Come Play

Basierend auf seinem Kurzfilm „Larry“ inszeniert Regisseur und Autor Jacob Chase das Schicksal des gleichnamigen, einsamen Monsters nun in Form eines Langfilms – doch COME PLAY ist längst nicht so effektiv wie sein Vorbild. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Aufgrund einer autistischen Störung ist Oliver (Azhy Robertson) ein Außenseiter an seiner Schule. Anstatt zu sprechen gibt er lediglich unverständliche Laute von sich. Die Kommunikation übernehmen Smartphone und Tablet, die für ihn mittlerweile wie eine Art Freund sind. Wann immer es geht, sucht er Trost und Zuflucht in seinen technischen Geräten. Doch eines Tages nutzt eine mysteriöse Kreatur namens Larry Olivers Gadgets, um in seine Welt vorzudringen. Der kleine Junge spürt die Gefahr näher und näher kommen, doch seine Eltern (Gillian Jacobs und John Gallagher Jr.) müssen erst einmal davon überzeugt werden, dass sich etwas Böses in ihrem Haus eingenistet hat…
Kritik
Viele Ideen für Horrorfilme haben ihren Ursprung in Short Movies. Es hat sich als vielversprechendes Konzept erwiesen, eine Prämisse erst einmal in kompakter Form zu testen, bevor man sie später auf Spielfilmlänge aufbläst. Manch eine Übertragung vom Kurz- auf den Langfilm war noch nicht einmal beabsichtigt, sondern fand erst statt, nachdem ein großes Studio das Potenzial des (vorher zumeist viral gegangenen) Kurzfilms erkannte. Neben David F. Sandberg („Lights Out“) und Andy Muschietti („Mama“) gehören auch große Namen wie Sam Raimi („Tanz der Teufel“) und James Wan („Saw“) in die bunte Riege an Horrorfilmern, deren Short Movies einst zu Spielfilmen wurden. Doch nicht immer erwies sich diese Idee als fruchtbar: Während etwa bei „Lights Out“ munter darüber gestritten werden darf, ob einen nun die drei- oder die 81-minütige Fassung mehr verstört, ist Lars Klevberg mit seinem „Polaroid“ der beste Beweis dafür, dass manchen Ideen eine gestraffte Inszenierung besser zu Gesicht steht als die gestreckte. Genau so verhält es sich auch bei „Come Play“, der Langfilmvariante von Jacob Chases fünfminütigem Spukstück „Larry“. Der Kurzfilm handelt von einem freundsuchenden Monster, das eines Nachts einen Parkplatzwächter erschrickt. In „Come Play“ sucht sich Larry nun einen kleinen jungen als neuen Spielgefährten wider Willen aus. Doch auch wenn zeitweise die aus der Simplizität heraus resultierende Kreativität des Kurzfilms durchscheint, wird der Film im Großen und Ganzen zum Opfer seines eigenen Getöses.
Die Idee von „Larry“ ist extrem simpel: Mitten in der Nacht in einer Parkplatzwächterhütte liest ein Mann auf seinem Tablet eine Kurzgeschichte über ein Monster namens Larry, das nichts lieber haben möchte als einen Freund. Die wenigen Zeilen der Geschichte schüren beim von Joe Calarco gespielten Protagonisten Paranoia, bis er in den Lichtkegeln auf dem Parkplatz die Umrisse einer skelettartigen Kreatur zu erspähen scheint. Die Situation schaukelt sich in kurzen, aber sehr prägnanten Szenenabfolgen hoch und mündet in ein mäßig getrickstes, dafür umso intensiveres Finale. In „Come Play“ gibt es nun eine direkte Bezugnahme auf diese fünf Minuten, in denen der von John Gallagher Jr. („10 Cloverfield Lane“) gespielte Vater ebenfalls in einer Parkplatzwächterhütte sitzt und sich vor den Fenstern des vollverglasten Gebäudes krude Szenerien abspielen. Es sind einige wenige, sehr intensive Minuten in einem ansonsten äußerst durchschnittlichen Horrorfilm, der immerhin atmosphärisch beginnt: Der autistische Oliver erspäht eines abends auf seinem Tablet die Geschichte der „missverstandenen Monster“, in der sich Larry ihm erstmals vorstellt. Während Oliver die visuell stark an „Der Babadook“ angelehnte Fabel (die in Jennifer Kents Meisterwerk jedoch schon allein deshalb bedrohlicher wirkt, weil der Babadook aus einem echten Pop-Up-Buch kam und nicht aus einem Tablet) liest, geschehen um ihn herum unheimliche Dinge: die Lichter gehen aus, es zeichnen sich Umrisse einer finsteren Gestalt ab und die Kamerafunktion des Tablets nimmt hinter ihm ein gruseliges Gesicht wahr, das allerdings verschwindet, sobald der kleine Junge nicht mehr ins Tablet schaut.
