2019 – Die Plätze 20 bis 11

Vor einigen Tagen eröffnete ich an dieser Stelle meine Jahrescharts 2019 Was sich auf den Plätzen 40 bis 31 sowie 30 bis 21 befindet, könnt ihr in den jeweiligen Blog-Beiträgen nachlesen. Um Euch nicht weiter auf die Folter zu spannen, geht es nun mit den nächsten zehn Platzierungen weiter. Vorab jedoch ein bisschen Statistik: Ich habe vom 01. Januar bis zum 31. Dezember. 2018 exakt 228 Kinovorstellungen besucht (eigentlich noch mehr, das waren allerdings welche zu Filmen, die erst 2019 erscheinen). 22 mal besuchte ich reguläre Vorführungen, 206 mal waren diese ausschließlich für die Presse. 51 Filme habe ich im Kino verpasst und mussten von mir auf DVD oder via Pressestream/-screener nachgeholt werden. Hinzu kommen 23 Filme, die direkt im Heimkino/auf Streamingdiensten erschienen sind und keine reguläre Kinoauswertung erhalten haben. Für meine Top 40 zur Auswahl standen insgesamt 276 verschiedene Filme.

Bevor Ihr Euch nun meinen nächsten zehn Platzierungen widmet, kommen an dieser Stelle weitere ehrenwerte Nennungen. Nachdem ich das letzte Mal den Schwerpunkt auf das deutsche Kino gelegt habe, kommt hier eine Auswahl eher im Programmkino anzutreffender Produktionen, denen der Sprung in meine Tops nur knapp verwehrt blieb. Dazu zählen Robert Eggers‘ surreales Schwarz-Weiß-Meisterwerk DER LEUCHTTURM (Platz 43), das Whistleblower-Porträt OFFICIAL SECRETS (Platz 44), Jim Jarmuschs schräge Zombie-Comedy THE DEAD DON’T DIE (Platz 46), Yorgos Lanthimos‘ mindestens genauso schräge Königinnen-Farce THE FAVOURITE (Platz 49), Richard Linklaters Romanverfilmung BERNADETTE (Platz 56) sowie der koreanische Publikumsliebling PARASITE (Platz 57).

20

Ich war sehr skeptisch, als es hieß, „Avengers: Endgame“ sei gar nicht der furiose Abschied aus elf Jahren Marvel Cinematic Universe, sondern das zweite Solo-Abenteuer der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft. Denn: Was sollte dieser Film noch groß bieten können, ohne nach dem aussagekräftigen Schlusspunkt wenige Monate zuvor wie ein unnötiger Nachklapp zu wirken? Doch SPIDER-MAN: FAR FROM HOME war überraschenderweise dann doch der einzig richtige, da konsequente Weg, die Marvel-Helden vor Ende der letzten Phase noch einmal zusammenzubringen. Nicht alle zwar, sondern eben vornehmlich Peter Parker und sein privates Umfeld. Aber vor der Kulisse eines mit Effekten vollgepumpten Blockbusters ist den Machern eine emotionale Aufbereitung der Ereignisse gelungen, die viel darüber aussagt, was durch die Ereignisse in „Endgame“ für eine riesige Lücke hinterlassen haben. Im Kern ist „Far From Home“ eine Auseinandersetzung mit Trauer und Verlust, aber auch eine sympathische Highschool-Comedy mit kritischen Untertönen zu den Themen Fake-News und Co.

19

Endlich mal wieder eine Dokumentation in meinen Jahrescharts – und diesmal ausnahmsweise keine, die etwas mit Pferden zu tun hat, sondern sich mit einem Sport beschäftigt, mit dem ich bislang überhaupt keine Berührungspunkte hatte. Doch der oscarprämierte Film FREE SOLO über einen völlig ohne Sicherung an steilen Felswänden hinaufkletternden Extremsportler ist so viel mehr als bloß eine Sportlerdokumentation. Er ist Beziehungsstudie, Charakterporträt und Kletterfilm in einem. Gekleidet in atemberaubende Aufnahmen, die einen bei jedem Schritt von Protagonist Alex Honnold selbst den Atem anhalten lassen. Wir verfolgen den Free-Solo-Kletterer knapp zwei Stunden lang bei der Mammutaufgabe, den Granitfelsen El Capitan im Yosemite National Park zu besteigen. Und der besteht nun mal hauptsächlich aus nahezu senkrechten Wänden. Es wirkt nahezu unmenschlich, wie Alex Honnold hier physikalischen Grundsätzen trotzt und dabei immer wieder sein Leben riskiert. Doch wer nun denkt, der junge Mann sei ein verrückter Adrenalinjunkie, den belehrt die Doku eines Besseren.

