Fifty Shades of Grey

Da ist er also: der Skandalfilm des Jahres! Die Romanverfilmung FIFTY SHADES OF GREY soll, so die PR-Maschinerie, die seit mehreren Monaten auf Hochtouren läuft, den Erotikfilm (wieder?) salonfähig machen. Schade nur, dass man es bei der SM-Romanze nicht etwa mit der Renaissance des Softcore-Genres zu tun bekommt, sondern mit einer weitestgehend harmlosen Romanze, die einmal mehr beweist: nicht jeder Skandal ist seines Hypes wert. Mehr zum Film in meiner Kritik.Fifity Shades of Grey

Der Plot

Als ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Kate (Eloise Mumford) wegen einer Grippe ausfällt, fasst sich die zurückhaltende Studentin Anastasia Steele (Dakota Johnson) ein Herz und fährt selbst zum Interview mit dem Multimilliardär Christian Grey (Jamie Dornan), den es für die Studentenzeitung auszuhorchen gilt. Das erste Aufeinandertreffen der beiden ist von einer merkwürdigen Atmosphäre aus Anziehung und Zurückhaltung geprägt, doch für Anastasia steht eines fest: Christian könnte der Mann ihrer Träume sein. In den nächsten Tagen treffen die zwei immer wieder zufällig aufeinander und aus den vollkommen unterschiedlichen Menschen wird ein Paar. Doch Christian verbindet mit einer zwischenmenschlichen Beziehung mehr als Liebe und Vertrauen: Mit einem mehrseitigen Vertrag, der Anastasia zu völliger Unterwerfung zwingt, folgt für die Frau leidenschaftlicher Sex und ein gefährliches Spiel mit der gegenseitigen Abhängigkeit…

Kritik

Um es an dieser Stelle bereits vorweg zu nehmen: Ganz gleich, in welches Fazit diese Kritik auch münden mag und ungeachtet diverser Debatten und Diskussionen, die sich schon zu den Roman-Zeiten um „Fifty Shades of Grey“ rankten und solche Thematiken wie die Propaganda häuslicher Gewalt sowie sexueller Unterdrückung unter dem Deckmantel von BDSM-Sex aufgriffen, gibt es zwei indiskutable Fakten, die sich im Zusammenhang mit der Buchvorlage auf Biegen und Brechen nicht von der Hand weisen lassen: Da wäre zum einen die hundsmiserable Qualität, mit welcher Autorin E.L. James ihre geistigen Ergüsse einst zu Papier brachte, zum anderen dieser unverschämte Erfolg, mit welchem sich alle drei Bände der einst als „Twilight“-Fanfiction gestarteten Romanreihe rund um den Globus verkauften. Der zu Beginn ausschließlich als E-Book erhältliche, erste Band der insgesamt drei Teile umfassenden „Shades“-Reihe überholte gar „Harry Potter“ als das am häufigsten verkaufte Buch der Welt – wenn auch nur in digitaler Form. Nun kommt dieser geborene Medienhype also ins Kino und schon seit Monaten, genauer, seit Hollywoodgigant Universal Pictures bekannt gab, sich die Medienrechte an E.L. James‘ Gelddruckmaschine gesichert zu haben, kennt das weibliche Erotikfilmpublikum kein anderes Thema mehr, als den bevorstehenden Kinostart dieses nur allzu kalkulierten Skandalstreifens. Die Wahl der Regisseurin Sam Taylor-Johnson, deren erster Langfilm, das John-Lennon-Biopic „Nowhere Boy“ durchaus zu beeindrucken wusste, ließ dabei schon einmal ein wenig Optimismus aufkommen. Immerhin ist die 47-jährige Schauspielerin, deren Ehemann Aaron-Taylor Johnson ganze 16 Jahre jünger ist, den Skandal selbst am eigenen Leib gewohnt. Doch das, was die Filmemacherin in Interviews offen zugab, ist dem Endergebnis anzumerken. Mit dem, was E.L. James selbst als „Vision“, jeder Außenstehende jedoch als Größenwahn bezeichnet, nimmt sie „Fifty Shades of Grey“ jegliche Möglichkeiten der Entfaltung. In manchen Momenten blitzt zwar Johnsons guter Wille durch, dem Literaturschund das Optimum an Tiefe abzugewinnen, doch wie auf Blockbuster-Kino kalkuliert springt ihr die Autorin immer wieder mitten rein in die Bresche, damit der Streifen bloß nicht mehr wird, als banaler Hollywood-Erotikkitsch.

