulissen aussehen. Ein Glück, dass Will Smith im Mittelteil ein wenig Zeit bekommt, den Film durch seine alleinige Anwesenheit zu retten.

„Aladdin“ ist ab dem 23. Mai bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D.

Ein Kommentar

  • Danke für die Kritik. Genau meine Meinung!
    .. ich würde noch zu den künstlich wirkenden Umgebungen hinzufügen, dass mich auch Licht und Kamera sehr geärgert haben, da gerade die Kamera durch die häufige Entfernung (mit schlechten Ausschnitten/Perspektiven) natürlich nur mit höherer Blende betrieben werden konnte, was mMn zusätzlich künstlich und billig wirkt. Die Immersion wird so komplett zerstört.

Und was sagst Du dazu?