A Quiet Place 2

Über ein Jahr nach seinem ursprünglichen Veröffentlichungstermin schafft es der in den Vereinigten Staaten hervorragend gestartete A QUIET PLACE 2 auch in die deutschen Kinos. Leider setzt das Sequel jene Schwächen fort, mit denen auch schon der erste Teil einen Teil des Publikums vor den Kopf stieß. Wer nicht dazugehörte, dürfte derweil auch am Sequel Spaß haben. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Die tödliche Gefahr durch die ebenso grausamen wie geräuschempfindlichen Kreaturen ist noch immer allgegenwärtig. Jeder noch so kleine Laut könnte ihr letzter sein. Evelyn (Emily Blunt) ist mit ihren Kindern Regan (Millicent Simmonds), Marcus (Noah Jupe) und dem Baby nun auf sich allein gestellt. Weiterhin muss die Familie ihren Alltag in absoluter Stille bestreiten. Als sie gezwungen sind, sich auf den Weg in das Unbekannte aufzumachen, merken sie schnell, dass hinter jeder Abzweigung weitere Gefahren lauern. Eine lautlose Jagd beginnt…
Kritik
Das was Anfang des vergangenen Jahres mit dem Horrorsequel „A Quiet Place 2“ geschehen ist, steht stellvertretend für das Schicksal vieler, vieler von Corona gebeutelter Filme. Zudem war John Krasinskis Nachfolger des Survivalschockerhits von 2018 einer der ersten Filme, an dem sich hierzulande ablesen ließ, wie die Pandemie das Kinogeschehen durcheinanderwirbelte. Im März 2020 stellte das Pressescreening zu „A Quiet Place 2“ für die Verfasserin dieser Zeilen das letzte vor den Kinoschließungen während des ersten Lockdowns dar. Kurz darauf wurde der Kinostart mehrmals verschoben. Mittlerweile haben wir 15 Monate später. Nicht mehr lange und auch die Allgemeinheit bekommt den Film zu sehen. In den USA steht sein Erfolg derweil ebenso symptomatisch dafür, wie die mehrere Monate, bisweilen gar über ein Jahr verschobenen Großproduktionen der Filmstudios dazu beitragen, das Kinogeschehen wieder anzukurbeln. Mit 48 Millionen US-Dollar zum Start und insgesamt 58 Millionen am verlängerten Feiertagswochenende wurde „A Quiet Place 2“ dato zum erfolgreichsten Nach-Pandemie-Kinostart in den Staaten. Selbst der zugegebenermaßen gerade erst in Übersee gestartete „Conjuring 3 – Im Banne des Teufels“ kam an seinem Startwochenende nicht an dieses phänomenale Ergebnis heran. Ob der Film hier ebenso einschlagen wird, steht vor allem deshalb in den Sternen, weil die Filmverleiher in den kommenden Wochen unzählige Großproduktionen veröffentlichen. Parallel zu „A Quiet Place 2“ startet mit „Freaky“ sogar ein weiterer, wenngleich tonal anderswo verorteter Horrorfilm. Doch keine Sorge: Wer Fan des Erstlings war, wird den Kinobesuch des Sequels nicht bereuen. Das gilt allerdings auch für all jene, die sich bereits beim ersten Teil an diversen (Logik-)Lücken störten.
