Verónica – Spiel mit dem Teufel

Um den spanischen Horrorthriller VERÓNICA – SPIEL MIT DEM TEUFEL hat sich dank Netflix ein eigener kleiner Hype kreiert. Doch die Geschichte darum ist deutlich spannender als der Film selbst. Mehr dazuz verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Den Geist des toten Vaters zu beschwören, ist keine gute Idee. Erst recht nicht, wenn man dafür eines der berüchtigten Ouija-Boards verwendet und bei der Gelegenheit die Pforten für etwas sehr viel Bösartigeres öffnet. Das muss auch eine junge Frau namens Verónica (Sandra Escacena) feststellen, die gemeinsam mit ihren jüngeren Geschwistern bald unsagbaren Schrecken ausgeliefert ist und alles dafür tun muss, den Geistern, die sie rief, wieder zu entkommen…

Kritik

Manchmal ist die Geschichte rund um einen Film spannender als der Film selbst. So auch im Falle von „Verónica – Spiel mit dem Teufel“, für den sich seit seines Erscheinens im Oktober 2017 auf DVD und Blu-ray vermutlich Niemand interessiert hätte, wäre er kurz darauf nicht auch beim Streamingdienst Netflix verfügbar gewesen und hätte sich dort einen zweifelhaften Ruf erarbeitet – jenen als „gruseligster Film aller Zeiten“. Wie genau das passiert ist, lässt sich selbst mithilfe mühevoller Recherchen kaum noch zu einhundert Prozent nachvollziehen. Fakt ist: Nachdem mehrere Seiten im Internet gemeldet hatten, bei „Verónica“ sei die Absprungquote der Konsumenten überraschend hoch (was Netflix übrigens bei diesem konkreten Beispiel nie öffentlich kommuniziert hatte!), zogen diverse Medien- und Nachrichtenportale daraus den Schluss, der Film sei schlichtweg zu gruselig, um ihn bis zum Ende zu gucken. Dass „Verónica“ möglicherweise auch einfach so langweilig ist, dass ein Großteil der Nutzer gar nicht das Interesse daran hat, ihn bis zum Ende zu schauen, kam den berichterstattenden Websites – zumindest vorerst – nicht in den Sinn. Ein Hype war geboren – den Aufrufzahlen des Direct-to-DVD-Schockers haben diese Gerüchte definitiv gut getan. Und unter den Benutzern ist das Feedback zwiegespalten: Für die Einen ist „Verónica“ tatsächlich das gruseligste Stück Film, das je gedreht wurde, für die Anderen eben nicht – und wer in seinem Leben bislang auch nur irgendeinen Horrorfilm gesehen hat, der kommt zu dem Schluss: Die Anderen haben Recht!

Sandra Escacena feiert in „Verónica“ ihr Schauspieldebüt.

In seinem Produktionsland Spanien kam „Verónica – Spiel mit dem Teufel“ ganz regulär in die Kinos, lief auf einigen renommierten Filmfestivals wie jenem von Toronto und hat sich auch abseits seines zweifelhaften Netflix-Hypes eine kleine Fangemeinde aufgebaut. Der Grund dafür liegt vermutlich in der der Geschichte zugrunde liegenden Vorlage: Im Horrorgenre gehört es zwar zum guten Ton, zu behaupten, ein Film würde auf wahren Ereignissen basieren, diesmal ist es aber wirklich so – also so ganz, ganz ehrlich! Zumindest geistert die Story vom ersten spanischen Polizisten, der in seinem Protokoll paranormale Ereignisse schildert, schon seit 1991 durch die spanischen Nachrichten: Die 18-jährige Estefania Gutiérrez Lázaro hatte nach dem Gläserrücken mit Freundinnen unheimliche Visionen, in den vier Wänden ihrer Familie ereignete sich Übernatürliches, sie starb rund vier Monate nach den Vorkommnissen und ließ verstörte Eltern und Geschwister zurück. Ein zurate gezogener Cop soll Zeuge derartiger Ereignissee gewesen sein – seither ist die Geschichte in Spanien bekannt und gilt als unumstößlicher Beweis für die Existenz übernatürlicher Wesen. Das ist eine durchaus spannende Ausgangslage, doch zumindest in der Filmversion sieht der Zuschauer nichts Anderes als das kleine Einmaleins des Spukkinos. „Based on true Events“ hin oder her: Der durch die „[Rec]“-Filme bekannte Regisseur Paco Plaza hat für die Leiden seiner Protagonistin nicht mehr auf Lager, als Klischees, Klischees und nochmal Klischees.

