Inferno

Mit INFERNO verfilmt Hollywoodregisseur Ron Howard bereits den dritten Roman von Dan Brown, rund um den von Tom Hanks verkörperten Symbologen Robert Langdon. Den Zuschauerzahlen der ersten beiden Filme nach zu urteilen, müsste das Thrillerabenteuer zwischen fünf und sechs Millionen Besucher in die Kinos locken. Wäre das der Qualität nach gerechtfertigt? Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Nach einem mysteriösen Unfall wird der erfahrene Symbologe Robert Langdon (Tom Hanks) mit einer Reihe von Hinweisen konfrontiert, die mit Dantes „Inferno“ zusammenhängen. Nachdem er in einem italienischen Krankenhaus mit Amnesie erwacht ist, tut er sich mit der jungen Ärztin Sienna Brooks (Felicity Jones) zusammen, die mehr über die Ereignisse zu wissen scheint, als er. Langdon hofft, dass sie ihm dabei helfen kann, seine Erinnerung wiederzuerlangen. Gemeinsam hetzen sie in einem Wettlauf gegen die Zeit durch ganz Europa, um einen Wahnsinnigen davon abzuhalten, einen globalen Virus freizusetzen, der die halbe Weltbevölkerung auslöschen würde. Seiner Auffassung nach ist die Menschheit das Virus – und Inferno die Heilung.
Kritik
Der Kinostart des dritten Robert-Langdon-Abenteuers „Inferno“ wird mehr über die sich ändernden Sehgewohnheiten deutscher Filmliebhaber aussagen, als es uns bewusst ist. „Illuminati“ und „The Da Vinci Code – Sakrileg“ lockten in ihren jeweiligen Erscheinungsjahren 2006 und 2009 zwischen fünf und sechs Millionen Besucher in die Kinos. Um denjenigen, die die Kinozahlen nicht Woche für Woche verfolgen, eine kurze Einordnung zu ermöglichen: Dieser Wert entspricht in etwa dem eines „Fifty Shades of Grey“ oder „Die Tribute von Panem“, während der bisher erfolgreichste Film dieses Jahres, „Zoomania“ nämlich, davon eine knappe Million entfernt ist. Eine sukzessive Kinomüdigkeit (oder ein Abebben der Dan-Brown-Manie?) oder das Resultat von offensichtlichem Qualitätsmangel? „Inferno“ wird darüber gewiss Aufschluss geben können, denn Cast und Crew sind nahezu identisch zu den ersten beiden Filmen, was auch auf die Qualität zutrifft. Sollten die Besucherzahlen dennoch nicht im Entferntesten an die Werte der beiden Vorgängerfilme heranreichen, könnte das entsprechend darauf hindeuten, dass wir selbst für jene Filme, die wir vor zehn Jahren noch geliebt haben, heute kein Ticket mehr lösen, sondern allenfalls auf die Heimkinoauswertung warten würden. Schade wäre das allemal für die Macher von „Inferno“, denn Howards Erwachsenenversion der „Die drei Fragezeichen“-Reihe besticht einmal mehr mit visueller Opulenz in James-Bond-ähnlichen Settings rund um den Erdball. Das muss man einfach auf der Leinwand erlebt haben.
In gewisser Weise könnte man „Inferno“ als Thrillervariante der erstklassigen „Mad Max: Fury Road“-Dystopie bezeichnen, denn die bereits dritte Verfilmung eines Dan-Brown-Romans ist letztlich nicht viel mehr als eine zweistündige Verfolgungsjagd. Doch anders als einmal quer durch die Wüste hetzen Robert Langdon und seine Partnerin Sienna Brooks hier eben von Florenz über Venedig nach Istanbul und wieder zurück und machen zwischendrin immer wieder Halt, um die einzelnen Hinweise in bester Detektivserien-Manier zu interpretieren. Im Anbetracht der ähnlich aufgezogenen Thriller „Illuminati“ und „Sakrileg“ mag sich hier gewiss ein Überdruss einzelner Motive einstellen. Manch eine Verwicklung könnte einem gar so bekannt vorkommen, dass vom Drehbuchautor David Koepp („Jack Ryan: Shadow Recruit“) als etwaige Plottwists angelegte Verwicklungen ein wenig zu deutlich als solche erkennbar sind. Trotzdem besitzt „Inferno“ durch sein permanent hohes Tempo einen schönen Drive, der die Figuren nie zu lang an einer Station verharren lässt. Langdon und Brooks kommen hier und da zwar ein wenig zu rasch auf die vielfältig auslegbaren Spuren derjenigen, die diese einst für sie hinterlassen haben. Gleichzeitig haben die ersten beiden Filme Langdon bereits so klar als überfähigen Symbologen eingeführt, dass die rasche Erkenntnis ob diverser Lösungsansätze nur diejenigen stören wird, die mit der Figur noch nicht vertraut sind. Weniger sinnig fügt sich dagegen die zu Beginn angedeutete Amnesie des Protagonisten in die Story ein. Dass der kurzzeitige Gedächtnisverlust Robert Langdon darüber grübeln lässt, weshalb er überhaupt in Florenz war, ist zwar nachvollziehbar. Dass er in einer Szene indes nicht einmal mehr das Wort für Kaffee kennt, ist sichtbar des Gags geschuldet, den die anschließend folgende Unterredung mit der schlagfertigen Sienna mit sich bringt.
