Polaroid

In Horrorfilmen lässt sich leicht jeder beliebige Gegenstand zum ultimativen Todesutensil machen – auch eine Kamera, wie der Film POLAROID beweist. Eine Garantie für einen schaurigen Grusler ist das allerdings noch lange nicht. Warum, das verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Bird Fitcher (Kathryn Prescott) arbeitet neben der Highschool in einem Antiquitätenladen. Als sie von einem Kollegen eine alte Sofortbildkamera geschenkt bekommt, ist die Freude groß, denn es handelt sich um ein echtes Sammlerstück. Doch schnell muss Bird erkennen, dass ihre Schnappschüsse tödliche Folgen haben, denn wer von ihr abgelichtet wird, findet schon bald ein grauenvolles Ende. Nachdem sie auf einer Party mehrere Mitschüler fotografiert hat, beginnt für alle ein Wettlauf gegen die Zeit, um das Geheimnis der Kamera zu lüften und dem Tod zu entkommen…

Kritik

1992 rief R.L. Stine die Jugendgruselreihe „Gänsehaut“ ins Leben. Bis heute umfasst sie 70 reguläre Bände, einen ganzen Haufen Sonderauflagen und zwei gelungene Verfilmungen mit Jack Black als Autor höchstpersönlich in der Hauptrolle. Als 15. Buch innerhalb der Reihe erschien im November des Entstehungsjahres der Band „Die unheimliche Kamera“. Darin geht es um einen Fotoapparat, der für seine geknipsten „Opfer“ die Zukunft vorhersagt; und die hält ausschließlich Katastrophen bereit. 27 Jahre später erscheint mit „Polaroid“ so etwas wie die Erwachsenenversion dieses schaurigen Kinderhorrorbuches als Genrefilm in den Kinos. Nur dass der über ein Jahr aufgrund der Weinstein-Affäre im Giftschrank verweilende Teenieschocker mit der „Gänsehaut“-Reihe absolut nichts zu tun hat, diesen Vergleich aber benötigt, um aufzuzeigen, wie miserabel er ist. R.L. Stines Bücher waren für seine jungen Leser zwar schon ganz schön schaurig (das weiß die Verfasserin dieser Zeilen aus Erfahrung!), aber sie waren eben auch, was sie sind: Kinderbücher – und damit allenfalls dafür geeignet, ihrer Zielgruppe den Weg zum echten Horrorgenre zu ebnen. Im Vergleich zu „Polaroid“ wirkt der später um den Roman „Bitte lächeln“ ergänzte „Gänsehaut“-Band allerdings maximal verstörend. Lars Klevbergs auf seinem eigenen Kurzfilm basierender Film ist durch und durch missraten.

Avery (Katie Stevens) blickt dem Tod ins Auge.

Als vor einigen Monaten der umstrittene „Slender Man“ in die Kinos kam, machte der Film nicht nur deshalb von sich reden, weil vor seinem Start Zigtausend Leute versucht hatten, ihn aus Pietätsgründen mittels einer Petition zu stoppen, sondern vor allem dadurch, dass er so schlecht ist. Der völlig zerschnittene und aufgrund seiner fehlenden Ausleuchtung und der dadurch betont düsteren Bildsprache mitunter kaum schaubare Horrorfilm wurde zu einem modernen Tiefpunkt des Genres, dessen anhand der Produktions- und Einspielkosten gemessener Erfolg einzig und allein damit zu erklären ist, dass die dem Film zugrunde liegende Creepypasta einen gewissen Kultstatus genießt (und um festzustellen, dass ein Film mies ist, muss man ihn leider erstmal gucken). Eines hat „Slender Man“ allerdings geschafft: Er dient von nun an als neuer Maßstab dessen, was sich qualitativ noch vertreten lässt, und was mit dem Terminus „Frechheit“ besser beschrieben wäre. Es ist zwar kaum zu glauben, doch Lars Klevberg unterbietet den Film seines Kollegen Sylvain White sogar noch, sodass uns die bösen Worte dem „Slender Man“ gegenüber fast schon wieder leid tun. Dieser ist abgesehen von seiner inszenatorischen Dilettanz nämlich vor allem Opfer seiner schwierigen Produktionshistorie, in deren Verlauf man den Film mehrfach um besonders schockierende Szenen kürzte. Auch „Polaroid“ hat in gewisser Weise eine nicht ganz skandalfreie Hintergrundgeschichte, nur hat die nichts mit dem Film selbst zu tun.