Dabei zeugt die Zeichnung des Umfeldes, in dem das Grauen später Einzug erhält, zunächst noch von weitaus mehr Kreativität: Im Mittelpunkt steht ein ganz normales Mädchen der Mittelschicht, das sich nach dem Tod des Vaters um seine jüngeren Geschwister kümmern muss, während die Mutter arbeitet oder schläft. Die familiäre Bindung ist eng und obwohl man wenig zum Leben hat, hält man zusammen und versucht, sich das Leben so leicht wie möglich zu machen. Nicht nur die Figurenkonstellation ist spannend, auch das Setting: Die Hauptfiguren wohnen nicht in einem schmucken Anwesen, sondern in einem riesigen Hochhaus – eine durchaus ungewöhnliche Kulisse für einen Horrorfilm, wo das Grauen doch sonst vornehmlich auftaucht, wenn man sich möglichst abgeschieden befindet. In „Verónica“ den Eindruck aufrecht zu erhalten, das Gezeigte sei tatsächlich so passiert, funktioniert zu Beginn also noch ganz gut. Auch Verós leichtsinniger Übermut, unbedingt Gläserrücken zu wollen, ist in seiner Harmlosigkeit zunächst noch nachvollziehbar – kurz nach dem Tod mit dem geliebten Elternteil in Kontakt zu treten, das man kürzlich verloren hat, ist schließlich ein naheliegender Wunsch. Doch die Verbindung zwischen Geisterbeschwörung und Sonnenfinsternis ist der erste inszenatorische Kniff, der nicht so recht zündet (irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass beides doch enger zusammenhängt, als es die Inszenierung andeutet, das Skript aber nicht ausarbeitet) und wenn Veró erst einmal von irgendetwas besessen ist, eröffnet sich dem Zuschauer klassisches Exorzismuskino frei von erzählerischen Finessen – und richtig gruselig ist das alles auch nicht.

Verónica versucht, ihrem kleinen Bruder die Angst zu nehmen.

Natürlich braucht ein Film nicht jedes Mal das Genre neu erfinden, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen – die „Conjuring“-Filme käuen auch nur bekannte Haunted-House-Motive wider, doch in diesem Falle hat James Wan gelernt, dieses spezielle Horrorsubsegment zu perfektionieren. Im Falle von „Verónica“ kann von Perfektion keine Rede sein: Die Verantwortlichen haben zwar solide (Kinder-)Darsteller gecastet (Hauptdarstellerin Sandra Escacena empfiehlt sich in ihrem Debüt für intensivere Rollen) und in einer Handvoll Szenen kündigt sich an, dass die Drehbuchautoren Fernando Navarro („Muse“) und Paco Plaza Ideen gehabt hätten, um ihre 08-15-Geschichte aufzupeppen – etwa wenn Veró eines Morgens schweißgebadet aufwacht, weil sie geträumt hat, ihre Geschwister hätten sie bei lebendigem Leibe gegessen – doch so ganz ohne kreative Kamerafahrten und stimmungsvolle Musik gehen selbst wasserdicht konstruierte Jumpscares nicht auf. Für Einsteiger und Zartbesaitete eignet sich „Verónica – Spiel mit dem Teufel“ möglicherweise, um zu verstehen, wie Horrorfilme in der Theorie funktionieren. Wen die Faszination für das Genre jedoch längst befallen hat, der sieht hier nichts, was er nicht woanders – und vor allem: schon besser! – gesehen hat. Da können die Macher noch so oft behaupten, das Gezeigte hätte sich so in der Form wirklich zugetragen.

Fazit: Das wirklich Beeindruckende an „Verónica – Spiel mit dem Teufel“ ist der lange Zeitraum, in dem das Gerücht vom gruseligsten Film aller Zeiten aufrechterhalten wurde. In Wirklichkeit ist dieser hier das natürlich nicht, sondern einfach nur ein unterdurchschnittlicher Exorzismusschocker vor stimmiger Kulisse mit soliden Darstellern, aber weitgehend ohne Spannung.

„Verónica – Spiel mit dem Teufel“ ist auf DVD und Blu-ray erhältlich, sowie bei Netflix streambar.

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