Free Fire

Brutal, witzig, brutal witzig – in FREE FIRE, einer Schießerei in Spielfilmlänge, ist der Name Programm. In einer Hommage an große Vorbilder wie Quentin Tarantino und Robert Rodriguez macht Regisseur Ben Wheatley keine Gefangenen. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Boston in den späten 1970ern: In einer verlassenen Lagerhalle bringt die auf heiße Ware spezialisierte Justine (Brie Larson) die beiden Iren Chris (Cillian Murphy) und Frank (Michael Smiley) mit den zwielichtigen Geschäftsmännern Ord (Armie Hammer) und Vernon (Sharlto Copley) zusammen. Eine große Ladung Waffen soll verkauft werden. Eigentlich ein simpler Deal, der jedoch dank der hitzköpfigen „Profis“ schlagartig ausartet. Die gerade verhandelten Knarren werden sogleich dem blutigen Härtetest unterzogen, sodass sich die leerstehende Halle in eine bedrohliche Kampfarena verwandelt und ein gnadenloser Shootout um Leben und Tod beginnt…
Kritik
Am Ende konnte Regisseur Ben Wheatley („High-Rise“) sogar Altmeister Martin Scorsese („Silence“) von seiner Idee begeistern: Eine eineinhalbstündige Schießerei sollte es werden, dieser „Free Fire“ – eine mit viel schwarzem Humor gewürzte Actionkomödie, die anders als das Gros an Hollywood-Actionern die realistischen Umstände eines solchen Ereignisses berücksichtigen sollte. Genau so ein Film ist das hierzulande großzügig ab 16 Jahren freigegebene Starvehikel nun auch geworden. Mit Anleihen an Vorbilder wie Quentin Tarantino und Robert Rodriguez, sowie Filme wie „Wild Bunch“ oder „Pat Garrett jagt Billy the Kid“, die Wheatley immer wieder als Inspiration für sein Projekt erwähnt, kreiert der 44-jährige Brite einen in den späten Siebzigerjahren angesiedelten Shootout, in welchem Menschen eben nicht sofort sterben, oft daneben geballert wird und es tatsächlich richtig wehtut, wenn die Kugeln den eigenen Körper durchbohren. Von Political Correctness nicht die Spur – „Free Fire“ ist ein reichlich abgefucktes Stück Gangsterkino, das ohne aufgezwungen danach zu schielen, endlich mal wieder echtes Kultpotenzial aufweist. Damit gelingt den Machern tatsächlich ein Film, den man so bislang noch nicht gesehen hat, denn die Grenzen des modernen Unterhaltungskinos überschreiten Wheatley und seine Darsteller immer wieder mit Wonne, wenn es darum geht, die Geschichte in unvorhersehbare Bahnen zu lenken.
Die Idee zu einem Film wie „Free Fire“ kam Ben Wheatley beim Studium eines Polizeiprotokolls zu einer Schießerei, die sich vor einigen Jahren in Miami abspielte. Penibel genau wurde hier niedergeschrieben, welche Verletzungen bei welchem Waffengebrauch zu erwarten seien, Flugeigenschaften der Geschosse wurden dokumentiert, genauso wie die Fähigkeit Normalsterblicher, mit Handfeuerwaffen umzugehen – es ist nämlich beileibe nicht jeder ein geborener Schütze, auch wenn uns das Hollywood immer wieder weismachen will. Mit dieser Inspiration im Hinterkopf konzipierte Ben Wheatley gemeinsam mit Co-Autorin Amy Jump (schrieb mit ihrem Kollegen auch schon das Skript zu „High-Rise“) das Drehbuch zu „Free Fire“, das erzählerisch erwartungsgemäß nicht allzu viel zu bieten hat. Die Handlung spielt sich zum Großteil in der dreckigen, verwinkelten, mit allerlei Krimskrams ausgestatteten Lagerhalle ab; Und von wesentlich mehr als der Idee, dass sich die Figuren nach und nach mithilfe ihrer Knarren gegenseitig dezimieren, handelt „Free Fire“ dann auch nicht. Das geht sogar so weit, dass nach einer Weile nicht einmal mehr ersichtlich ist, wer hier überhaupt auf wessen Seite steht – eine Folge der vorab durchaus gewollten Unübersichtlichkeit innerhalb der Charakteretablierung, mit der die Figuren wenig später jedoch selbst kokettieren, wenn sie feststellen, dass die Teams ja schon ziemlich willkürlich eingeteilt wurden.
