2019 – Die Plätze 30 bis 21

Herzlich willkommen, Du – lieber Leser – der vielleicht erst jetzt zu meinem kleinen Jahresrückblick vorbeischaut. Oder aber Du, der sich nach den Plätzen 40 bis 31 fragt, wie es in den ganz subjektiven Charts meiner Lieblingsfilme 2019 weitergeht. Zur kurzen Erinnerung: Wie auch schon in den letzten Jahren habe ich mich aufgrund der schieren Masse an starken Kinofilmen für 40 Tops entschieden. Wer gerne wissen möchte, was die Frau mit dem skurrilen Filmgeschmack in den vergangenen zwölf Monaten so gar nicht mochte, den verweise ich indes auf meine Filmflops.
Um noch ein paar weitere Filme positiv zu erwähnen, die es aber letztlich doch nicht ganz in meine Jahrescharts geschafft haben, kommt hier eine Handvoll ehrenwerter Nennungen. Der Übersicht halber konzentriere ich mich zunächst auf das deutsche Kino, das über das Jahr verteilt immer mal wieder Perlen in die Lichtspielhäuser entlassen hat. Da wäre Jan-Ole Gersters poetisch-melancholischer, zweiter Spielfilm LARA mit einer famosen Corinna Harfouch (Platz 45). Auch das Kinderfilm-Abenteuer ROCCA VERÄNDERT DIE WELT (Platz 58), eine Art „Pippi Langstrumpf 2019“ hat es mir sehr angetan. Die Romanverfilmung AUERHAUS (Platz 61) kam auf der Zielgeraden des Jahres ins Kino und berührte mich mit seiner Geschichte über den Tod und das Leben damit auf sämtlichen Ebenen. Adolfo Kolmerer hat mit ABIKALYPSE (Platz 66) einen auf der Höhe der Zeit und seine Figuren jederzeit ernst nehmenden Jugendfilm abgeliefert, der zu Unrecht untergegangen ist. Und trotz des sperrigen Stoffes konnte mich auch DEUTSCHSTUNDE (Platz 73) – vorwiegend aufgrund der phänomenalen Landschaftspanoramen – begeistern.
30
Der beste DC-Superheldenfilm seit „Man of Steel“? Darüber darf gut und gern unterhalb dieses Beitrags gestritten werden, aber zumindest für mich entspricht diese Aussage der Wahrheit. Nach in meinen Flops der letzten Jahre auftretenden Gurken wie „Batman v Superman“, „Wonder Woman“ und „Aquaman“ – „Justice League“ und „Suicide Squad“ hatten immerhin noch ein paar Aspekte, die einen Sprung in meine Negativcharts verhinderten – kam mit SHAZAM! nun endlich mal wieder ein Film des Comicgiganten ins Kino, an dem ich so richtig viel Spaß hatte. Sicherlich mit ein Grund: Für mich gehört „Spider-Man: Homecoming“ zu meinen Lieblingsfilmen des konkurrierenden Marvel-Konzerns und „Shazam!“ trägt nun ganz viel dieser verspielten High-School-Comicattitüde in sich, kombiniert mit einigen sehr düsteren Tönen, bei denen die Handschrift des Horror-Regisseurs David F. Sandberg durchscheint. In der Hauptrolle brilliert derweil Zachary Levi als kleiner Junge im Superheldenkörper mit einem zuckersüß-stacksigem Auftritt. Wäre das Ende nicht wieder einmal so vollgestopft mit Effekten, wäre sogar noch eine höhere Platzierung drin gewesen.
29
Ich erkläre Regisseur Tim Trachte hiermit zur deutschen Regie-Wundertüte, denn nach dem vollkommen vermurksten „Benjamin Blümchen“ – Platz 20 in meinen diesjährigen Jahresflops – legt er mit der romantisch-dramatischen Romanverfilmung DEM HORIZONT SO NAH das exakte Gegenteil zu dem Kinderfilm-Kollateralschaden vor. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: An der Geschichte über einen todkranken Jungen und seine ihm stets zur Seite stehende Freundin, verkörpert von Jannik Schümann und der umwerfenden Luna Wedler, ist längst nicht alles super. Vor allem in der zweiten Hälfte überschlagen sich die Ereignisse regelrecht, was so gar nicht zur das Geschehen behutsam aufbauenden ersten Hälfte passt. Aber ich muss auch sagen: Nicht nur das Zusammenspiel zwischen den beiden Jungdarstellern ist absolut herzzerreißend. Ich bin damals ohne jedwedes Vorwissen ob des weiteren Filmverlaufs in „Dem Horizont so nah“ gegangen und habe regelrecht gespürt, wie mir durch die Geschichte nach und nach der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
28
In der Michael-Bay-Netflix-Produktion 6 UNDERGROUND gibt es im Finale eine Actionsequenz auf einem Schiff, in deren Verlauf sich die Tageszeit in einem Zeitraum von etwa 20 bis 30 Minuten dreimal (!!) ändert. Wir erleben einen Sonnenuntergang, eine Nacht und einen Sonnenaufgang – vollkommen willkürlich, genauso wie solche Szenen wie die aus dem Ruder geratene Verfolgungsjagd durch Florenz zu Beginn oder eine Szene mit einem Pool, der einmal zerschrottet plötzlich zehnmal so viel Wasser fasst wie es die Ausmaße hergeben. Doch wisst ihr, weshalb das alles funktioniert? Weil es sich im Kosmos dieser wahnwitzigen Actionhatz von Michael „Mir ist einfach alles egal“ Bay ereignet. Das hier ist kein in der Realität verwurzelter Actionfilm (selbst die „John Wick“-Unterwelt enthält mehr Wahrheit und Erdung als die überdreht gefilmte, grell ausgeleuchtete Werbespot-Welt von „6 Underground“), sondern pure Anarchie. Und ja: Man kann es hassen, dass Bay wirklich alles dem Style und dem Spektakel unterordnet. Aber man kann es auch bewundern, dass er für das beste Bild, den besten Shot stets nur das macht, was er will. Und ich tue genau das. Dieser Film ist pures Michael-Bay-Destillat!
