Barb & Star go to Vista Del Mar

Wenn „Zoolander“-Albernheit auf „Brautalarm“- und „Spy“-Mädelspower trifft und Regisseur Josh Greenbaum das Ganze mit einer ordentlichen Portion „High School Musical“-Wahnsinn würzt, dann sind wir mittendrin in BARB & STAR GO TO VISTA DEL MAR, einem trotz seiner vielen sichtbaren Einflüssen echten Comedy-Unikum. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Barb & Star go to Vista Del Mar (USA 2021)

Der Plot

Barb (Annie Mumolo) und Star (Kristen Wiig) sind beste Freundinnen seit Kindertagen. Sie teilen alles miteinander. Auch den langweiligen Job in einem Möbelgeschäft, den sie sich mit langen Gesprächen und witzigen Anekdoten aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit versüßen. Doch als die Filiale geschlossen wird, stehen die beiden vor dem Nichts – und vor einem Urlaub, den sie sich von der Abfindung gönnen wollen. Auf Empfehlung einer Freundin reisen die beiden nach Florida. Genauer: nach Vista Del Mar. Hier geraten die Freundinnen in ein verrücktes Abenteuer, denn ein gar nicht so finsterer Bösewicht (Rose Abdoo) hat vor, die ganze Stadt auszulöschen…

Kritik

Als Ende 2019 bekannt wurde, dass Annie Mumolo und Kristen Wiig gemeinsam an einer neuen Komödie schreiben würden, tauchte in der Gerüchteküche Internet kurzzeitig die Vermutung auf, dabei könne es sich ja vielleicht um ein Sequel zu Paul Feigs Komödienhit „Brautalarm“ handeln. Der Grund: Wiig und Mumolo waren damals für das dazugehörige Drehbuch verantwortlich – und wurden für ebenjenes sogar für den Oscar nominiert. Doch die beiden nahmen den Mutmaßungen schnell den Wind aus den Segeln. Ihr neues Projekt „Barb & Star go to Vista Del Mar“ weist zwar keinerlei inhaltliche Verbindungen zu den Eskapaden rund um Annie, Lillian und Co. auf, der anarchische Tonfall des Autorinnenduos hat sich seit 2011 indes nicht geändert. Und es kommen noch eine ganze Reihe ähnlicher Einflüsse obendrauf: „Barb & Star go to Vista Del Mar“ ist eine über alle Maßen herzliche Geschichte über zwei beste Freundinnen, für dessen cartoonig aufbereiteten Spionage-Thrillersubplot die ebenfalls von Paul Feig inszenierte Actioncomedy „Spy – Susan Cooper Undercover“ Pate gestanden haben dürfte. Die affektiert-spleenige Charakterzeichnung der machtversessenen Schurkin und ihrer Handlanger könnte dagegen 1:1 aus einem „Zoolander“-Film stammen. Und wenn „Fifty Shades of Grey“-Beau Jamie Dornan schließlich in einer theatralischen Troy-Bolton-Gedächtnis-Choreographie die Seemöwen um Rat in Liebesdingen ansingt, fördert das bisweilen starke „High School Musical“-Vibes zutage.

Zwischen die Freundschaft von Barb (Anni Mumolo) und Star (Kristen Wiig) passt kein Blatt Papier.