Obwohl „Free Fire“ genüsslich die Prämisse der neunzigminütigen Ballerei zelebriert, ist Ben Wheatley doch sehr daran gelegen, nicht einfach nur eine einzige Actionszene zu inszenieren. Zeit zum Luftholen bietet der Film allemal, denn neben den kreativen Arten, Menschen mithilfe von Gewehr- und Pistolenkugeln zu verletzen, liegt der Fokus in „Free Fire“ nicht weniger auf der verbalen Interaktion unter den Darstellern. Die Dialoge gestalten sich gewiss nicht sonderlich tiefschürfend; auf die ganz großen philosophischen Erkenntnisse muss der Zuschauer demnach verzichten. Doch nicht bloß die vielfältigen Möglichkeiten, einander zu beleidigen, machen ziemlich schnell ziemlich gute Laune, auch das Bemühen um nüchterne Selbstreflektion gestaltet sich in „Free Fire“ äußerst amüsant. Ohne die Dialoge mit Absicht auf Kult zu bürsten, erhält jede Figur im Laufe des Films mindestens einen zitierfähigen One-Liner – und mit Blick auf die mit Absicht äußerst spleenig und abgedreht gezeichneten, nah an der Karikatur befindlichen Charaktere wirken diese geistigen Ergüsse dann noch nicht mal gewollt cool, sondern irgendwie ganz schön realitätsnah. Tatsächlich scheint das Szenario in „Free Fire“ mit der Zeit immer weniger abgehoben, denn spätestens, wenn die Figuren selbst erkennen, in was für eine bescheuerte Lage diese sich hier hineinmanövriert haben, muss man doch anerkennen, mit wie viel Liebe zum (realistischen!) Detail Ben Wheatley hier bei aller Abgedrehtheit vorgegangen ist. Ein solcher Clash unterschiedlicher Tonfälle und Ansätze muss einem erstmal gelingen.
Die offensichtlichen Eigenheiten der Figuren müssen dann allerdings ausreichen, um die Charaktere zu definieren. Eine ausführliche Backgroundstory, geschweige denn überhaupt irgendeine Art von Hintergrundinformationen, erhält der Zuschauer zu keiner von ihnen. Stattdessen definieren sich Brie Larson („Raum“), Armie Hammer („Nocturnal Animals“), Cillian Murphy („Im Herzen der See“), Sam Riley („Stolz und Vorurteil & Zombies“), Michael Smiley („Rogue One: A Star Wars Story“) und Co. durch das, was sie auf der Leinwand tun (und auch, was sie anhaben – Siebzigerjahre-Klamotte aus der Hölle lässt grüßen!). Beim ohnehin sehr minimalistischen Konzept von „Free Fire“ genügt das; schließlich entsteht der Reiz des Films zum Großteil aus der flott-kernigen, kompromisslosen und eben auch sehr zügigen, schnörkellosen Inszenierung. Liebhaber klassischen Erzählkinos kommen hier weniger auf ihre Kosten. Dafür wird „Free Fire“ auch auf visueller Ebene zu einem echten Erlebnis: Nicht nur die Kulisse der Lagerhalle weiß Kameramann Laurie Rose („High-Rise“) perfekt für sich zu nutzen, indem er mithilfe fiebriger Bilder ein hochexplosives Kammerspiel auf die Leinwand zaubert. Die hierbei geschaffene Übersicht ist auch bitter vonnöten, denn insgesamt wurden in „Free Fire“ satte 6.000 Schuss Munition verballert – wir möchten nicht so weit gehen, zu sagen, man würde tatsächlich jede einzelne der Kugeln hier zu Gesicht bekommen, doch ein Gespür für die abnorm hohe Anzahl entsteht definitiv.
Fazit: Brutal, witzig – brutal witzig: Ben Wheatley hat mit dem von schillernden Charakteren zum Leben erweckten „Free Fire“ einen eineinhalbstündigen Shootout konzipiert, der so dreckig und realistisch daherkommt, dass wir es einem Film tatsächlich mal wieder zutrauen, in ein paar Jahren Kult zu sein.
„Free Fire“ ist ab dem 6. April in den deutschen Kinos zu sehen.
Ich fand den Film wider Erwarten dann doch weniger gut als gedacht. Die Dauer-Coolness wirkte zu gewollte und auch die Action hätte ich mir innovativer und mutiger erhofft.
Aber wie du schriebst, ein gewisses Kultpotenzial ist dem Film nicht abzusprechen.
Ich muss auch gestehen, dass es kein Film ist, den ich mir persönlich noch ein zweites Mal angucken würde, da ein großer Reiz daher entsteht, dass man nicht absehen kann, in welche Richtung das Szenario geht. Ich finde ihn aber zum einen handwerklich richtig stark und zum Anderen ist er aufgrund seines minimalistischen Konzepts einfach allein stehend im Actionkino derzeit. Mir fällt spontan kein Film ein, der in jüngerer Zeit „so ist wie ‚Free Fire'“ und das heißt heutzutage schon wirklich was.
Danke für deinen Beitrag und liebe Grüße
Antje