2018 – Die Plätze 20 bis 11

Vor einigen Tagen eröffnete ich an dieser Stelle meine Jahrescharts 20178 Was sich auf den Plätzen 40 bis 31 sowie 30 bis 21 befindet, könnt ihr in den jeweiligen Blog-Beiträgen nachlesen. Um Euch nicht weiter auf die Folter zu spannen, geht es nun mit den nächsten zehn Platzierungen weiter. Vorab jedoch ein bisschen Statistik: Ich habe vom 01. Januar bis zum 31. Dezember. 2018 exakt 271 Kinovorstellungen besucht (eigentlich noch mehr, das waren allerdings welche zu Filmen, die erst 2019 erscheinen). 40 mal besuchte ich reguläre Vorführungen, 231 mal waren diese ausschließlich für die Presse. 45 Filme habe ich im Kino verpasst und mussten von mir auf DVD oder via Pressestream/-screener nachgeholt werden. Hinzu kommen 36 Filme, die direkt im Heimkino erschienen sind und keine reguläre Kinoauswertung erhalten haben. Für meine Top 40 zur Auswahl standen insgesamt also 327 verschiedene Filme.
Bevor Ihr Euch nun meinen nächsten zehn Platzierungen widmet, kommen an dieser Stelle weitere ehrenwerte Nennungen. Nachdem ich das letzte Mal den Schwerpunkt auf das deutsche Kino gelegt habe, kommt hier eine Auswahl eher im Programmkino anzutreffender Produktionen, denen der Sprung in meine Tops nur knapp verwehrt blieb. Dazu zählen die Agatha-Christie-Verfilmung DAS KRUMME HAUS (Platz 41), Jason Reitmans Mutter-Drama TULLY (Platz 43), die hierzulande nur auf dem Fantasy Filmfest gezeigte Gruselmär DAS GEHEIMNIS VON MARROWBONE (Platz 46), genauso wie die holländische Dokumentaation THE STORY OF TOTILAS (Platz 47) über das teuerste Pferd der Welt. Nicht zu vergessen den eiskalten Crime-Thriller WIND RIVER (Platz 48) sowie die Filmmusik-Doku SCORE – EINE GESCHICHTE DER FILMMUSIK (Platz 50).
20
Einen solchen Backlash wie zu Florian Henckel von Donnersmarcks WERK OHNE AUTOR habe ich in meinen vielen Jahren Kritikerdasein noch nie erlebt, gepaart mit einer Tenor-Spanne von überwältigt-begeistert (vor allem in den USA) bis hin zu beleidigend-desaströs (vor allem in Deutschland). Und ich muss sagen: Ich kann mir diese Abwehrhaltung hiesiger Kollegen nur mit der allgemein wahrnehmbaren Negativstimmung gegenüber eines Regisseurs erklären, der sich von mieser Kritik nie hat einschüchtern lassen und immer schon das getan hat, was er wollte. Und dann erklärt er dem Feuilleton in „Werk ohne Autor“ auch noch, wie Kunst funktioniert – wie kann er nur!? Womit wir aber auch schon beim Thema sind: Für mich funktioniert Von Donnersmarcks Film nicht unbedingt deshalb, weil hier – wieder einmal – deutsche sowie deutsch-deutsche Geschichte nacherzählt wird, sondern weil es hier um Kunst geht und darum, was sie nähert und wie sie entsteht. Das gepackt in ein Drei-Stunden-Epos mit feinsten Schauspielern besetzt, ergibt für mich klar einen der besten Filme des Jahres, dem ich für die Oscars die Daumen drücke!
19
Erst war ich enttäuscht, dann habe ich drüber nachgedacht und dann war ich begeistert von Paul Feigs Thrillersatire NUR EIN KLEINER GEFALLEN, wodurch sich der „Ghostbusters“-Regisseur zu einem meiner liebsten Comedy-Macher überhaupt empor geschwungen hat (ja, das „Ghostbusters“-Remake ist ein unerkanntes Meisterwerk, nehmt das!). Mal ungeachtet dessen, dass die beiden stets top gekleideten Hauptdarstellerinnen hier eine Chemie an den Tag legen, die ihresgleichen sucht, macht „Nur ein kleiner Gefallen“ vor allem seine unberechenbare Tonalität aus. Ist das Ganze nun als Nachdichtung zu verstehen, oder doch bitterer Ernst? Wo genau rührt hier das Unbehagen her? Und wie hat Paul Feig es hingekriegt, dass all die noch so unglaubwürdigen, teilweise kilometerweit gegen den Wind zu riechenden Twists am Ende doch zünden? Vermutlich weil wir es hier mit einem Potpourri an Thriller-Mechanismen zu tun haben, die uns binnen zwei Stunden aufzeigen, wofür man das Genre entweder liebt oder hasst. Und da ich nun mal in die erste Kategorie gehöre, hatte ich hieran mächtig Spaß.