Dakota Johnson

Dakota Johnson spielt Anastasia Steele

Dass Regisseurin Taylor-Johnson dem Stoff gern ein wenig mehr abgewonnen hätte, als die angeblich so leidenschaftliche Liebesgeschichte, wird deutlich, wenn man sich die letzten zwanzig Minuten ihres Werkes anschaut; das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit (beziehungsweise seit knapp eindreiviertel Stunden Filmlauflänge) beginnt Anastasia, über die von ihr selbst gewählte Lebenssituation nachzudenken. Seit Wochen befindet sich die zurückhaltende Studienabsolventin in massiver Abhängigkeit zu einem Mann, in den sie – aus welchen Gründen auch immer – unsterblich verliebt ist, der sie wiederum jedoch nur dann mit Zuneigung belohnt, wenn sie sich ihm sexuell und emotional vollkommen unterwirft. Anastasias Mutter stellt ihrer Tochter am Telefon die banale Frage, ob ihr Freund Ana denn glücklich machen würde; dem sensiblen Spiel Dakota Johnsons („21 Jump Street“) ist es zu verdanken, dass wir plötzlich die ganze Bandbreite an Verzweiflung im Gesicht der hübschen Aktrice zu Gesicht bekommen. Fortan wird Anastasia nicht mehr dieselbe sein und ihrem vermeintlichen Partner selbstbewusst entgegen treten. Diese Szene verhilft „Fifty Shades of Grey“ ad hoc zu einer dramaturgischen Tiefe, die der Streifen in den Stunden davor hat auf Extremste vermissen lassen. Mehr noch: Sicher ist es auch der Romanvorlage geschuldet, doch Taylor-Johnson scheint sich vollkommen blauäugig auf eine Grundidee gestürzt zu haben, die alles ist, aber auf keinen Fall blockbustertauglich. Wenngleich sich die weltweite Presse in den letzten Wochen mit solchen Meldungen überschlagen hat, dass der Erotikfilm endlich wieder salonfähig werde und eine breite Masse an Multiplex-Kinogängern sicher nicht gewillt ist, über die Brisanz in der Geschichte auch nur ansatzweise nachzudenken, so ist „Fifty Shades of Grey“ eigentlich ein waschechtes Drama, das seine Herkunft mithilfe stupider Blockbuster-Mechanismen verschleiert.

Für einen Erotikfilm ist "Fifty Shades of Grey" überraschend züchtig.

Für einen Erotikfilm ist „Fifty Shades of Grey“ überraschend züchtig.

Bis Anastasia nämlich zu dem Punkt der Selbsterkenntnis gerät, dauert es geschlagene 100 Minuten, die dem Zuschauer dieses Szenario als sexuell spannende Lovestory verkaufen wollen. Dabei benötigt es für eine Liebesgeschichte, und sei sie noch so banal, vor allem eines: Gefühl. Dieses fehlt in „Fifty Shades of Grey“ jedoch völlig. Jamie Dornan („Marie Antoinette“), der als Christian Grey ordentlich funktioniert, aber nie mehr spielt, als es die Szenerie verlangt, agiert derart kühl und arrogant, dass sich die Schwärmerei seitens Ana auch dann nicht erklären lässt, wenn man gerade diese unnahbare Ausstrahlung Greys als Anziehungskraft verbucht. Selbst wenn beide schon längst ein Paar sind, fehlt es ihnen am notwendigen Knistern, geschweige denn an greifbaren Emotionen, um „Fifty Shades of Grey“ so zu gestalten, wie es offenbar viele Millionen Frauen beim Lesen der Story als so erotisch empfanden. Womit wir auch bereits bei dem Thema wären, das vor Filmstart wohl so ziemlich die größte Aufmerksamkeit auf sich zog: Wie nackt ist „Fifty Shades of Grey“? Erwartungsgemäß ist auch dieser von vorn bis hinten auf Kalkül ausgelegte Streifen seinen Skandal nicht wert. Wer im vergangenen Jahr in den Genuss von Lars von Triers Drama-Epos „Nymph()maniac“ kam, der dürfte angesichts des geleckten Hochglanzlooks in „Fifty Shades of Grey“ nur müde lächeln. In manchen Szenen ist das Erotikdrama tatsächlich sehr sinnlich inszeniert, denn Kameramann Seamus McGarvey („Godzilla“) gibt sich sichtlich Mühe, seine Protagonisten ansehnlich in Szene zu setzen. Den Status als Erotikfilm hat sich „Shades“ jedoch schon deshalb nicht verdient, da die Kamera in den entscheidenden Momenten ohnehin wegschwenkt und das offensivste Leinwandbild aus einer erigierten Brustwarze samt eine diese berührende Reitgerte besteht.

