Boss Level

Ein bisschen „Guns Akimbo“, eine kleine Prise „Deadpool“ und ein guter Schuss „… und täglich grüßt das Murmeltier“ – Joe Carnahans hierzulande lediglich fürs Heimkino erscheinender Actionfilm BOSS LEVEL zehrt von vielen bekannten Ideen, ohne eigene zu haben. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Das ehemalige Delta Force Mitglied Roy Pulver (Frank Grillo) hat ein großes Problem – er hängt in einer Zeitschleife fest: Jeden Tag wird er auf eine andere Art und Weise von Attentätern ermordet. Manchmal wird er erschossen, in die Luft gesprengt, geköpft oder erstochen und dann beginnt derselbe Tag wieder von vorne. Als Roy Hinweise auf ein geheimes Regierungsprojekt entdeckt, das seinen Tod aufklären könnte, beginnt ein Rennen gegen die Zeit, bei dem er nicht nur den Kopf des Geheimprogramms, den mächtigen Colonel Ventor (Mel Gibson), finden und den Killern auf seinen Fersen entkommen, sondern auch seine Familie retten muss, damit es ein Morgen für ihn geben kann…
Kritik
Es lässt sich heute wohl kaum mehr genau beziffern, in welchem Jahr Hollywood die seit Harold Ramis‘ „… und täglich grüßt das Murmeltier“ altbekannte Prämisse von der Zeitschleife, in der ein oder mehrere Menschen unfreiwillig gefangen sind und wieder aus ihr heraus finden müssen, wieder für sich entdeckte. Fakt ist, dass in den vergangenen Jahren keines verging, ohne dass sich nicht mindestens eine weitere filmschaffende Persönlichkeit daran versuchte, dieser Idee frischen Wind zu verpassen. Festivallieblinge wie „Palm Springs“ etwa beweisen, dass es in dieser längst zum Subgenre avancierten Filmgattung noch immer genug Möglichkeiten gibt, um ihr seinen eigenen Stempel aufzudrücken; Und Beiträge wie „Love Wedding Repeat“, dass es so einfach dann eben doch nicht ist. Während wir an dieser Stelle rasch noch den Amazon-Prime-Geheimtipp „Sechzehn Stunden Ewigkeit“ als wohl aktuellsten Zeitschleifen-Vertreter empfehlen möchten, ergänzt Regisseur Joe Carnahan („The Grey – Unter Wölfen“) die Prämisse um einen absolut naheliegenden Plot: die Welt der Videospiele, in der einem ein wiederholtes „Game Over“ in einem besonders kniffeligen Abschnitt schon mal wie eine Zeitschleife vorkommen kann. Doch obwohl sein neuester Film auf den Titel „Boss Level“ hört und Einiges seiner audiovisuellen Aufmachung – von der Art, wie hier einige der Kampfszenen inszeniert sind bis hin zu den Einblendungen, den wievielten Überlebensversuch der Protagonist gerade startet – überdeutlich an eine Videospielewelt erinnert, ist dieser stilistische Schwerpunkt eine Mogelpackung. Querverweise auf diverse Gaming-Spleens und -Figuren gibt es zwar, aber am Ende ist „Boss Level“ einfach nur ein weiterer „Actionfilm mit Zeitschleife“.
Und noch dazu einer, der sich einen Großteil seiner Ideen munter aus anderen Filmen ähnlicher Couleur zusammensucht. Der hünenhafte Frank Grillo („Avengers: Endgame“) verkörpert die Hauptfigur Roy Pulver als von der ständigen Wiederholung doch mittlerweile arg genervte, sämtliche Vorkommnisse mit einem (pseudo-)cool-süffisanten Voice-Over kommentierende „Deadpool“-Inkarnation. Sogar die deutsche Synchronstimme ist identisch. Zu Beginn von „Boss Level“ weiß dieser Ansatz noch zu gefallen. In vielen Zeitschleife-Filmen gehören jene Szenen zu den humoristischen Highlights, in denen sich bei den in der Zeit festhängenden Menschen die Monotonie breitmacht und daraufhin entweder die Rebellion oder aber die blanke Resignation folgt. „Boss Level“ ist zwar auch nicht der erste Film, der direkt mit einem derartigen Akt der Trotzigkeit eröffnet („Sechzehn Stunden Ewigkeit“ etwa funktionierte hier eingangs nach demselben Prinzip), aber er beginnt dadurch definitiv mit einem Highlight; Wenn Roy Pulver entnervt sämtliche tötungswütigen Gegner ausschaltet und kein noch so brutaler Mord seinen Adrenalinspiegel in die Höhe schnellen lässt, einfach weil er all das hier ja schon über 100 Mal durchlebt hat, begegnet man Roy auf Anhieb mit Mitleid. Doch Pulvers gelangweilte Attitüde schlägt irgendwann ins Gegenteil um, wenn die betonte Ironie nicht mehr die eigentliche Hilflosigkeit zu kaschieren versucht, sondern sich langsam abzeichnet, dass dieser Roy Pulver abseits seines In-einer-Zeitschleife-Feststeckens keinerlei relevante Charakterisierung besitzt.