18
Obwohl im Falle von OCEAN’S 8 der Innovationsfaktor ausbleibt – ergo: Wir kennen all das, was hier passiert, nur dass es diesmal eben von einer Frauencombo dargeboten wird – hatte ich an der Heist-Komödie rund um Sandra Bullock, Cate Blanchett, Rihanna, Anne Hathaway, Sarah Paulson, Mindy Kaling, Helena Bonham Carter und Awkwafina ebenfalls viel Spaß. Dies liegt gar nicht zwingend an der eigentlich altbekannten Story, sondern in erster Linie an der Machart. Regisseur Gary Ross hat hierfür nämlich nicht bloß mit meinem absoluten Lieblingskomponisten Daniel Pemberton zusammengearbeitet, sondern nutzt für seine kurzweilige Inszenierung alles, worauf ich stehe: Auf jede Menge Splitscreans zum Beispiel, oder auf Bildmontagen zu eingängiger Musik. Nun wäre es im Anbetracht der doch eher konventionellen Bilder zu viel des Guten, „Ocean’s 8“ in die Kategorie „Style over Substance“ zu packen. Aber hey: Das hier ist einfach genau meine Art Film. Und wenn ich den finalen Twist nicht doch ein wenig lieblos finden würde, wäre er noch viel weiter oben in meinen Jahrescharts.
17
Ich habe es lange nicht erlebt, dass sich ein Film in meiner Gunst derart steigern kann wie das Musikerdrama A STAR IS BORN. Nach meinem ersten Kinobesuch bin ich ernüchtert aus dem Saal gegangen. War ich mir doch vorab sicher, dass es hier um die Aufstiegsgeschichte der von Lady Gaga verkörperten Sängern gehen sollte; was zum Teufen hatte sich also Bradley Cooper dabei gedacht, seine Figur immer wieder in den Vordergrund zu rücken? Doch mit der Zeit habe ich verstanden, dass das hier eine die Schicksale von zwei Menschen parallel erzählende Liebesgeschichte ist, die so weit geht, dass am Ende des Films eine Person das Lied der jeweils anderen singt und jede Zeile trotzdem eins zu eins auch auf sie passt. Unter diesen Umständen war ich von „A Star is Born“ schließlich einfach nur begeistert und zutiefst berührt. Die Kameraarbeit, die Inszenierung, die Musik, die Darsteller – hier stimmt einfach alles und wenn einen das (zumindest für mich) unvorhergesehene Ende so richtig ins Mark trifft, kann man in den letzten zehn Minuten eigentlich gar nicht mehr anders, als hemmungslos vor sich hin zu heulen.
16
Ganz andere Kost auf meinem Platz 16 mit der besten Comicverfilmung aus diesem Jahr (sorry, „Black Panther“, aber ich gehöre nicht zu deiner Fanbase!). Was habe ich mich auf das opulente Stelldichein meiner Marvel-Helden gefreut, immer mit dem Wissen, dass AVENGERS: INFINITY WAR auch mächtig in die Hose gehen kann. Man muss sich ja nur einmal das viel zu volle Plakat ansehen, um zu erahnen, was die Russo-Brüder hier zu stemmen hatten. Doch es ist ihnen gelungen: „Infinity War“ fühlt sich nicht wie viele kleine Filme an, sondern wie ein großer – und genau so soll es sein! Auch wenn hier und da die CGI-Effekte nicht ganz überzeugen und ich es als Ant-Man-Fan natürlich ein wenig enttäuscht war, dass der Mini-Held zumindest in diesem Teil des Avengers-Finales nicht dabei war, bin ich mächtig gespannt auf „Avengers: Endgame“ und darauf, wie die Macher mit der finalen Entwicklung umgehen, die mich beim ersten Schauen aus den Socken gehauen hat. Ich hoffe, der Film bleibt derart konsequent, wie es sich zumindest aktuell ankündigt…
15
Mehr noch als viele andere Filme in meinem Ranking hätte es DAS SCHÖNSTE MÄDCHEN DER WELT verdient gehabt, erfolgreich zu sein. Der Grund: Nach den bemerkenswert erfolgreichen „Fack ju Göhte“-Filmen hat Regisseur Aron Lehmann mit seiner modernen Version von Cyrano de Bergerac bewiesen, dass man einen hippen Jugendfilm erzählen kann, ohne dabei mit ätzenden Figuren um sich zu schmeißen und mit möglichst vielen Schimpfworten zu beweisen, wie (pseudo-)cool man ist. „Das schönste Mädchen der Welt“ hätte als Mischung aus Rap-Film und Liebesgeschichte vor dem Hintergrund einer Klassenfahrt mächtig schief gehen können, ist er aber nicht, weil alle Beteiligten das Wort Authentizität verinnerlicht haben. Hier wird so geredet, so gerappt und so miteinander interagiert, wie es Teenies heute tun. Und obendrein sind nicht nur die Songs absolute Ohrwürmer, auch die Chemie zwischen sämtlichen Darstellerinnen und Darstellern ist hervorragend. Das ist ganz großes deutsches Kino, das den Ruf der hiesigen Filmlandschaft eigentlich im Alleingang wiederherstellen könnte, wenn’s denn mal Leute gucken würden.
