2019 – Die Plätze 40 bis 31

Es ist vorbei! Zwölf Monate voller verschiedener Filme – satte 277 an der Zahl – weniger als im vergangenen Jahr aber dennoch mehr als der durchschnittliche Kinogänger jährlich zu Gesicht bekommt! Die ärgerlichsten, nervigsten und anstrengendsten Vertreter habe ich bereits in meinen Flops abgefrühstückt. Doch ich kann den Jahreswechsel nicht guten Gewissens antreten, ehe nicht auch all jene Filme ausführlich gewürdigt wurden, die mir in diesem Jahr ganz besonders am Herzen lagen. Entsprechend folgen an dieser Stelle und in den kommenden Tagen meine 40 Lieblingsfilme des Jahres 2018. Und weil das in den letzten Jahren ja immer schon so gut geklappt hat, weise ich nun noch einmal auf Folgendes hin: Hierbei handelt es sich nicht um die aus Kritikersicht besten Filme des Jahres, sondern ausschließlich um meine ganz persönlichen, vollkommen subjektiv ausgewählten Lieblingsfilme! Doch genug der Theorie! Hier kommen also meine ersten zehn Lieblingsfilme aus über 270, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember hierzulande in Deutschland erschienen sind. Und auch diesmal habe ich nicht bloß Kinofilme, sondern auch Direct-to-DVD-Produktionen und solche berücksichtigt, die auf Streamingplattformen und ohne deutschen Kinostart im Ausland erschienen sind. Viel Spaß!

40

Gerade erst aus dem Oscar-Rennen gekickt aber nun auf Platz 40 meiner Jahrescharts – immerhin damit kann sich die Regisseurin Nora Fingscheidt schmücken, die mit ihrem Jugenddrama SYSTEMSPRENGER einen Film von ungeahnter Wucht vorlegt. In ihrem Autorendebüt und erst zweitem Kino-Spielfilm als Regisseurin erzählt sie von einem kleinen Mädchen namens Benni, das aufgrund ihrer emotionalen und körperlichen Ausraster aus jedwedem erzieherischem Rahmen fällt – sie ist ebenjener titelgebender Systemsprenger, der die Erwachsenen um sich herum an den Rand des Wahnsinns und längst auch darüber hinaus treibt. Die Performance der minderjährigen Debütantin Helena Zengel, die demnächst einen Film mit Hollywoodstar Tom Hanks dreht, ist schier atemberaubend und animiert dazu, sich mehrmals aktiv von der Leinwand abzuwenden – einfach, weil man das dort Gezeigte nicht länger aushält. Und doch ist „Systemsprenger“ auch ein ruhiger, in den besten Momenten sehr zärtlicher Film, bei dem man den Eindruck hat, die Macher würden für ihre Protagonistin durchs Feuer gehen. Großartiges deutsches Kino!

39

Als nicht minder psychisch anstrengend erweist sich der Kandidat auf Platz 39 und für mich der Beweis, dass Noah Baumbach bei Netflix irgendwie besser aufgehoben ist als im Kino. Der zweite Film für den Streamingdienst, der zweite, der bei mir einen immensen Eindruck hinterlassen hat. Denn nach „The Meyerowitz Stories“ kommt nun MARRIAGE STORY, auf den ersten Blick ein Liebesfilm – eigentlich, aber in Wirklichkeit eine Geschichte über das Scheitern einer Ehe und das Heraufbeschwören eines Rosenkrieges durch zwei Anwälte, denen ihr eigenes Ansehen wichtiger ist als die Belange ihrer Mandanten. Scarlett Johansson und Adam Driver – vermutlich der talentierteste Schauspieler seiner Generation – spielen sich die Seele aus dem Leib und animieren einander zu Höchstleistungen. Egal ob nun ein emotionaler Zusammenbruch im verbalen Gefecht, eine überraschende Gesangseinlage oder der Versuch, den gemeinsamen Sohn von den Streitigkeiten fernzuhalten: Baumbach erweist sich auch in „Marriage Story“ einmal mehr als hervorragender Beobachter von Alltagssituationen und platziert jede Figur des filmischen Spielfeldes an der richtigen Stelle.