18

Wer Melissa McCarthy nach wie vor für die alberne Ulknudel hält, hat vor ein paar Jahren „St. Vincent“ nicht gesehen. Vor allem hat er aber auch das auf realen Begebenheiten basierende Drama CAN YOU EVER FORGIVE ME? nicht gesehen, in dem die Schauspielerin in die Rolle einer Brieffälscherin schlüpft, die damit über einen längeren Zeitraum richtig viel Kohle gescheffelt hat. An ihrer Seite: Ihr bester Freund und Komplize Jack, für dessen Verkörperung Richard E. Grant völlig zu Recht für den Oscar und den Golden Globe als bester Nebendarsteller nominiert wurde. Wie es diesem Duo hier gelingt, aller Tragik zum Trotz sämtliche Sympathien auf seine Seite zu ziehen und aus so etwas vermeintlich Trockenem wie dem Fälschen von Briefen eine hochspannende Angelegenheit zu machen, ist nicht nur dem emotionalen Skript von Nicole Holofcener und Jeff Whitty zu verdanken, sondern in erster Linie den beiden Darstellern, allen voran Melissa McCarthy. Man möge ihr in dieser alles andere als für sie typischen Rolle unbedingt eine Chance geben – die Dame kann wirklich verdammt gut spielen!

17

Wer hatte nach dem furiosen Schlusspunkt, den einst „Toy Story 3“ setzte, denn wirklich noch Lust auf einen vierten Teil? Für wen sah es denn nicht so aus, als würde der Disney-Konzern nun wirklich vor gar nichts mehr zurückscheuen, um irgendwie Geld aus sämtlichen Franchises herauszupressen? Und wen hat A TOY STORY: ALLES HÖRT AUF KEIN KOMMANDO am Ende dann doch eines Besseren belehrt? Neun Jahre sind vergangen, seit wir Buzz Lightyear, Woody und Co. das letzte Mal auf der großen Leinwand gesehen haben. Und mit dem vierten Teil meldeten sie sich diesen Sommer eindrucksvoll mit einem Roadtrip zurück, auf dem der kleine Cowboy verzweifelt versucht, auf einen Göffel namens Forky aufzupassen. Wie man es von Pixar gewohnt ist, erweist sich auch diese Fortsetzung einmal mehr als wunderbar warmherzige und gen Ende hin bemerkenswert mutige Auseinandersetzung mit den wichtigen Themen des Lebens, aufbereitet als Abenteuer für die wirklich ganze Familie. Aber allein schon das Wiedersehen mit den von mir geliebten Figuren hätte diese Platzierung gerechtfertigt…

16

Dieser Film hat mich absolut kalt erwischt – und das, wo ich aufgrund der Besetzung mit Edin Hasanovic, Saskia Rosendahl und Julius Feldmaier eigentlich schon von Anfang an Lust auf MEIN ENDE. DEIN ANFANG. hatte. Was sich mir dann allerdings im Kino eröffnete, war eines der intensivsten Filmerlebnisse 2019, denn die Debüt-Regisseurin Mariko Minoguchi spielt hier so gekonnt mit den Themen Raum und Zeit, wie es nur ein Christopher Nolan in seinen besten Phasen hinbekommt. Gleichzeitig lebt der Film von einer Intimität, wie man sie häufig in den Filmen eines Mikhaël Hers findet – das ist eine tonale Kombination aus Mainstream- und Kunstkino, die alles andere als organisch und passend klingt, die aber den ganz besonderen Reiz an diesem Film ausmacht. Im Mittelpunkt steht Nora, die sich urplötzlich mit dem Tod ihrer großen Liebe auseinandersetzen muss und im Zuge dessen einen Mann kennenlernt, mit dem sie ein neues Leben zu beginnen versucht. Mehr sollte mann über „Mein Ende. Dein Anfang.“ gar nicht wissen, sondern sich einfach mal drauf einlassen…

15

Der erste Teil gehörte einst zu meinen Lieblingsfilmen seines Jahrgangs, nun erschien Ende 2019 mit DIE EISKÖNIGIN II die von den Fans lang erwartete Fortsetzung. Und ich muss gestehen: Dass diese mich ähnlich intensiv abgeholt hat wie der Vorgänger, hat mich doch arg überrascht. Aber mit der konsequenten Weiterentwicklung der Figuren nahm der Film einen starken Anfang, während er im weiteren Verlauf eine Geschichte erzählte, wie sie einst Ari Aster mit „Hereditary“ bereits aufgriff, allerdings im Rahmen wesentlich düsterer Ereignisse zu Ende dachte. Inwiefern ist die Nachfolgegeneration für die (Schand-)Taten jener verantwortlich, die sie einst begangen hat? Das ist überraschend starker Tobak für einen Film, der mit dem Schneemann Olaf einen der niedlichsten Sidekicks jüngerer Disneyfilmgeschichte bereithält und sich vornehmlich an seiner berauschenden Herbst-Winter-Kulisse labt, sodass man die ernsten Zwischentöne schon mal übersehen kann. Gespickt mit dem ein oder anderen Ohrwurm hat mich „Die Eiskönigin II“ verdammt positiv überrascht – da ist ein Platz 15 gerne drin.

