Fear of Rain

Eine 17-Jährige mit Schizophrenie findet einen neuen Vertrauten – und entwickelt Angst vor ihrer Nachbarin. Wie das hierzulande direkt auf DVD, Blu-ray und VOD erscheinende Thrillerdrama FEAR OF RAIN mit diesem Stoff umgeht, das verraten wir in unserer Kritik.

OT: Fear of Rain (USA 2021)

Der Plot

Die 17-jährige Schülerin Rain Burroughs (Madison Iseman) leidet an Schizophrenie und verbrachte aufgrund sie lähmender Halluzinationen einige Zeit im Krankenhaus. Nun geht sie wieder zur Schule, und wird von allen aufgrund Vorurteile bezüglich ihrer psychischen Verfassung ausgegrenzt. Ihre ehemals beste Freundin erlebt derweil einen Popularitätsschub, weil alle von ihr die heißesten Lästeranekdoten über Rain hören wollen. Einzig der Neue an der Schule ist nett zu ihr – was Rain stutzig macht. Ist  Caleb (Israel Broussard) real oder Einbildung? Während Rain sich mit dieser Frage plagt, macht sie zudem ihren Eltern (Katherine Heigl und Harry Connick Jr.) Sorgen, weil sie vehement behauptet, ihre neue Nachbarin habe ein Kind entführt…

Kritik

Es gibt Filme, bei denen ist der Konsens laut und deutlich. Sias „Music“ etwa, bei dem sich die überwältigende Mehrheit einig ist, dass seine Darstellung von Autismus klischeehaft, widerlich-geringschätzend und bis zur Boshaftigkeit ignorant ist. Bei anderen Filmen, die eine besondere Kondition skizzieren, scheiden sich derweil die Geister. „Fear of Rain“ gehört dazu. Während David Robb im ‚Slant Magazine‘ schreibt, dieser Direct-to-DVD-Titel „stelle psychische Erkrankungen mit der Differenziertheit und Einsicht eines Jared Leto in ‚Suicide Squad‘ dar“, befindet Filmkritikveteran Dennis Schwartz, der Film „behandle Schizophrenie sensibel“. So zieht es sich durch den Kritikenspiegel für „Fear of Rain“: Für jedes Urteil wie das von Shannon McGrew bei ‚Nightmarish Conjurings‘ (die lobt, der Thriller biete „Einsicht ins Thema psychischer Erkrankungen, wie man sie selten im Kino erlebt“) oder von Jeffrey M. Anderson bei ‚Common Sense Media‘ („eine bedachtvolle, empathische Darstellung der Protagonistin und ihrer Erkrankung“) finden sich auch negative Einschätzungen wie die von Dennis Harvey von ‚Variety‘ („nicht gerade die einfühlsamste Thematisierung psychischer Krankheiten“).

Auch in der Schule sieht sich Rain (Madison Iseman) immer häufiger  ihren Ängsten ausgesetzt.

Falls ihr also bei Filmen über Schizophrenie großen Wert darauf legt, wie respektvoll die Filmschaffenden mit dem Thema umgehen, können wir an dieser Stelle leider nicht guten Gewissens eine Einschätzung abgeben, ob ihr „Fear of Rain“ in den falschen Hals bekommen werdet oder nicht. Dafür sehen ihn zu viele Leute zu unterschiedlich. Was wir aber mit Überzeugung über dieses Thrillerdrama festhalten wollen: „Fear of Rain“ ist ein willkommenes Starvehikel für Madison Iseman. Die Mimin dürfte vornehmlich für „Gänsehaut 2: Gruseliges Halloween“ und die zwei jüngsten „Jumanji“-Filme bekannt sein, in denen sie ja nicht sonderlich viel zu tun bekam. In der Titelrolle von „Fear of Rain“ wiederum hinterlässt die Kalifornierin Eindruck: Obwohl sie Rain in einer Lebensphase spielt, in der die Schülerin große Probleme im Umgang mit ihrer Schizophrenie hat, definiert Iseman die junge Frau nicht dadurch. Sie spielt Rain als empathische Außenseiterin, die aufgrund ihrer pubertären Selbstzweifel nicht weiß, ob sie ihrem Rapport mit dem Neuen an der Schule vertrauen soll, oder ihre Dynamik zueinander zu perfekt ist, um diesen potenziell romantischen Aussichten Glauben zu schenken. Rains Schizophrenie ist nicht das Fundament dessen, wie Iseman sie spielt; sie kommt hinzu – mit schmerzhaften Schüben und als über ihr schwebendes Damoklesschwert, wenn Rain sie gerade besser im Griff hat. Iseman macht dieses Ringen mit der Schizophrenie und das Rain noch stärker herunterziehende Bangen, dass sie sich plötzlich stark bemerkbar machen könnte, auf nuancierte Weise greifbar.