38

Aus der Kategorie „Ich bin vollkommen von einem Film überrascht, weil ich zuvor noch nie von ihm gehört habe, entsprechend ohne Erwartungshaltung ins Kino gegangen bin und eine verdammt tolle Zeit hatte“ kommt auf Platz 38 FIGHTING WITH MY FAMILY, die wahre Geschichte der Wrestlerin Saraya „Paige“ Knight und ihrer Familie. Dabei handelt es sich – trotz der publikumswirksamen Beteiligung von Action-Haudegen Dwayne Johnson – nicht etwa um einen typischen Sport- (oder eben Wrestling-)Film, sondern um ein akribisch den Werdegang seiner Protagonistin nachzeichnendes Porträt, das mitreißend und witzig geraten ist. Florence Pugh, die vielen erst durch einen zweiten, im weiteren Verlauf meiner Jahrescharts auftauchenden Film so richtig bekannt geworden sein dürfte, beweist bereits in „Fighting with my Familiy“ eine hohe Anpassungsfähigkeit und erweckt gemeinsam mit ihren Co-Stars eine Familie zum Leben, die einen Menschenschlag abseits der Hollywood-Norm verkörpert, auf den das Kino sonst nur selten blickt. Ein besonders deshalb so liebenswürdiger und durch und durch ehrlicher Film, der richtig viel Laune macht.

37

Der erste Animationsfilm in meiner Jahres-Top-40 stammt nicht aus dem Hause Disney oder Pixar und hat die breite Masse auch sonst nicht so sehr erreicht wie es die großen Studiofranchises tun. Eine Ungerechtigkeit sondergleichen, denn so dürfte mit EVEREST – EIN YETI WILL HOCH HINAUS vielen ein wundervoller Animationsfilm entgangen sein, der in Asien beginnt und einen anschließend und herausragend animierte Filmwelten bis hoch in den Himalaya entführt. Die eigentlich altbekannte Story von zwei komplett gegensätzlichen Figuren – in diesem Fall einem Mädchen und einem Yeti – die sich für eine gemeinsame Reise zusammenraufen und auf dem Weg zu besten Freunden werden, wird von den Machern auf so herzensgute und, ich kann es nur nochmal betonen, wunderschöne Weise dargeboten, dass man aus dieser fantastisch-kreativen Welt irgendwann gar nicht mehr hinaus will. Außerdem oute ich mich: Spätestens als in einer sehr markanten, erzählerisch wichtigen Stelle von „Everst“ Coldplays „Fix You“ ertönt, sind bei mir alle Dämme gebrochen. Ja, die von Dreamworks verstehen eben ihr Handwerk…

36

Was ganz Anderes findet ihr auf Platz 36 meiner Lieblingsfilme der vergangenen zwölf Monate. Und damit ein weiteres Mal eine dicke, fette Überraschung, denn als ich den ersten Trailer zu Philipp Stölzls Musical-Verfilmung ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK sah, hatte ich so gar keine Ahnung, dass es sich hierbei mal um einen meiner Lieblingsfilme 2019 handeln würde. Aber was soll ich sagen? Kaum ein Film hat mir mit seiner Musik, seinen knallbunten Farben und seinen so herausragend gut aufgelegten Darstellern eine bessere Zeit im Kino beschert, als diese theaterhafte Aneinanderreihung von Udo-Jürgens-Songs, die ich mir zwar freiwillig niemals anhören würde, die in diesem Kontext aber gar nicht anders können, als gute Laune zu bereiten. Natürlich muss man sich an diesen durch und durch künstlichen Look gewöhnen und ich verstehe jeden, der schon nach wenigen Minuten keinerlei Lust mehr auf das Gesinge und Getanze hat. Aber ich liste hier ja auch nicht die besten, sondern meine ganz persönlichen Lieblingsfilme auf. Und bei denen ist mir eben herzlich egal, ob diese den Geschmack der breiten Masse treffen.