Bei so vielen offensichtlichen Einflüssen – ganz gleich ob die Referenzen nun beabsichtigt sind oder nicht – darf man die Frage stellen, inwiefern das Endergebnis denn überhaupt noch einen eigenen Reiz hat oder ob der Reiz einfach nur davon ausgeht, die Vorbilder zu erkennen. Doch „Barb & Star go to Vista Del Mar“ ist entgegen des ersten Eindrucks keine plumpe Zitate-Schleuder, sondern ein ganz und gar eigenständiger Film. Der gleichermaßen herzliche wie stets arg alberne Tonfall mag zwar an die zu Beginn genannten Filme erinnern, doch dies geschieht nicht infolge grobschlächtigen Fanservices. Stattdessen setzt Langfilm-Debütant Josh Greenbaum (inszenierte zuvor unter anderem mehrere Folgen der Sitcom „New Girl“) ähnliche Schwerpunkte wie seine Kollegen Feig, Stiller und Co. Der Grundbaustein ist hier die Freundschaft zwischen Barb und Star, die Annie Mumolo und Kristen Wiig voller Inbrunst verkörpern. Mit ihren hohen Stimmen, ihrem sehr schnellen Sprechtempo sowie ihrem sehr rhythmischen, fast Singsang-ähnlichen Duktus, vor allem aber auch im Anbetracht ihres äußeren Erscheinungsbilds sind Barb und Star ein Stückweit Karikaturen eines typisch US-amerikanischen Filmtypus: die gelangweilte Middle-Aged Woman, die sich nie selbst verwirklichen konnte und nun im Alltagstrott feststeckt; So ein Sommerurlaub am Meer ist da das Höchste der Gefühle und daher ein verdammt aufregendes Abenteuer. Doch mit ihrer ungebremsten Energie führen Wiig und Mumolo das sofort Klischee ad absurdum – und arbeiten sich mithilfe der zu jedem Zeitpunkt durchschimmernden Message darüber, dass Freundschaft das Wichtigste im Leben ist, aus der für sie vorgefertigten Stereotypen-Schublade heraus.

„Mit ihren hohen Stimmen, ihrem sehr schnellen Sprechtempo sowie ihrem sehr rhythmischen, fast Singsang-ähnlichen Duktus, vor allem aber auch im Anbetracht ihres äußeren Erscheinungsbilds sind Barb und Star ein Stückweit Karikaturen eines typisch US-amerikanischen Filmtypus: die gelangweilte Middle-Aged Woman, die sich nie selbst verwirklichen konnte und nun im Alltagstrott feststeckt.“

Mit einem unbändigen Optimismus und purer Lebensenergie (selbst die Erkenntnis, dass sie nicht in dem strahlenden Luxushotel an der Strandpromenade residieren, in dem sie die Hotelcrew eben noch mit einer peppigen Musicalchoreographie willkommen geheißen hat, sondern in einem heruntergekommenen Motel mit wasserlosem Poolbecken lässt die Frauen nicht resignieren – sie haben ja immer noch einander!) stürzen sich die beiden Frauen in den Sommerurlaub im fiktiven Touristenstädtchen Vista del Mar. Parallel dazu entwickelt sich ein nicht minder schrilles Thrillerszenario, in dem eine leichenblasse Schurkin mit haarsträubender (und haarsträubend-origineller) Origin-Story die Auslöschung der Vista-del-Mar-Bewohner:innen plant. Zwar ist der tonale Kontrast, den die Ereignisse im sonnengetränkten Vista Del Mar und jene im Schurkinnen-Hauptquartier unter der Erde bisweilen heraufbeschwören mitunter ziemlich gewaltig; erscheinen gar wie zwei vollkommen unterschiedliche Filme. Doch nicht nur aus diesen vermeintlich unvereinbaren Gegensätzen entsteht ein gewisser Reiz, letztlich bleibt die zelebrierte Albernheit das Bindeglied beider Episoden – personifiziert in Jamie Dornan. Der durch seine Rolle als Christian Grey bekannt gewordene (und dadurch immer ein wenig belächelte) Mime zeigt sich in „Barb & Star go to Vista Del Mar von einer ganz anderen Seite und zieht für diesen offen zur Schau gestellten Image-Wechsel vom sexy Hottie zum uneitlen Spaßvogel sämtliche Register. Mit einer theatralischen Musicalperformance als Höhepunkt, in der er unter anderem eine Palme hinaufklettert oder sich selbst als „Baby Ballerina“ bezeichnend an Ballettschritten versucht – alles hochsymbolisch aufgeladen, versteht sich.