Ursprünglich sollte „Polaroid“ bereits im August 2017 in die Kinos kommen, wurde dann allerdings auf den 1. Dezember, anschließend auf das Thanksgiving-Wochenende und schließlich auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Man wusste also schon lange vor dem Weinstein-Skandal nicht so richtig, was man mit diesem Film anfangen soll und genau so fühlt er sich nun auch an. Zwar ist die Genregeschichte voll von Beträgen, die dem hartgesottenen Horrorfan lediglich ein Schulterzucken entlocken, Anfängern hingegen durchaus einen sanften Einstieg ermöglichen (Stichwort: „Wish Upon“ oder „Another Me – Mein zweites Ich“), „Polaroid“ in diese Kategorie zu packen, würde dem unbedarften Horror-Neuling die Lust am Grusel hingegen unnötig miesmachen. Schon Klevbergs 15-minütiger Kurzfilm fühlte sich in seinen Mechanismen binnen kürzester Zeit redundant an. Aufgeblasen auf eineinhalb Stunden ergibt sich für die Langfilmfassung folgerichtig jede Menge Leerlauf, während alles dazwischen kaum identifizierbar ist. Kameramann Pål Ulvik Rokseth („22. Juli“) kann nichts für die Anweisungen, die ihm gegeben wurden. Gegen die in atmosphärischen Momenten allgegenwertige Dunkelheit kann daher auch er nichts unternehmen, gleichwohl scheint er unter diesen Voraussetzungen vollends aufgeschmissen. Die Folge: Immer wenn in „Polaroid“ etwas passiert (was ohnehin nicht oft der Fall ist), geht um den Protagonisten herum das Licht aus, alles Weitere ist allenfalls schemenhaft zu erkennen, wodurch der penetrant auf Jumpscares abzielende Score (Philip Giffin, „Table for Three“) besonders negativ ins Gewicht fällt.

Devin (Keenan Tracey) lässt seiner Wut auf Connor (Tyler Young) freien Lauf.

Bis zu einem gewissen Zeitraum ist all das jedoch nicht das größte Problem, schließlich ist es so schier unmöglich, dass gruselige Etwas, das die austauschbar gecasteten (und aufspielenden) Freunde in „Polaroid“ heimsucht, zu identifizieren. Viel anstrengender ist alles, was dazwischen passiert, denn die von Kathryn Prescott („To the Bone“) angeführte Schülercllique gibt sich absolut lustlos dem kleinen Einmaleins dessen hin, was man in Filmen wie „Ring“, „Final Destination“ und eben selbst „Slender Man“ schon um ein Vielfaches besser gesehen hat. Bei ihrem Versuch, hinter das Geheimnis des scheinbar verfluchten Gegenstands zu kommen, findet Drehbuchautorin Blair Butler („Hell Fest“) zwar immerhin sehr vereinzelt einige ganz nette Gruselmotive: Wenn Jemand das Foto, auf dem das nächste Todesopfer abgebildet ist, zu zerstören versucht, hat der Körper der Person nämlich mit denselben Folgen zu kämpfen. Man kann sich also ausmalen, was passiert, wenn Jemand das Bild anzündet oder in der Mitte durchreißt. Doch die Idee rangiert klar vor dem Ergebnis, denn auch die Trickeffekte passen sich dem grauenvollen Umfeld an. Dazu passt sogar die Auflösung. Wie Bird und ihre Freunde die durch die Kamera am Leben gehaltene Kreatur schlussendlich zerstören, ist derart naheliegend, dass man als Zuschauer bereits nach wenigen Minuten drauf kommt, diesen Gedanken dann allerdings wieder verwirft – wenn die Hauptfiguren nicht auch drauf kommen, kann es so einfach ja nicht sein. Doch. Kann es.

Fazit: „Polaroid“ verbrachte über ein Jahr im Giftschrank seines Studios und dort wäre er auch besser geblieben. Die Gruselmomente zünden nicht, weil man nichts erkennt und alles dazwischen ist derart austauschbar und leidenschaftslos, dass sich während der 88 Minuten nicht zu einer Sekunde das Gefühl einstellt, hier tatsächlich einem Horrorfilm beizuwohnen.

„Polaroid“ ist ab dem 10. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

  • Habe ihn mir gerade im Kino angeschaut. So übel fand ich ihn nicht.
    Nun gut, einen dauerhaften Eindruck wird er nicht hinterelassen. Der Plot ist beliebig und vorhersehbar – dass da mit dem Gespenst in der Kamera irgendeine Rape-Story verbunden sein mußte, gehört schon fast zur Horror-Film-Folklore.
    Die Figuren sind uninteressant farblos.
    Hätte man die obligatorischen Jumpscares etwas mehr ausgebaut, also nicht so mit dem Stampfhammer raufgewumst, und den Ablauf nicht so im Halbdunkeln leimsiedend dahinblubbern lasssen, hätte der Film durchaus Biss gehabt.
    5/10 Punkte

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