„Fifty Shades of Grey“ ist erotisch aufgeladenes Hollywoodkino für die Masse, das seine Zuschauer vor allem über die Neugier sowie die Blauäugigkeit der Leser erzielen wird. Mehr noch als das Buch skizziert das Skript (Kelly Marcel, „Saving Mr. Banks“) Szenen, in denen die inhaltliche Fragwürdigkeit ein überdeutliches Stirnrunzeln bei all jenen Zuschauern hinterlassen sollte, die sich von ihrem Kinoprogramm ein wenig mehr erhoffen als zwanzig Minuten Fesselsex. Während der Roman vorgibt, Ana verfalle ihrem Mr. Nicht-ganz-so-Right aufgrund dessen Ausstrahlung, die sie zwar einerseits dominieren wolle, sie jedoch nicht minder selbst anziehend findet, so kommt in der Filmvariante einzig der Gesichtspunkt der Unterdrückung zum Tragen. Grey ignoriert es, dass seine Freundin seinen fragwürdigen Vertrag noch nicht unterschrieben hat und bemächtigt sich auf eigene Faust an der jungen Frau; immer unter dem Vorwand, sie mit der neuen Welt vertraut machen zu wollen. Das mag in einer Einzelsequenz vielleicht noch funktionieren, da „Fifty Shades of Grey“ in diversen Szenen ohnehin an eine Eigenparodie erinnert. Doch in der hier dargebrachten Masse werden die vorab meist als „übertrieben“ abgetanen Stimmen zum Thema Gewalt-Propaganda immer lauter, bis man sich schließlich zwangsläufig fragen muss, wie romanzentauglich die ganze Thematik bei solchen Szenerien eigentlich noch ist. Taylor-Johnson schafft es erst gen Ende, diesen ernsten Grundton ihren Film dominieren zu lassen. Bis dahin wird ihr Film immer wieder von Momenten gebrochen, in welchen Ana plötzlich als absolut doofes, weltfremdes und naives Mädchen dargestellt wird, das sich der blinden Verliebtheit wegen selbst verleugnet; dass selbst die Buchvorlage mehr Anspruch an ihre Figuren hat, steht außer Frage.

Jamie Dornan ist Christian Grey, dessen sexuelle Vorlieben offenbar etwas mit seiner Vergangenheit zu tun haben...

Jamie Dornan ist Christian Grey, dessen sexuelle Vorlieben offenbar etwas mit seiner Vergangenheit zu tun haben…

Unabhängig von inhaltlichen Logiklöchern, wie etwa der Frage, weshalb ein Multimilliardär ohne Aufsicht in den Baumarkt geht, auf der Straße nicht erkannt wird, oder woher die eigenen Angaben zufolge komplett ohne zwischenmenschliche Erfahrung ausgestattete Anastasia Standardtänze aus dem Effeff beherrscht, ist „Fifty Shades of Grey“ über seine komplette Laufzeit überraschend humoristisch geraten. Wenngleich es fraglich ist, welche Pointen bewusst und welche ungewollt funktionieren, beziehungsweise lediglich aus der Fremdscham ob der schwachen Texte resultieren, gestaltet sich der erwartungsgemäß sehr hochwertig produzierte Film zu keinem Zeitpunkt langatmig. Die Leinwandgeschehnisse folgen einer strikten Dynamik, die von einem interessanten, wenn auch nicht minder kalkulierten Soundtrack unterstrichen wird. Dass man sogar in Trailern mit den Songs von RnB-Star Beyoncé warb, die in „Fifty Shades of Grey“ einen neuen Song sowie eine abgewandelte Form ihres Megahits „Crazy in Love“ präsentiert, ist schon ein fragwürdiger Marketingschachzug, um die PR-Maschinerie auf möglichst vielen Ebenen am Laufen zu halten. Die Compilation, welche die Macher hier auffahren, ist zwar weitaus zurückhaltender als es zum Beispiel in den musikgetränkten Til-Schweiger-Filmen der Fall ist, der ganz große Ohrwurm fehlt jedoch.

Fazit: Erstaunlicherweise hat „Fifty Shades of Grey“ dramaturgisch tiefsinnige Ansätze, doch diese verpuffen im Angesicht eines Erotikmärchens, das in seiner Naivität verärgert und sich in ungewollt selbstparodistischen Szenen eigenständig der Lächerlichkeit preisgibt.

„Fifty Shades of Grey“ ist ab sofort bundesweit in den Kinos zu sehen!

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