14
Es bleibt musikalisch und doch ist Gaspar Noés CLIMAX ein völlig anderer Film als die zuletzt genannten „Das schönste Mädchen der Welt“ und „A Star Is Born“. In dem unkonventionellen Tanzfilm gerät eine Party außer Kontrolle, als sich herum spricht, dass irgendjemand Drogen in die Sangria gemischt hat – was darauf folgt, ist so etwas wie „Step Up: mother!-Edition“, es ist die pure Raserei und Eskalation, während die Kamera unkontrolliert zwischen den wild zuckenden Körpern herumwirbelt und sich die Stimmung bis zum absoluten Exzess hochschaukelt. Dabei ist nicht bloß die Art und Weise spannend, wie Noé hier wieder einmal mit den Sehgewohnheiten des Zuschauers spielt, indem er Vorspann und Abspann wahllos über den Film verteilt, sich einer Dramaturgie konsequent entsagt und seinen Darstellern Worte in den Mund legt, die die FSK-Freigabe ab 16 großzügig erscheinen lassen. „Climax“ ist ein audiovisuelles Kunstwerk, das alle Sinne anspricht. So etwas gibt es im so dialoglastigen Kino unserer Zeit kaum noch, sodass man sich diesen Trip – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht entgehen lassen sollte. Auf eigene Gefahr, natürlich!
13
Was für ein wundervolles Nicht-Liebespaar, das hier in DESTINATION WEDDING eineinhalb Stunden lang zelebriert, wie schlecht es zueinander passt! Eigentlich würde es schon ausreichen, zu erklären, dass Victor Levins Film mit Winona Ryder und Keanu Reeves in den Hauptrollen beim zweiten Schauen noch immer genauso lustig war, wie beim ersten – denn allein das ist bei einer Comedy schon sehr selten. Doch woran liegt das? Es sind die herausragend lebensechten, trotz ihrer Weisheit zu jedem Zeitpunkt authentischen Dialoge, mit denen die Leidensgenossen ihre Zeit auf einer unerträglichen Hochzeit verbringen und dabei über den Sinn und Unsinn des Lebens, der Liebe und ihrer Existenz philosophieren. Anders als etwa in Hans Weingartners Kritikerliebling „303“ bleiben die Figuren dabei glaubwürdig und werden nie zu einem Idealbild hochstilisiert; selbst wenn „Destination Wedding“ gen Ende eine erwartbare Abzweigung nimmt, gönnt man diesen beiden das, womit sie für ihre Strapazen schließlich belohnt werden. Perfekte Länge, perfekte Kulisse, perfekte Schauspieler – gebt diesem Film eine Chance!
12
Ich hatte das Glück, Joseph Kosinskis NO WAY OUT – GEGEN DIE FLAMMEN schon im vergangenen Jahr sehen zu können und wusste trotzdem 365 Tage lang, dass dies einer der besten Filme 2018 sein würde. Ich sollte Recht behalten – und zwar vor allem, weil ich die hier nacherzählte Geschichte eines echten Feuerwehreinsatzes bei den Waldbränden in den USA vorher nicht kannte. Lange zieht Kosinski seinen Film wie ein klassisches Katastrophendrama auf. Und wir wissen alle, dass die Helden in einem solchen Film selten wirklich um ihr Leben bangen müssen. Doch hier ist das alles ein wenig anders und gerade deshalb so überwältigend. Hinzu kommt die Inszenierung: Kosinski nahm für seinen Film kontrolliert gelegte Waldbrände auf und ergänzte sie nur im äußersten Notfall mit Effekten aus dem Computer. Das Ergebnis lässt zu keinem Zeitpunkt die Frage offen, dass die im Film immer wieder an ihrem Heldenstatus zweifelnden Männer hier tatsächlich echten Flammen gegenüber standen. Das macht alles, was im finalen Drittel passiert, umso ergreifender.
11
Garniert mit einem fantastischen Interview mit Jessica Chastain darf MOLLY’S GAME meine Top 20 des Filmjahres 2018 abschließen. Ein Film über das Pokerspiel – also über eine Sache, die mich nach mehr als zwei Minute aggressiv macht, weil ich die Regeln nicht verstehe und nicht weiß, was das alles zu bedeuten hat. Aber mit dem Terminus „Pokerfilm“ wäre „Molly’s Game“ nicht ausreichend beschrieben. Aaron Sorkins Regiedebüt ist ein dialoggetriebener Mix aus Crime-Thriller, Charakterdrama und Momentaufnahme, der intensive Blick auf eine Frau, die trotz ihr Abdriften in die Illegalität nie ihr Gespür für Loyaliät verloren hat – die vielleicht zu gut war, für diese Welt. Jessica Chastain legt als titelgebende Molly Bloom vielleicht die beste Leistung ihrer bisherigen Karriere ab und spielt die Hauptrolle in einem Film, der – übrigens ein weiteres Mal unterlegt von der Musik Daniel Pembertons – nicht besser in mein Beuteschema passen könnte. Am Ende von „Molly’s Game“ ist der Puls mindestens genauso hoch, wie die Lust darauf, selbst Pokerspielen zu können. Das muss ein Film bei mir erstmal schaffen!
In den nächsten Tagen geht es hier weiter mit den Plätzen 10 bis 1…