„Der Kurzfilm handelt von einem freundsuchenden Monster, das eines Nachts einen Parkplatzwächter heimsucht. In „Come Play“ sucht sich Larry nun einen kleinen jungen als Spielgefährten aus. Doch auch wenn zeitweise die aus der Simplizität heraus resultierende Kreativität des Kurzfilms durchscheint, wird der Film zum Opfer seines eigenen Getöses.“
Es sind hier weniger die dem kleinen Horrorfilm-Einmaleins entlehnten Abläufe, mit denen sich das Unheil ankündigt (flackernde Lichter und plötzlich auftauchende Schatten gehören zu so ziemlich jedem Horrorfilm dazu) als vielmehr das intensive Spiel des gerade einmal elfjährigen Azhy Robertson („Marriage Story“), das dieses per se austauschbare Genrefilmszenerio mit Leben (= Angst) füllt. Da ist es dann auch völlig egal, dass man die Abfolge aus Anspannung und Jumpscare auszählen kann, sofern man zuvor auch nur irgendeinen Horrorfilm gesehen hat. Wenn Oliver Angst hat, überträgt sich diese dank Robertsons authentischer Darstellung rasch auf die Zuschauer:innen. Nun kann man es als einen die Suspense-Schaffung arg vereinfachenden Kniff empfinden, dass der auch für das Drehbuch zuständige Jacob Chase aus seiner jungen Hauptfigur zudem einen in der verbalen Kommunikation stark eingeschränkten Autisten gemacht hat, der sich lediglich über ein Computerprogramm artikulieren kann – immerhin ist es Oliver dadurch zum Beispiel unmöglich, um Hilfe zu schreien. Doch egal ob hier ehrliches Interesse daran bestand, als Hauptfigur einen Autisten in den Fokus zu rücken, oder ob damit auch dramaturgische Zwecke einhergingen: Es ist effektiv. Und das nicht nur im Hinblick auf Olivers Einschränkungen, sondern erst recht darauf, wie sich Larry Zutritt zur Menschenwelt verschafft. Dies geschieht nämlich über Elektrizität – und da Oliver Smartphone und Tablet schon aufgrund seines Autismus‘ jederzeit bei sich haben muss, steht der buchstäbliche Eingang für Larry jederzeit offen.
Doch nun erschöpfen sich die Pluspunkte von „Come Play“ – den Rest füllen Jacob Chase sowie sein mit dem Horrorgenre bestens vertrauter Kameramann Maxime Alexandre („Alexandre Ajas Maniac“) mit handelsüblichem Geisterbahnspuk. Unter bedrohlich dröhnender Musik (Roque Baños, „Don’t Breathe“) baut sich ein Spannungsszenario auf, spärlich ausgeleuchtete Setpieces und das altbewährte Spiel mit Umrissen, plötzlichen Bewegungen und auftauchenden Fratzen tun ihr Übriges, um an genau jenen Stellen erschreckende Akzente zu setzen, an denen man sie erwartet. An dieser Stelle wird der Unterschied zwischen der Effektivität des Kurzfilms „Larry“ und der Langfilmvariante „Come Play“ besonders deutlich: Als sich Larry plötzlich in voller Größe vor dem Gesicht des Parkplatzwächters abzeichnet, genügt Chase der Schreckmoment ob des unerwarteten Auftauchens dieser nicht-menschlichen Kreatur. In „Come Play“ werden Larrys Auftritte zusätzlich mit einem markerschütternden Soundeffekt untermalt – eine nicht selten auch von den Filmstudios (und nur bedingt von den Kreativen selbst) getätigte Anweisung, um die volle Power aus den Jumpscares herauszuholen. Leider wird „Come Play“ diese Effekthascherei alsbald zum Verhängnis. Irgendwann ermüdet nämlich selbst dann das Muster aus Anspannung und Schockeffekt, wenn man am Ende einer solchen Szene immer wieder mit Gewalt aus dem Halbschlaf gerissen wird. Einzige Nebenwirkung: Immerhin bekommt man so das durchaus sympathische Finale mit.
„Unter bedrohlich dröhnender Musik baut sich ein Spannungsszenario auf, spärlich ausgeleuchtete Setpieces und das altbewährte Spiel mit Umrissen, plötzlichen Bewegungen und auftauchenden Fratzen tun ihr Übriges, um an genau jenen Stellen erschreckende Akzente zu setzen, an denen man sie erwartet.“
So schön es auch ist, „Community“-Star Gillian Jacobs einmal mehr in einer Nebenrolle eines größeren Studiofilms sehen zu können, so verschenkt wirkt sie hier doch. Die sorgen- und aufopferungsvolle Mutter steht ihr zwar gut zu Gesicht, doch die meiste Zeit über beschränkt sich ihr Handeln darauf, entsetzt festzustellen, dass ihr kleiner Sprössling ja doch berechtigte Angst vor der Dunkelheit hat. Weitere Randnotizen wie etwa Olivers mit Mobbingattacken einhergehender Außenseiterstatus sowie das schwierige Verhältnis zwischen Mutter und Vater bleiben bis zum Schluss genau das: Randnotizen, die einen Film mit Substanz füllen sollen, dem diese bis zuletzt leider verwehrt bleibt. Das gilt erst recht für die mit dem Holzhammer eingeschobene Kritik daran, wie technikfixiert die Menschheit heutzutage ist.
Fazit: Jacob Chase findet für die Spielfilmvariante seines Kurzfilmschockers „Larry“ einige hübsche, kreative Einfälle, doch in der Summe ist „Come Play“ leider eine arg austauschbare Jumpscare-Party.
„Come Play“ ist auf US-Streamingplattformen als VOD erhältlich.