35

Irgendwie war ich bei Jordan Peeles WIR lange Zeit unschlüssig, wie gut mir das Nachfolgewerk von „Get Out“ denn nun gefallen hat. Nach dem ersten Mal war ich begeistert, habe den Score rauf und runter gehört. Nach dem zweiten Mal, als ich bereits wusste, was auf mich zukommt, war die pure Faszination bereits ein Stück weit verschwunden und beim dritten Mal hatte ich plötzlich Gelegenheit, mir über eventuelle Leerstellen und sehr großzügig ausgelegte Logiken Gedanken zu machen. Doch letztlich geht es eben einfach nicht darum. Jordan Peele hat mit seinem Film eine Allegorie auf soziale Ungerechtigkeit geschaffen, bei der es nun mal nicht darum geht, ob sie vermeintlich logischen Ideen und Gedanken standhält, sondern um ein streng durchkalkuliertes Konzept, das für sich stehend einfach ganz hervorragend funktioniert. Und auch wenn ich den Mittelteil von „Wir“ als ein wenig zu zäh und lang erachte, ändert das letztlich nichts an meiner Faszination für den Film im Gesamten. Vielleicht werde ich ihn nicht so oft erneut schauen wie die anderen Platzierungen hier, aber ich werde immer sehr zufrieden an ihn zurückdenken.

34

Ich bin ein großer Fan von Pedro Almodóvar. Auch wenn ich längst nicht jeden seiner Filme mag (im Gegenteil: „Julieta“ empfand ich als derart grauenvoll, dass er für mich zu den schwächsten Filmen seines Jahrgangs zählte), sind die Welten, die der spanische Filmemacher kreiert, immer bemerkenswert faszinierend. In LEID UND HERRLICHKEIT erzählt er nun aus fast-autobiographischer Perspektive von seinem Leben. Antonio Banderas darf den Regisseur selbst spielen, auch wenn Almodóvar nie so ganz deutlich macht, was wirklich so passiert ist und wo er fiktional nachgeholfen hat. Genau das macht für mich die Faszination von „Leid und Herrlichkeit“ aus; ich begebe mich in die Hände eines Geschichtenerzählers und lasse mich treiben. Treiben durch wundervolle Kameraufnahmen von grellen-kreischender Farbgewalt, eingelullt von einem der besten und kraftvollsten Scores des Jahres und beseelt von den selbstkritischen Ansichten eines im Schmerz geborenen Mannes, der in spätem Alter noch Drogen zu nehmen beginnt und sich mit seinem Erzfeind aussöhnt. Ein Film, so qualvoll und wunderschön wie das Leben an sich.

33

Adam Driver, die Zweite – wie gesagt, ich denke, er ist der talentierteste Schauspieler seiner Generation! Nach seinem Mitwirken in Noah Baumbachs „Marriage Story“ war er dieses Jahr noch in Jim Jarmuschs Zombie-Komödie „The Dead don’t die“ (hat den Sprung in meine Top 40 knapp verpasst) und in „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“ (hat den Sprung er weniger knapp verpasst) zu sehen. In einer weiteren, kaum beachteten Rolle hat er bei mir allerdings den größten Eindruck hinterlassen. Und zwar in Scott Z. Burns‘ THE REPORT, der zu dieser Sekunde bereits bei Amazon Prime streambar ist. Darin spielt er einen engagierten CIA-Mitarbeiter, der hinter die geheimgehaltenen Berichte über die Folter an Terror-Verdächtigen gerät. Das ist harter Tobak und zugleich ein so wichtiges Thema, dass man froh sein kann, wie unterhaltsam und dennoch todernst es Burns hier aufgezogen hat. „The Report“ reiht sich in ein in Filme wie „Spotlight“ und veranschaulicht auf beklemmende Weise, wie abgrundtief böse der Mensch sein kann. Und Adam Driver als erzählerischer Mittelpunkt ist eh über jeden Zweifel erhaben.