Zieht man den Vergleich zu den ersten beiden Langdon-Thrillern, dann fällt auf, dass „Inferno“ weitaus weniger komplex, dafür deutlich durchdachter daherkommt, als „Illuminati“ und „Sakrileg“. War es durchaus möglich, im Falle dieser beiden Filme öfter als einmal den Faden zu verlieren, weil Ron Howard die vielen verschiedenen Erzählfäden erst sehr spät wieder miteinander verknüpfte, beschränkt sich die Opulenz bei „Inferno“ auf das Äußerliche. Erzählerisch bleiben stets Langdon und Brooks im Fokus. Nur vereinzelt wird parallel dazu auch erzählt, wer auf die beiden (und warum) überhaupt Jagd macht. So ergibt sich mit der Zeit ein viel intensiveres Gefühl für die Bedrohung, der die beiden Protagonisten ausgesetzt sind. Gleichwohl ist die Art ebendieser Bedrohung klarer einzuordnen und verliert ein Stück weit auch ihren Schrecken, wenn sich erschließt, dass hinter einem vermeintlich großen Komplott ein weiteres Mal nur die fragwürdigen Vorstellungen einzelner Zeitgenossen liegen, die auf Biegen und Brechen durchgedrückt werden sollen. So würde sich „Inferno“ mitunter fast „nur“ wie ein äußerst intensiver, nach höchsten technischen Standards inszenierter Krimi anfühlen, würde Ron Howard nicht die üblichen Motive der Dan-Brown-Literatur unterbringen, durch die auch „Inferno“ einen surrealen Touch erhält.
Wenn Robert Langdon zu Beginn von schrecklichen, visuell vor düsterer Faszination nur so sprühenden Visionen einer Apokalypse konfrontiert wird und sich innerhalb der zwei Stunden immer wieder einzelnen Motive aus diesen in der Realität wieder erkennen lassen, dann fragt man sich schon, inwiefern sich „Inferno“ auch diesmal auf die Gegebenheiten des Hier und Jetzt bezieht, oder nicht doch eine weiter reichende Macht dahinter steckt. Die Dan-Brown-Thriller zeichnete schon immer aus, dass sich die Story aus unterschiedlichen Genres zusammensetze, die ihre Ausflüchte im modernen Fantasy- und Horrorkino fand, die in „Inferno“ vor allem dann zum Tragen kommen, wenn sich die Ausmaße ebenjener Seuche erschließen, deren Freisetzung hier verhindert werden soll. Die kritischen Aspekte der Überbevölkerung reißt der Film jedoch nur an und nutzt sie stattdessen, um ein möglichst Grauen erregendes Schreckensszenario zu kreieren, das umso massivere Auswirkungen hat, wenn man die dem entgegen gesetzten Figuren sieht. Ein von Omar Sy („Monsieur Chocolat“) engagiert gespielter, hoch ambitionierter (aber mehr als einmal scheiternder) Cop und eine Handvoll Beamter, die in der Theorie wissen, wie man das Böse bekämpft, sind zu wenig, um etwas gegen die Seuche auszurichten. Gingen die Macher von „Inferno“ hier noch tiefer ins Detail, hätte man gar Aussagen darüber treffen können, inwiefern wir Aussätzige brauchen, um mit unkonventionellen Methoden zu Lösungen zu finden, die wir in unserer festgefahrenen Wertevorstellung nicht finden können. Doch der Film stellt sich ganz in den Dienst seiner Thriller-Herkunft, als die „Inferno“ ein weiteres Mal unkonventionelle, über seinen Genrerand hinaus blickende Unterhaltung bietet.
Fazit: Der im Vergleich zu den ersten beiden Filmen fast ein wenig zu bodenständig daher kommende Thriller „Inferno“ ist eine visuell vielfältige über weite Strecken hochspannende Verfolgungsjagd rund um den Erdball, angereichert mit einer Handvoll Rätseln, die Ron Howards neuesten Film wie eine Erwachsenen-Version der „Drei Fragezeichen“-Abenteuer erscheinen lassen.
„Inferno“ ist ab dem 13. Oktober bundesweit in den Kinos zu sehen.