Operation: Overlord

In seinem furiosen Horror-Actioner OPERATION: OVERLORD zeigt Regisseur Julius Avery, wie furchteinflößend Nazi-Zombies sein können, wenn man nur genug Budget zur Verfügung hat. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik zum Film.
Der Plot
Am Vortag des D-Days landet eine amerikanische Soldatentruppe in einem von deutschen Truppen besetzten Dorf in Nordfrankreich. Hier wollen sie den Funkturm sprengen, um den Deutschen die Kommunikation zu erschweren. Dabei treffen sie auf die resolute Chloe (Mathilde Ollivier), die sich gemeinsam mit ihrem Sohn vor den Nazis versteckt. Bei ihrem Versuch, zum Funkturm zu gelangen, stoßen Boyce (Jovan Adepo), Ford (Wyatt Russell) und der Rest des Teams auf ein geheimes, unterirdisches Labor, in dem sich bis zur Unkenntlichkeit entstellte Menschen befinden. Sie erkennen schnell, was dahintersteckt: Die Besatzer führen hier völlig wahnsinnige Experimente an den Dorfbewohnern durch, um aus ihnen Kampfmaschinen zu züchten – denn das 1000-jährige Reich benötigt 1000-jährige Krieger… Die Folgen sind verheerend!
Kritik
Noch bevor der Streamingdienst Netflix Anfang des Jahres in der Super-Bowl-Halbzeitpause verkündete, dass ab sofort der neueste Teil des „Cloverfield“-Franchises zum Abruf bereitsteht, kursierte in den Weiten des Internets das Gerücht, J.J. Abrams bastele an einem Film über Nazi-Zombies, der sich ebenfalls in die lose zusammenhängende Science-Fiction-Reihe einordnen würde. Der Film mit dem Titel „Operation: Overlord“ kommt dieser Tage tatsächlich in die Kinos, mit dem „Cloverfield“-Franchise hat er dagegen nichts zu tun (außer wir haben beim ersten Schauen irgendein spektakuläres Detail übersehen). Dass dieser Gedankengang naheliegt, zeigt aber, dass wir es uns kaum mehr vorstellen können, dass sich ein großes Studio daran wagt, ein eigentlich von Heimkino- und Trashgefilden abonniertes Thema mit großem Budget aufzuziehen, ohne dass irgendein größerer Plan dahintersteckt. Das Ganze erinnert ein wenig an den Hai-Actionfilm „Meg“; auch in diesem Fall versuchte sich eine Major-Produktion daran, den Hai nach seinen zahlreichen Ausflügen in Low-Budget-Gefilde wieder salon- respektive multiplexfähig zu machen – und scheiterte, zumindest aus qualitativer Sicht, spektakulär. „Operation: Overlord“ verhält sich zum Thema Nazi-Zombies nun eher wie das „Evil Dead“-Remake zum „Hütte im Wald“-Thema. Damals musste Fede Alvarez‘ blutiger Horroralbtraum das Publikum verstören, nachdem die Satire „The Cabin in the Woods“ die Regeln des Genres einmal komplett offengelegt hatte. Regisseur Julius Avery („Sun of a Gun“) versorgt nun eben die Thematik Nazi-Zombies mit neuem Blut und holt sie bisweilen sogar aus der Trash-Ecke heraus.

Boyce (Jovan Adepo) entdeckt das unterirdische Labor der Nazis, in dem grauenvolle Experimente gemacht werden.
Es ist schon erstaunlich, wie lange das Skript von Billy Ray („Vor ihren Augen“) und Mark L. Smith („The Revenant – Der Rückkehrer“) einfach nur darauf vertraut, den Schrecken des Krieges für sich stehen und auf den Zuschauer wirken zu lassen. In der ersten Stunde von „Operation: Overlord“ bekommt man von den Nazi-Zombies nämlich erstmal kaum was zu sehen. Stattdessen nehmen sich die Autoren viel Zeit, das später eskalierende Albtraumszenario zu etablieren: Lange Zeit sind es vor allem Dinge wie Tretminen oder die feindlichen Soldaten, die den Puls der auf der Leinwand agierenden Personen sowie des Publikums in die Höhe schnellen lassen – und damit unterscheidet sich „Operation: Overlord“ lange Zeit erstmal gar nicht von anderen Kriegsfilmen; im Gegenteil: Obwohl man weiß, auf was für Abstrusitäten der Film in den kommenden Stunden noch hinsteuern wird, nimmt man die bedrohliche Atmosphäre jederzeit vollkommen unironisch wahr. Das hat in der zweiten Hälfte besondere Auswirkungen auf die Konfrontationen zwischen Soldat und Zombie, denn, seien wir einmal ehrlich, kaum Jemand nimmt Untote im Kontext mit Nazis heutzutage noch als bedrohlich wahr. Dafür haben Produktionen wie „Dead Snow“, „Nazi Zombie Battleground“ oder „Frankensteins Army“ im Alleingang gesorgt, die das Subgenre obendrein für sein permanentes Dasein im Direct-to-DVD-Sektor gebrandmarkt haben. Seine – im wahrsten Sinne des Wortes – Wiederbelebung – gelingt nur mit der notwendigen Ernsthaftigkeit. Und für die sorgt die stilsichere Inszenierung Julius Averys fast im Alleingang!