27
Aus irgendeinem Grund hat TRAUMFABRIK in diesem Jahr ganz schön viel Staub aufgewirbelt. Und das, wo Martin Schreiers Liebesdrama zwischen Mauerbau und Babelsberger Filmstudios noch nicht mal von allzu vielen Leuten gesehen wurde – auch nicht, als er Ende des Jahres noch einmal eine kurze Wiederaufführung erhielt. So weit, so schade. Der Grund: Viele haben den Film nicht als das gesehen, was er ist: „Traumfabrik“ ist ein Märchen – und in seiner direkten, visuell hochwertigen Inszenierung, die niemals auch nur im Anschein eine Realität vorgaukeln will (dass er vor einem realen Setting, nämlich tatsächlich existierenden Filmstudios spielt, ist ja nun weiß Gott kein Indiz dafür, dass irgendwer davon ausgeht, dass diese Geschichte hier für bare Münze genommen werden soll!), auch noch ein angenehm realitätsfernes dazu. Es geht, ganz simpel, um eine umwerfende Liebesgeschichte, die zu Zeiten des Mauerbaus Grenzen überwindet. Damit bedient der Regisseur von „Unsere Zeit ist jetzt“ das deutsche Genrekino einmal auf völlig andere Art – nämlich auf einer nahezu ausgestorbenen.
26
Das Fantasy-Drama WILLKOMMEN IN MARWEN ist in meinen diesjährigen Jahrescharts wohl etwas, was man im Kino einen Sleeperhit nennen dürfte. Als ich den Film noch im Jahr 2018 das erste Mal habe sehen dürfen, wusste ich so gar nicht, wie ich die Geschichte um einen psychisch Kranken, der zwecks Traumabewältigung mit Puppen spielt, zu nehmen habe. Was sich mir aber eingebrannt hatte, war das einmal mehr herausragend-melancholische Spiel von Steve Carell, der sich mittlerweile zu einem meiner absoluten Lieblingsakteure gemausert hat. Bis heute habe ich „Willkommen in Marwen“ noch drei weitere Male gesehen – und die Story immer ein kleines bisschen mehr in mein Herz geschlossen. Noch immer entdecke ich immer mehr erzählerische Feinheiten und Ausstattungsdetails, erkenne an Carells Mark Hogencamp immer neue Wesenszüge und wenn man dann bedenkt, dass diese im Kern recht überdreht inszenierte und mit Kriegsploitation versehende Geschichte auf wahren Begebenheiten basiert, ziehe ich vor diese außergewöhnlichen Regieleistung Robert Zemeckis‘ meinen Hut.
25
Ari Aster – Meisterregisseur! Anders kann man diesen kurzen Text über meinen Platz 25 gar nicht beginnen, denn nachdem der Filmemacher im vergangenen Jahr mit „Hereditary“ ein spektakuläres Horrordebüt hingelegt hat, legte er 2019 mit MIDSOMMAR nach, wofür er sich einmal mehr auf seine Stärken der subtilen Horrorinszenierung besann. In seinem Film geht es um eine junge Frau, die nach einem schweren Schicksalsschlag in ihrer Familie eine Reise nach Schweden unternimmt, wo sich im Laufe ihrer Anwesenheit alles als ein wenig anders erweist, als es auf den ersten Blick scheint. Ein Horrorfilm bei Sonnenlicht, in dem der blanke Wahnsinn nicht durch Monster, Jumpscares oder Blut entsteht, sondern aus den toxischen Dissonanzen der Figuren – allein das ist schon einem Geniestreich gleichzusetzen. Doch wie Florence Pugh es außerdem gelingt, den sich um sie herum Bahn brechenden Terror voll und ganz in sich aufzusaugen, bis ihre Performance einer einzigen Tour-de-Force gleicht, ist zudem auch noch Schauspiel auf ganz hohen Niveau. In dieser Kombination gehört „Midsommar“ zu den erschreckendsten Filmen 2019.