„Obwohl Madison Iseman die Protagonistin Rain in einer Lebensphase spielt, in der die Schülerin große Probleme im Umgang mit ihrer Schizophrenie hat, definiert Iseman die junge Frau nicht dadurch.“

„Happy Death Day“-Love-Interest Israel Broussard macht an Isemans Seite leider eine blasse Figur – das mag durchaus auch daran liegen, dass ihm Castille Landons Drehbuch wenig zur Hand gibt, um Caleb Profil zu geben. Dennoch hätte es einen gewissen Funken Etwas benötigt, um Caleb den „Du bist zu perfekt, als dass ich zweifelsfrei glauben würde, dass es dich gibt“-Status in jeglichem Wortsinne zu verleihen. Zwar ist Rain so skizziert, dass wir Mitgefühl dafür haben, dass sie es hinterfragt, dass bei ihrer Rückkehr in die Schule plötzlich auch ein Mitschüler durch die Gänge schlendert, dem sie in einer gesünderen Phase nie begegnet ist. Aber der im Skript ebenfalls enthaltende „Ich finde dich zudem so liebevoll und nett, dass ich deine Existenz hinterfrage“-Aspekt fällt im Zusammenspiel von Iseman und Broussard eher flach.

Ihre Eltern (Katherine Heigl und Harry Connick Jr.) machen sich zunehmend Sorgen um ihre Tochter.

Katherine Heigl („Einmal ist keinmal“) und Harry Connick Jr. („Mein Freund, der Delfin 2“) finden indes als Rains Filmeltern eine geglückte Balance: Sie spielen ihre Rollen sowohl mit fürsorglicher Strenge als auch mit einer verständnisvollen Milde, durch die aber auch immer ein wenig Verzweiflung schimmert, die im Falle von Rains Vater gelegentlich in hilflosen Zorn umkippt. Diese Stimmungsschwankungen sind glaubwürdig geschrieben sowie gespielt. Generell ist das ständige Kippeln der Emotionen, das Landon in „Fear of Rain“ reizvoll vermittelt, ein positives Merkmal des Films: Rains Angst vor dem, was sie (zu glauben) sieht, Rains Sorge vor der Verurteilung durch ihre Eltern und Mitschüler:innen, das Klammern Rains an Inseln der Ruhe und des Verständnisses: Landon gelingt es, daraus eine dramatische Schilderung der komplexen Erfahrungen Rains zu spinnen, der durch unregelmäßig eskalierende Konflikte eine gute Spannung innewohnt. Und das, obwohl die Bildsprache des Films aufgrund einer seifig-glänzenden Überbelichtung und routiniertem Framing oftmals eher an den Lifetime Channel erinnert, als an das bildsprachliche Schizophrenie-Thrillerdrama, das die ersten Filmminuten noch erwarten lassen.

„Rains Angst vor dem, was sie (zu glauben) sieht, Rains Sorge vor der Verurteilung durch ihre Eltern und Mitschüler:innen, das Klammern Rains an Inseln der Ruhe und des Verständnisses: Landon gelingt es, daraus eine dramatische Schilderung der komplexen Erfahrungen Rains zu spinnen.“

Gegen Ende entgleist „Fear of Rain“ jedoch, und entfernt sich von Rains Kampf damit, wohlauf durch den Alltag zu kommen. Gegen Schluss dreht Autorin/Regisseurin Castille Landon („The Favorite“) die Spannungsschraube enorm an, und manövriert ihren Film mit großer Wucht in Genregefilde – inhaltlich wie inszenatorisch. Und auch das dürfte wieder die Gemüter scheiden: Ist es begrüßenswert, auch eine Heldin wie Rain dabei zu zeigen, wie sie etwas durchmacht, das einem Thriller gleich? Denn warum nicht sollte eine Jugendliche mit Schizophrenie so etwas erleben? Oder ist es respektlos, seine Standard-Thrillerhandlung künstlich zu dramatisieren, indem man sagt: „Okay, das ist schon schlimm genug, aber was, wenn die Heldin obendrein schizophren ist?“

Fazit: „Fear of Rain“ lässt Madison Iseman schauspielerisch auftrumpfen, und punktet immer dann, wenn sich der Film der Schizophrenie ihrer Rolle vorsichtig und mit empathischen Verständnis annimmt. Über die thrilleresken Phasen dieses Dramas kann und darf gestritten werden.

„Fear of Rain“ ist ab dem 26. März auf DVD und Blu-ray sowie ab dem 19. März als VOD erhältlich.

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