„Pulvers gelangweilte Attitüde schlägt irgendwann ins Gegenteil um, wenn die betonte Ironie nicht mehr die eigentliche Hilflosigkeit zu kaschieren versucht, sondern sich langsam abzeichnet, dass dieser Roy Pulver abseits seines In-einer-Zeitschleife-Feststeckens keinerlei relevante Charakterisierung besitzt.“
So stapft Roy im weiteren Verlauf von einer plakativen Szene zur nächsten, wenn er erstmals seit langer Zeit wieder auf seinen entfremdeten Sohn trifft, sich mit seiner zerstrittenen Frau aussöhnt und so zwischen den zahlreichen, mitunter arg brutal inszenierten Actionszenen eine Standard-Läuterung erfährt. Dass das von Joe Carnahan sowie von den Brüdern Eddie und Chris Borey („Open Grave“) verfasste Skript immer nur die Hintergrundinformationen über die Nebencharaktere offenbart, die für den Fortverlauf der Geschichte gerade relevant sind, bewahrt den Film zwar vor Leerstellen (im Klartext: „Boss Level“ legt in seinen 94 Minuten ein ungeheures Erzähltempo an den Tag), verhindert aber auch, dass einen die Geschehnisse in irgendeiner Form emotional berühren. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, Roy Pulvers Umfeld auch nur einen Hauch tiefgründiger zu zeichnen. Erst recht, da „Boss Level“ mit Rückblenden ohnehin nicht geizt. Doch zu Gunsten eines (leider gar nicht mal so überraschenden) Twists umschifft Joe Carnahan Teile der Story einfach ein wenig zu groß. Und so ist der Plot von „Boss Level“ in erster Linie zweckdienlich, eröffnet einem aber weder die Möglichkeit, mit den Figuren mitzufiebern noch sich anderweitig emotional an das Geschehen zu binden.
Nun haben High-Concept-Actionfilme, wie auch „Boss Level“ einer ist, ihre Stärken in der Regel anderswo als in der detaillierten Ausarbeitung ihrer Charaktere. Doch dort wo Filme wie „Guns Akimbo“ durch ihre Gaga-Prämisse „Was wäre, wenn die Waffen eines Mannes direkt mit seinem Körper verwachsen wären?“, die „John Wicks“ dieser Welt dank ihrer herausragenden Kampfchoreographien oder ein „Edge of Tomorrow“ aufgrund seines gut durchdachten, innerlich kohärenten Skripts überzeugen konnten, hat „Boss Level“ von allem ein bisschen und nichts so ganz. Kameramann Juan Miguel Azpiroz („The Gunman“) sorgt auch in den hektischsten Momenten für angenehme Übersicht, ästhetisch stechen die Nahkampfchoreographien allerdings nicht hervor. Das gilt auch für den Look im Gesamten, der in erster Linie durch seine leblose Blässe auffällt. Die neongrünen Texttafeln, die das Publikum über die Anzahl bisheriger Überlebensversuche auf dem Laufenden halten, wirken wie Fremdkörper, denn mit Ausnahme einiger First-Person-Kamerafahrten hat die kreative Ausgestaltung von „Boss Level“ nichts mit den audiovisuellen Spielereien moderner Videogames zu tun. Und Running Gags wie diese, in der eine Figur nach jedem Kill exakt denselben Satz sagt, sind leider Mangelware. Wenn dann allerdings sogar in Dialogen direkt auf bekannte Spieleklassiker verwiesen wird, wird man das Gefühl nicht los, „Boss Level“ sollte ursprünglich vollständig in einer Computerwelt spielen. So aber weiß man bis zum Schluss nie so ganz um die Art und damit einhergehend um die Regeln dieser Welt.
„Die neongrünen Texttafeln, die das Publikum über die Anzahl bisheriger Überlebensversuche auf dem Laufenden halten, wirken wie Fremdkörper, denn mit Ausnahme einiger First-Person-Kamerafahrten hat die kreative Ausgestaltung von „Boss Level“ nichts mit den audiovisuellen Spielereien moderner Videogames zu tun.“
Dasselbe gilt auch für die innere Kohärenz die Zeitschleife betreffend. Während sicher jede filmliebhabende Person ihre eigenen Präferenzen im Hinblick auf Zeitreise- und Zeitschleifenlogiken hat, fallen die guten Filme dieses Genres vor allem dadurch auf, dass die Macher:innen die Regeln ihrer eigenen Welt verinnerlicht haben. In „Boss Level“ bleiben derweil in einigen wichtigen Momenten Leerstellen zurück oder Figuren handeln direkt vollkommen widersinnig, weil eine logische Reaktion auf ein Ereignis den Film vermutlich zu sehr ausbremsen würde. Das zu kompensieren, indem Figuren wie die von Naomi Watts („Schloss aus Glas“) verkörperte Jenna unnötig zur Geheimniskrämerin gemacht werden, obwohl man ihr Anliegen von der ersten Sekunde an durchschaut, kann die Spannung da nur bedingt aufrechterhalten. Immerhin Frank Grillo bleibt selbst im Angesicht des von Mel Gibson („Daddy’s Home 2“) verkörperten, bärtigen Superschurken standfest. Und auch das offene Ende tut dem Film besser als viele Skriptentscheidungen der diesem vorausgegangenen 90 Minuten.
Fazit: Wenn „Boss Level“ nicht gerade auf solidem Niveau die Ideen diverser anderer Filme aufkocht, hat diese Variation des Zeitschleife-Films leider außer einem engagierten Frank Grillo wenig Reizvolles zu bieten. Und der Gaming-Überbau irritiert mehr als dass er nützt – weiß man so doch lange Zeit nicht, in was für einer Welt wir uns hier eigentlich befinden sollen.
„Boss Level“ ist ab dem 23. April auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich.