Die Eiskönigin II

Sechs Jahre nach dem Welterfolg „Die Eiskönigin“ legt Disney mit der Fortsetzung DIE EISKÖNIGIN II nach und beweist, dass das Verlangen nach einer guten Geschichte mitunter stärker ist als das schnelle Geld. Was wir damit meinen, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Die Schwestern Anna (deutsche Stimme: Yvonne Greitzke) und Elsa (Dina Kürten) führen ihr ruhiges Leben im Königreich Arendelle. Bis eines Tages eine eigenartige Unruhe Elsa ergreift und eine geheimnisvolle Stimme mit sie in den Wald ruft, die ihr Antworten auf all ihre Fragen verspricht: Warum ist sie so wie sie ist, warum hat gerade sie magische Kräfte? Zusammen mit Anna, Olaf (Hape Kerkeling), Sven und Kristoff (Leonhard Mahlich) bricht sie auf, das Rätsel zu ergründen. Dabei trifft die Crew nicht nur das Volk des Waldes und andere neue Weggefährten, auf ihrer abenteuerlichen Reise müssen Elsa und Anna einmal mehr zusammenhalten und füreinander mit Mut, Vertrauen und Schwesternliebe einstehen.
Kritik
In der Regel kann man mit Fug und Recht behaupten, dass das, was Disney anpackt, zum Erfolg wird. Das gilt erst recht für die Animationsfilme des Konzerns sowie die dazugehörigen Realfilmadaptionen. Lediglich bei neuen Stoffen muss der Mäusekonzern hin und wieder Kassenpleiten einstecken; wir erinnern uns etwa an groß angelegte Projekte wie „John Carter“, „Lone Ranger“ oder „Das Zeiträtsel“. Als Disney 2013 das 3D-animierte Wintermärchen „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ (im Original: „Frozen“), frei nach „Die Schneekönigin“ von Hans Christian Andersen, in die Kinos brachte, konnte trotzdem keiner ahnen, was für einen absurden Erfolg das Trickmusical rund um den Erdball feiern würde. Hierzulande strömten knapp fünf Millionen Besucher in die Kinos (nur den zweiten „Hobbit“-Film und „Fack ju Göhte“ wollten 2013 mehr Leute sehen). Und international setzte sich diese beispiellose Erfolgsserie fort: Knapp 400 Millionen US-Dollar spielte der Film in den USA ein – und dann kamen ja noch die Einnahmen durch die DVD- und Blu-ray-Verkäufe, den Soundtrack mit dem Dauer-Ohrwurm „Let it Go“ und das viele, viele, viele (!!) Merchandise hinzu. Doch lange Zeit folgte erst einmal keine direkte Fortsetzung zu dem Megahit. Stattdessen produzierte Disney Kurzfilme zu den beiden Schwestern Elsa und Anna sowie den im Original von Josh Gad sowie im Deutschen von Hape Kerkeling gesprochenen Schneemann Olaf. Erst jetzt, sechs Jahre später, erscheint mit „Die Eiskönigin II“ die langersehnte Fortsetzung, die ohne Zweifel einen ähnlichen Siegeszug antreten dürfte wie der vielzitierte erste Teil. Und dass sich die wiederkehrenden Chris Buck und Jennifer Lee eine (zumindest an heutigen Hollywood-Maßstäben gemessene) längere Zeit für ihr Sequel gelassen haben, merkt man, denn „Die Eiskönigin II“ wirkt weniger wie ein nach Geld gierender Schnellschuss, sondern ganz einfach erzählenswert.
In mehreren Szenen von „Die Eiskönigin II“ wird derart direkt auf den Status des Vorgängers eingegangen, wie man es von einem Disney-Animationsfilm bislang wohl kaum gewohnt ist. Einmal erzählt Olaf die Geschichte rund um die Eiskönigin Elsa und die innige Schwesternliebe zwischen ihr und Anna im Eilverfahren einer außenstehenden Person, ein weiteres Mal werden die ersten Töne aus „Lass jetzt los“ angespielt, woraufhin sich Elsa gar beschämt wegdreht. Es gibt keinen Zweifel: „Die Eiskönigin“ hat im Disney-Kanon enorme Fußspuren hinterlassen und mit seinen Ohrwürmern so manches Elternteil in den Wahnsinn getrieben. Genau diese Fußspuren sind es aber auch, an denen sich die Fortsetzung nun unweigerlich messen lassen muss. Und so viel kann im Vorfeld verraten werden: Den spektakulären Eindruck den „Die Eiskönigin“ bei vielen (auch bei uns) nach der ersten Sichtung hinterlassen hat, bleibt uns „Die Eiskönigin II“ schuldig; aber das ist ja so gesehen erst einmal nicht schlimm.
Ein absolut gelungener Nachfolger ist der Film dennoch, was zunächst einmal daran liegt, dass die Story, die nicht etwa sechs, sondern im „Frozen“-Universum nur drei Jahre nach den bekannten Ereignissen spielt, erzählenswert ist und nicht etwa so wirkt, als hätte man für die Existenz eines zweiten Teils ja nun mal irgendeine Handlung benötigt. Nein, womit sich Anna und insbesondere Elsa hier auseinandersetzen müssen, ist interessant und spannend; denn woher Elsa ihre Zauberkräfte hat, lag als Frage ja bereits über dem ersten Teil und wurde dort nicht aufgeklärt. In Teil zwei nun nimmt man dagegen ausführlich die Möglichkeit, sich exakt diesem Mysterium zu widmen. Sogar dass sich Elsa innerhalb der im Filmuniversum vergangenen drei Jahre bislang nicht genauer damit auseinandergesetzt hat, erklärt das Skript von Jennifer Lee absolut plausibel; in den letzten Jahren stand eben vor allem die verpasste Schwesternzeit zwischen Anna und Elsa im Mittelpunkt, was auch zu dem Eindruck beiträgt, die beiden (und auch Kristoff) hätten sich in dieser Zeit glaubhaft weiterentwickelt, ohne dabei an Ihren typischen Eigenheiten und Spleens wie etwa Annas Hibbeligkeit oder Elsas etwas unterkühlter Attitüde eingebüßt.
Mit seinem Roadmovie-Aufbau erinnert „Die Eiskönigin II“ dramaturgisch zwar durchaus an den Vorgänger (was sich ja gerade im Anbetracht der vorwiegend sehr jungen Fans von Teil eins anbietet, denen man mit einer Fortsetzung häufig „more of the same“ bieten möchte), doch insbesondere die zwischen den Zeilen abgehandelten Themen erweisen sich hier als wesentlich komplexer. Diesmal geht es nicht um Selbstbestimmung und Schwesternliebe, sondern darum, die Vergangenheit zu akzeptieren und die Frage danach, inwiefern die nachfolgenden Generationen für die (Schand-)Taten, Flüche oder jedwede anderen hinterlassenen Scherben der vorherigen aufkommen muss – ein „Hereditary“ für Kinder, sozusagen. Nur eben deutlich weicher gespült, was in diesem Kontext alles andere als negativ zu verstehen ist. Dass das alles aber eigentlich ganz schön harter Tobak ist, den die Macher hier unter einem Guss aus Animationsmusical und Märchenfantasy präsentieren, wird vermutlich vor allem all jenen bewusst, die bereits vor sechs Jahren Fan von „Die Eiskönigin“ waren und mit diesem Film gemeinsam älter geworden sind. Für die Kleine(re)n bleibt natürlich auch „Die Eiskönigin II“ immer noch das mit jeder Menge Popballaden gespickte Fantasymärchen, in dem es diesmal noch eine ganze Spur magischer (ja, das geht!), bunter und auch lustiger zugeht. Insbesondere Szenendieb Olaf erhält hier noch einmal deutlich mehr Screentime für seine naiv-lustigen Beobachtungen – und einen in seiner Melancholie eigentlich richtig starken Song darüber, dass er als Erwachsener alles verstehen wird, was für ihn heute noch unverständlich ist. Dass ausgerechnet diese inhaltlich so nachdenkliche Nummer die austauschbarste Popkomposition erfährt, ist vermutlich der größte Wermutstropfen am Film.
Die Sidekick-Momente mit Olaf bilden einen tonal nicht immer ganz zum Rest passenden, aber wohl trotzdem notwendigen Ausgleich zur ausladenden Geschichte. Dass sich „Die Eiskönigin II“ insgesamt ein wenig zu voll anfühlt, liegt nämlich nicht unbedingt daran, dass Buck und Lee zu viele Handlungsstränge aufmachen oder ihre Story insgesamt zu kompliziert erzählen würden. Vielmehr reichen sie ihre Informationen über Elsas Vergangenheit nur häppchenweise, sodass sich gerade das jüngere Publikum mit Sicherheit das ein oder andere Mal bei Mama und Papa rückversichern muss, ob es das alles gerade auch wirklich verstanden hat. Für die Älteren im Publikum dagegen eröffnen sich dafür ungeahnte Storydimensionen, die erst ganz zum Schluss nicht ganz einlösen, was der Anfang verspricht; die aller letzte Konsequenz bringen die Macher nämlich nicht auf, um ihre Geschichte in etwa so reif zu Ende zu bringen wie zuletzt etwa bei „Chaos im Netz“ oder auch „Alles steht Kopf“ geschehen.
Über alles erhaben ist Disney dagegen wieder einmal in Sachen Optik und in Teilen auch Akustik. Dass die Songschreiber Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez an den Welterfolg des OhrwurmS „Let it Go“ versuchen, anzuknüpfen, war absehbar, sodass „Die Eiskönigin II“ diesmal direkt zwei von Elsa vorgetragene Powerballaden enthält, von denen zwar insbesondere „Into the Unknown“ („Wo noch niemand war“) besonders eingängig ist, erwartungsgemäß aber nicht an den Gänsehautfaktor des offensichtlichen Vorbilds heranreicht. Dafür gibt es diesmal keinen absoluten Rohrkrepierer wie einst den tonal vollkommen fehlplatzierten „Troll-Song“, der einen damals für ein paar Minuten aus der dramatischen Stimmung herausriss. Ein klarer Vorteil gegenüber Teil eins. Visuell geht „Die Eiskönigin II“ weg vom Wintersetting und lässt die Handlung diesmal in einer rötlich eingefärbten Herbstlandschaft stattfinden. Das ist nicht nur wieder einmal wunderschön detailreich anzusehen (insbesondere beim nahezu fotorealistisch nachempfundenen Wasser ist ein Unterschied zu Realfilmaufnahmen kaum mehr auszumachen), sondern stattet den Film auch mit einer eigenen Identität aus. Dieses Sequel gibt es eben nicht nur, weil damit (vermutlich) wieder sehr viel Geld gemacht wird, sondern auch, weil hier kreative Leute davon überzeugt waren, dass es sich lohnt, die Geschichte weiterzuerzählen. So soll es sein!
Fazit: „Die Eiskönigin II“ reicht aufgrund kleiner Schwächen zwar nicht ganz an den furiosen ersten Teil heran, erarbeitet sich mit einer überraschend komplexen Story und einer herbstlichen Optik aber eine ganz eigene Identität. Und genau damit machen die Macher alles richtig.
„Die Eiskönigin II“ ist ab dem 21. November in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D!