Jamie Dornan zeigt sich in „Barb & Star go to Vista Del Mar“ von seiner musikalischen (und sportlichen) Seite.

Wie sehr „Barb & Star go to Vista Del Mar“ dabei in seiner eigenen Realität spielt, zeigt sich immer mal wieder an kleinen Details, die das ganze Szenario noch einmal zusätzlich überhöhen. Da ist die Schurkin beispielsweise in Besitz eines musizierenden Mäuse-Orchesters, Star findet am Strand Rat bei einer sprechenden Krabbe, die ihre Weisheit einem bewegten, an zahlreiche Morgan-Freeman-Filme angelehnten Leben zu verdanken hat und im Finale helfen einige mystische Entwicklungen dabei, die Katastrophe abzuwenden und Barb and Star zu den Heldinnen des Tages zu machen. Doch nicht nur die vereinzelten Fantasy-Einlagen sorgen für eine knapp zweistündige Realitätsflucht. Immer wieder platziert Josh Greenbaum im Hintergrund subtile Gags; vom Szenenaufbau, der sich innerhalb kürzester Zeit 1:1 wiederholt bis hin zum Restaurant-Pianisten, der wahlweise von seiner Liebe zu Brüsten oder aber von seinen ehemaligen (und mittlerweile toten) Schulkameraden singt – ihm hört ja sowieso keiner zu. „Barb & Star go to Vista Del Mar“ ist prädestiniert dafür, mehr als einmal angeschaut und auf seine unzähligen kleinen Details abgeklopft zu werden, die dieses selbstbewusst vorgetragene und hochwertig produzierte Kuriositätenkabinett mit Leben füllen. Und Josh Greenbaum etabliert sich als hoffnungsvolles Comedy-Talent, das sich mit seinem ersten Werk in eine Riege mit Ben Stiller, Paul Feig, Will Ferrell und Adam McKay (beide treten hier als Produzenten in Erscheinung) einreiht.

„Immer wieder platziert Josh Greenbaum im Hintergrund subtile Gags; vom Szenenaufbau, der sich innerhalb kürzester Zeit 1:1 wiederholt bis hin zum Restaurant-Pianisten, der wahlweise von seiner Liebe zu Brüsten oder aber von seinen ehemaligen (und mittlerweile toten) Schulkameraden singt.“

Doch selbst ein Film wie „Barb & Star go to Vista Del Mar“ lebt nicht vollends von seiner Albernheit. Kristen Wiig und Annie Mumolo haben um das Pointen-Dauerfeuer einen klassischen Dreiakter gestrickt, dem man eine gewisse Vorhersehbarkeit zwar nicht absprechen kann, aus der die Darsteller:innen jedoch das Beste herauszuholen wissen. Es mag zwar wenig überraschend sein, dass sich die beiden Protagonistinnen in einem Film über Freundschaft am Tiefpunkt der Geschichte verkrachen, doch in „Barb & Star go to Vista Del Mar“ geht es nie um das „Was“, sondern immer um das „Wie“. Und die Art und Weise wie sich die beiden BFFs aus ihrem Konflikt herausmanövrieren, ist dann schon wieder so umwerfend komisch, dass man gewisse abzählbare Storybeats gern in Kauf nimmt.

Fazit: „Barb & Star go to Vista Del Mar“ macht sich jetzt schon einen Namen als der Feel-Good-Film des Jahres und zelebriert hemmungslose Albernheiten genauso leidenschaftlich wie die emotionalen Themen Freundschaft und Vertrauen. Garniert mit einem singenden und tanzenden Jamie Dornan, sprechenden Tieren und musizierenden Mäusen muss man dieses filmische Kuriosum selbst gesehen haben, um es zu glauben. Vorausgesetzt, man ist dem quatschigen Exzess nicht vollends abgeneigt.

„Barb & Star go to Vista Del Mar“ ist ab sofort bei US-amerikanischen Streamingdiensten verfügbar.

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