Nachdem die erste Hälfte glaubhaft das Setting und die Figurenkonstellation etabliert, ist der Sprung in die eskapistische zweite Hälfte so rund, wie es eben geht, wenn man von einem realistischen Kriegsszenario zu einer Actionhorror-Eskalation wechseln muss. Für manche mag dieser Sprung zu spät erfolgen; obwohl die Trailer und das Marketing den Fokus fast ausschließlich auf die Nazi-Zombies legen, geht es erst in den letzten zwanzig Minuten so richtig rund. Doch Julius Avery setzt auf Qualität statt Quantität. Selbst ohne die Untoten explizit zu zeigen, genügen ihm zuvor die markerschütternden Schreie der hinter den Mauern eingesperrten Versuchsobjekte oder die schaurigen Setpieces, um in der Fantasie des Zuschauers Assoziationen hervorzurufen, die (vielleicht?) noch schlimmer sind, als all das, was wir im Finale gezeigt bekommen. Das alles gelingt nur, weil „Operation: Overlord“ aus tricktechnischer Sicht so stark ist, dass man ihm – würde es bei den Oscars auch nur annähernd gerecht zugehen – sämtliche Filmpreise für das beste Setdesign, den besten Ton und, vor allem, für das beste Make Up hinterherschmeißen müsste. Nur svereinzelt schummelt sich digitale Tricktechnik zwischen die handgemachten Schockeffekte, die aus jedem Versuchsobjekt ein einzelnes kleines Meisterwerk des Effekt-Make-Ups und der Kostümierung machen. Hier werden Gesichter in ihre Einzelteile zerlegt, Löcher in Bäuche gebohrt und sich nach wie vor artikulierende Köpfe auf Pfähle gespießt – und das ist nur ein Teil der Auswahl, die wir an monströsen Kreaturen in „Operation: Overlord“ zu sehen bekommen. Kein Wunder: Wenn jeder Mensch trotz nahezu vollkommener Zerstörung weiterleben kann, sehen die unförmigen Gebilde, als die sie sich fortbewegen, umso grauenerregender aus. Und da hier „Klasse statt Masse“ gilt, sieht auch noch jedes einzelne (ehemals menschliche) Wesen auf seine eigene Art und Weise schaurig schön aus.
Auch erzählerisch geschieht auf der großen Leinwand weitaus mehr, als man es einer solchen Prämisse zutrauen würde. Die Figuren sind anders als in ähnlich gelagerten Genrefilmen sich während des Filmes weiterentwickelnde Charaktere, die mehrmals vor moralisch fragwürdige Entscheidungen gestellt werden. Zwar verzichten die Autoren nicht auf die eine oder andere offensichtlich dämliche Handlung, ausgeglichen werden diese allerdings von der betonten Ernsthaftigkeit, mit der Wyatt Russell („22 Jump Street“), Pilou Asbæk („Ghost in the Shell“), Jovan Adepo („Fences“), Mathilde Ollivier („The Misfortunes of François Jane“) und ihre Kollegen hier agieren. Sie alle passen sich ganz dem knallernsten Setting an – und zwar ganz gleich, ob sie irgendwann zu Zombies mutieren, oder nicht. Hier ist weder inszenatorisch, noch darstellerisch Platz für das im Blockbuster Usus gewordene Augenzwinkern, mit dem hin und wieder noch so ernste Szenarien durchbrochen werden. Dass die Geschehnisse in „Operation: Overlord“ Quatsch sind, unterstreicht einzig und allein der exzessive Showdown, in dem die Macher vollständig auf Logik und Nachvollziehbarkeit pfeifen. Das Kamerateam aus Laurie Rose („Free Fire“) und Fabian Wagner („Justice League“) kleidet das Ganze in düstere, apokalyptische Bilder, in denen sich die Gewalteskapaden, die insgesamt noch einen Tick brutaler hätten ausfallen dürfen, abspielen. Die Bedrohung entfaltet sich hier erst recht durch die beklemmende Enge in den zur Forschungsstation umgebauten Katakomben der Kirche, wo hinter jeder Ecke die nächste Horrorentdeckung liegen könnte. Derweil versorgt Komponist Jed Kurzel („Macbeth“) den Film mit einem hämmernden Soundtrack, der das Geschehen gerade in den Actionszenen noch einmal besonders furios vorantreibt.
Fazit: Die erste Hälfte von „Operation: Overlord“ ist ein herber Kriegsthriller, der in der zweiten Hälfte schließlich zur infernalen Nazi-Zombie-Sause mutiert, die trotz ihrer abgehobenen Prämisse immer genau so ernst bleibt, dass die grandios aussehenden Monster eine echte Bedrohlichkeit entfalten.
„Operation: Overlord“ ist ab dem 8. November in den deutschen Kinos zu sehen.