32

Machen wir es uns gemütlich und begeben uns in die Hände von Jonah Hill, der dieses Jahr mit MID90S sein Regiedebüt abgeliefert hat. Und obwohl seine Geschichte über einen Skateboarder in den Neunzigern nicht weiter an meiner Lebensrealität vorbeigehen könnte, habe ich mich in der Obhut von Inszenator und Geschichtenerzähler Hill so gut gefühlt wie in nur wenigen anderen Filmen des sich dem Ende neigenden Kinojahres 2019. Wie herzlich und liebevoll die Skater-Jungs die unbeholfene Hauptfigur in ihrer Mitte aufnehmen erzeugt ein solch warmes Wohlgefühl beim Schauen, als befände man sich selbst gerade in den Armen der Clique. Und auch wenn dieser Bestandteil von „Mid90s“ gern vergessen wird, so möchte ich darüber hinaus auch nochmal den Score erwähnen. Denn wie Trent Reznor und Atticus Ross mit nur wenigen Instrumentalstücken – vier an der Zahl – dafür sorgen, das Flair des Films auch akustisch nochmal hervorragend stimmig zu untermalen, ist ganz großes Kino, das nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt viel mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte.

31

Es ist irgendwie ziemlich egal was Jason Reitman macht (also: Versau es kommendes Jahr nicht mit „Ghostbusters“!), ich steh drauf. Und zwar auch dann, wenn er sich für DER SPITZENKANDIDAT wieder einmal in politische Gefilde begibt und vom tragischen Schicksal eines der beliebtesten Männer im Land erzählt, dessen Beliebtheit binnen weniger Wochen gen Keller gerutscht ist. Gestolpert ist Gary Hart einst über eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Affäre. Und Reitman verarbeitet dieses Schicksal als Veranschaulichung dessen, wie der Politzirkus und der (Sensations-)Journalismus funktionieren, vor allem aber, wie das eine das andere bedingt. Trotzdem ist „Der Spitzenkandidat“ in erster Linie eine hochunterhaltsame One-Man-Show, getragen von Hugh Jackman, der seinen Status als „greatest Showman on Earth“ noch einmal festigt, indem er beweist: Es ist völlig egal, welche Rolle man ihm anbietet: er trägt und lebt sie. „Der Spitzenkandidat“ – ein früh im Jahr gestarteter Geheimtipp, den man sich nun zwischen den Jahren echt mal geben kann, da er einen mit einem guten Gefühl entlässt.

 

In den nächsten Tagen geht es hier weiter mit den Plätzen 30 bis 21…

2 Kommentare

  • also „Wir“ gehört zu meiner persönlichen Flop-List 2019. War ein Riesenenttäuschung. Fing toll an, aber was danach kam, war nur noch ein saftiges „HÄH?“

    • Der Regisseur setzte allein auf Atmosphäre. Wie du schreibst: Der Anfang war super. Danach wurde es stetig sinnloser. Nach dem Motto: „Eine schlüssige Story? Brauche ich nicht. Schließlich habe ich einen Oscar und noch eine Handvoll Nominierungen! Ich zieh das jetzt einfach durch und bastle mir alles so zusammen, daß ich irgendwann zu einem Ende komme. Aber das auch nicht wirklich. Ach, egal. Hauptache es sieht gut aus und fühlt sich spooky an. Die Leute werden es schon fressen.“ Scheint sich für ihn ja ausgegangen zu sein.

      Aber ich freue mich über die Aufnahme von Fighting With My Family in die Antje-Top 40. Der ist geil.

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