24
Na, über den Kandidaten sprachen wir doch gerade erst im Zuge von „6 Underground“ – und so ehrlich muss man sein: An JOHN WICK: KAPITEL 3 kam actiontechnisch in diesem Jahr einfach nichts vorbei. Nachdem bereits die ersten beiden Filme in meinen Tops des jeweiligen Jahrgangs auftauchten, markiert der Abschluss der Trilogie (die ja bald um einen weiteren Teil ergänzt werden soll) den bisherigen Höhepunkt aus der berühmt-berüchtigten John-Wick-Unterwelt. Egal ob Killerbücher, Killerpferde oder Killerhunde – im dritten „John Wick“ wurde einfach alles zum Tötungsinstrument umgewandelt, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Und Regisseur Chad Stahelski hat mit seinen knallharten Stunts und seiner übersichtlichen (sowie dadurch besonders stilsicheren) Inszenierung dafür gesorgt, dass sich all das besonders gut genießen ließ. Mit Anleihen an alle möglichen Filme und Kampfstile aus dem asiatischen Raum und einer großen Portion Selbstironie gehörte „John Wick: Kapitel 3“ zu den besten, vor allem aber härtesten und sympathischsten Actionfilmen der vergangen Jahre. Und hey: Keanu Reeves!
23
Noch so ein Kandidat, der sich über die letzten zwölf Monate in meinen Jahrescharts gehalten und mehreren Rewatches standgehalten hat – aber um ehrlich zu sein: Adam McKay hat es einfach raus, trockene Themen auf höchst amüsante, bisweilen gleich mehrere Meta-Ebenen bedienende Art und Weise aufzubereiten. So auch im Falle von VICE – DER ZWEITE MANN, einem unkonventionellen Biopic über den einstigen Vize-Präsidenten der Vereinigten Staaten, Dick Chaney. Allein Christian Bales einmal mehr bemerkenswert-gestörte Körperverwandlung wäre eine Top-Platzierung wert (auch wenn der gute Mann langsam mal damit aufhören sollte – kann doch auf Dauer nicht gesund sein!). Doch McKay bietet, ähnlich wie in seinem nicht weniger geglückten Oscar-Kandidaten „The Big Short“, wieder einmal viel mehr. „Vice“ ist so etwas wie die Antithese zur gefeierten Serie „House of Cards“. In McKays Film wird die US-amerikanische Politik mit Anlauf der Lächerlichkeit preisgegeben, ohne dabei unter den Tisch zu kehren, dass es hinter ihren Kulissen bisweilen ganz schön morbide zugeht. Ein gelungener Tanz auf der Rasierklinge.
22
Nicht auf dem Schirm gehabt, an den Kinokassen untergegangen aber hier ausführlich gewürdigt: Mensch, was hat PLÖTZLICH FAMILIE für einen Spaß gemacht! Erstmal die Besetzung: Wer kann sich in einen Film mit Mark Wahlberg und Rose Byrne als Ehepaar nicht auf Anhieb verlieben (Wahlberg ist in Komödien einfach so viel besser als in Actionfilmen!)? Und dann kommen da ja noch die drei Kids, an vorderster Front Isabela Merced (damals noch Moner) hinzu, die ihre harmoniebedürftigen und gleichermaßen aufopferungsvollen Pflegeeltern regelmäßig in den Wahnsinn treiben. Was erstmal so klingt wie eine x-beliebige Komödie, widmet sich im Kern dem festgefahrenen Idealbild der Vater-Mutter-Kind-Familie und stellt es auf den Kopf. Dabei reißt Regisseur Sean Anders, der viele eigene Erfahrungen in diesem Film verarbeitete, auch unangenehmere Themen an und endet am Ende auf einer gleichermaßen hoffnungsvollen wie bittersüßen Note. „Plötzlich Familie“ ist trotz des austauschbaren Titels keine 08/15-Comedy, sondern ein fantastischer Film mit genauso viel Herz wie Köpfchen.
21
Für die letzte Platzierung in meinen Top 30 begeben wir uns wieder zurück in deutsche Gefilde und zu einem Film, der von der Kritik endlich auch mal so positiv aufgenommen wurde, wie er es verdient hat. In GUT GEGEN NORDWIND, der Verfilmung des gleichnamigen Briefromans, tauschen Nora Tschirner und Alexander Fehling regelmäßig E-Mails aus, bis sie sich irgendwann dadurch ineinander verlieben. Das schwierige Unterfangen, einen Austausch von Schriftstücken in eine leinwandtaugliche Romanze umzuwandeln, ist der Regisseurin Vanessa Jopp deshalb so hervorragend gelungen, weil sie ebenjene Schritstücke mit Leben füllt und vor allem füllen lässt: Nora Tschirner und Alexander Fehling spielen zuckersüß – und dabei sind sie in keiner einzigen Szene miteinander zu sehen. Trotzdem geben sie ihrer Faszination für den jeweils anderen ein Gesicht, schmachten sich um Kopf und Kragen und bekommen es dennoch hin, durch den Faktor „Schreiben“ nie in unnatürlichen Kitsch abzudriften. Am Ende hat man wohl keinem Leinwandpaar 2019 ihr Happy End so sehr gegönnt wie Emmi und Leo in „Gut gegen Nordwind“.
In den nächsten Tagen geht es hier weiter mit den Plätzen 20 bis 11…