14

Was habe ich bei diesem Film vor mich hingeweint, als die Angehörige eines toten Drogenopfers in einer unendlich traurigen Szene davon berichtet, wie sie die Suchtphase des Verstorbenen über viele Monate hinweg erlebt hat. Ungeschönt, aber doch tief ins Herz treffend – etwas, was sich auch über den Film BEAUTIFUL BOY selbst sagen lässt, in dem es vorwiegend um das Vater-Sohn-Verhältnis zwischen einem Drogenabhängigen und seinem besorgten Dad geht, der alles unternimmt, um seinen Sprössling vor sich selbst zu beschützen. Felix Van Groeningens „Beautiful Boy“ kam in kurzem Abstand zum thematisch sehr ähnlichen „Ben is Back“ heraus. In beiden Filmen spielen sich zwei angesagte Youngsters – Lucas Hedges in dem einen, Timothée Chalamet in diesem Film – um Kopf und Kragen. Und am Ende hat mich dieser Kandidat hier dann doch ein wenig mehr berührt. Insbesondere die Performance von Steve Carell hat mich bis ins Mark getroffen. Und bedenkt man dann, dass all das hier so tatsächlich passiert ist, besteht kein Zweifel mehr daran, das Drogen die Hölle sind.

13

Wenden wir uns deutlich heiterer Kost zu und mit BOOKSMART einem Film, der das Highschool-Comedy-Genre zu gleichen Teilen bedient und dennoch auf den Kopf stellt. In Olivia Wildes Regiedebüt geht es um zwei beste Freundinnen, die während ihrer Schulzeit ununterbrochen gepaukt und als Belohnung Studienplätze an Eliteunis erhalten haben. Blöd nur, dass auch ihre Klassenkameraden später dort studieren dürfen – und das, wo sie doch die ganze Schulzeit über Partys gefeiert und Spaß gehabt haben. Nun heißt es: nachholen. Und so stürzen wir uns gemeinsam mit Amy und Molly in eine rauschende Partynacht, auf der die beiden Mädels nicht nur sich selbst, sondern auch einander nochmal von einer ganz anderen Seite kennenlernen. Was absolut austauschbar klingt, ist in Wahrheit eine herausragend komische Auseinandersetzung damit, wie es ist, im Jahr 2019 jugendlich zu sein. Und Kaitlyn Dever und Beanie Feldstein spielen das Ganze mit solch einem perfekten Gespür für komödiantisches Timing, dass „Booksmart“ guten Gewissens als einer der lustigsten Filme des Jahres betitelt werden darf.

12

So geht großes Hollywoodkino abseits bekannter Franchises und großer Marken! „Logan“-Regisseur James Mangold erzählt im auf wahren Ereignissen beruhenden Rennfahrer-Drama LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE vom Kampf zwischen den Autogiganten Ford und Ferrari, die sich Ende der Sechzigerjahre auf der Rennbahn bekriegt haben. Doch worum es eigentlich geht, ist die tiefe Freundschaft zwischen zwei Autovernarrten, dem Konstrukteur Carroll Shelby und dem leidenschaftlichen Fahrer Ken Miles. Es macht nicht nur unheimlich viel Spaß, den beiden bei diesem Rüstungs- und Sportwettkampf gegen die Konkurrenz zuzusehen (inklusive einer Prügelei als eine der lustigsten Szenen des Kinojahres 2019), sondern es ist vor allem die Passion für den Rennsport, die selbst dann auf einen überspringt, wenn man nie etwas damit zu tun hatte. Damit gelingt „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“ das große Kunststück, dass selbst ich in diese mir bis dahin völlig fremde Welt eintauchen wollte – das hat bei dieser Thematik zuvor nur der nicht minder gelungene „Rush“ von Ron Howard geschafft…

11

Hans Petter Moland, vielen sicher bekannt durch die morbide Thrillerkomödie „Einer nach dem anderen“, hat mit PFERDE STEHLEN in diesem Jahr eine Romanverfilmung vorgelegt, die mich bis heute nicht loslässt. Das liegt nicht nur an meinem Lieblingsscore des Jahres, in dem Komponist Kasper Kaae seine markanten Instrumente mit Naturgeräuschen zu einem extraordinären Klangteppich verwebt (der Trailer gibt darin bereits einen guten Einblick), sondern vor allem an der vor berauschender Naturkulisse gefilmten Geschichte, die davon erzählt, wie sich binnen eines einzigen Sommers ein Vater und sein Sohn voneinander distanzieren. Der Grund: In diesem Sommer passiert eine Reihe von Unfällen, die in ihrer Tragik niederschmetternder kaum sein könnten. Und doch gelingt Moland immer wieder auch das Besinnen auf die Schönheit in dieser Umgebung und darauf, dass man ein Stück weit selbst dafür verantwortlich ist, wie viel seelischen Schmerz man zuzulassen gewillt ist. Ein famoser Tanz zwischen sämtlichen Gefühlslagen, fulminant gefilmt und akustisch ausgestattet – „Pferde stehlen“ ist ein Gesamtkunstwerk.

 

In den nächsten Tagen geht es hier weiter mit den Plätzen 10 bis 1…

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