Wenn der erste Teil von „A Quiet Place“ vor drei Jahren einen großen Vorzug hatte, dann war es seine Atmosphäre. Die Prämisse von einer dystopischen Zukunft, in der höchst akustiksensible Aliens die Welt bevölkern und bei jedem kleinsten Geräusch ihre Gegner (= Menschen) ausmerzen, war wie prädestiniert dafür, das Publikum für eineinhalb Stunden stumm und kaum atmend im Kinosaal zu hinterlassen. Nicht einmal das Popcorn mochte man anrühren – so intensiv etablierte der Regisseur, Drehbuchautor, zweiter Hauptdarsteller und Emily-Blunt-Gatte John Krasinski („Die Hollars – Eine Wahnsinnsfamilie“) die Grundidee. Ebendiese Stärke konnte der Genrehybrid aus Monsterhorror, Sci-Fi-Action und Survivaldrama eine ganze Zeit lang ausspielen, bis in der zweiten Hälfte nicht nur das inhaltlich vermeidbare Getöse überhandnahm, sondern vor allem zahlreiche innerlogische Patzer. An dieser Stelle stellt sich dem Publikum folgende Frage: Nimmt er zu Gunsten der Atmosphäre die bisweilen überdeutlichen Logiklücken in Kauf, oder kann er sich daraufhin nicht mehr auf die Stärken des Films konzentrieren? Unsereins gehörte dato zur letzteren Kategorie und kann bis heute nicht verstehen, weshalb in der für diesen Umstand besonders symptomatischen Szene an einem donnernden Wasserfall erklärt wird, dass das Wasserrauschen die Verbalinteraktion der Menschen übertüncht, bislang jedoch offenbar niemand auf die Idee kam, eine Behausung an diesem Ort zu wählen. Auch das Finale wirkte schlicht zu konstruiert, um mitzureißen.
„Wenn der erste Teil von „A Quiet Place“ vor drei Jahren einen großen Vorzug hatte, dann war es seine Atmosphäre. Die Prämisse von einer dystopischen Zukunft, in der höchst akustiksensible Aliens die Welt bevölkern und bei jedem kleinsten Geräusch ihre Gegner ausmerzen, war wie prädestiniert dafür, das Publikum für eineinhalb Stunden stumm und kaum atmend im Kinosaal zu hinterlassen.“
„A Quiet Place 2“ beginnt nun mit einem Rückblick auf den Beginn der Alieninvasion und somit den Anfang der Katastrophe. Eine verdammt intensive Szene, die gar nicht lang sein muss, um ihr Ausmaß zu begreifen. Darüber hinaus waren die Aliens in ihrer ganzen Pracht schon in „A Quiet Place 1“ zu sehen, sodass auch von einer Entmystifizierung nicht die Rede sein kann, womit man bei einem Rückblick ja gern Gefahr läuft. Wenngleich diese Szene stark und aufgrund ihrer Perspektive aus den vier Wänden von Evelyns Auto auch ungeheuer beklemmend inszeniert ist (Kamera: Polly Morgan), spielt sie doch für den weiteren Filmverlauf keine Rolle mehr. Nach dem Prolog setzt „A Quiet Place 2“ nämlich nach dem Ende von Teil 1 an und folgt der mittlerweile nur noch vierköpfigen Familie auf ihrem weiteren Weg durch diese Welt, aus der die Menschheit so gut wie ausgelöscht scheint. Doch während im ersten Teil noch voll und ganz Evelyns und Lees Familie (Krasinskis Figur musste leider im Laufe des Films das Zeitliche segnen) im Zentrum des Geschehens standen, dauert es im Nachfolger nicht lange, bis die Vier auf weitere Überlebende stoßen. Das diesmal von John Krasinski vollständig allein – und vor allem entgegen seines ursprünglichen Willens, überhaupt ein „A Quiet Place“-Sequel inszenieren zu wollen – verfasste Skript nimmt sich ein wenig Zeit, um die bisweilen ziemlich kreativen Überlebens- und Selbstschutzmethoden von Evelyns Leidensgenoss:innen zu zeigen (wir erinnern uns: Im ersten Teil überzeugten vor allem kleine Details wie ein Brettspiel mit Filz- statt Holz- oder Plastikfiguren oder ein ausgeklügeltes Leuchtwarnsystem, um zu veranschaulichen, wie sich die Menschen in dieser Welt mit der Situation arrangiert haben). Doch schon sehr bald teilt sich die Handlung auf, wenn Evelyn ihre Kinder in dem riesigen Ofen einer verlassenen Industriehalle versteckt, während sie die Gegend erkundet. Schon dieser Ofen offenbart einmal mehr die Schwächen der „A Quiet Place“-Filme; Wie schon in Teil eins macht es sich John Krasinski mit dem Spannungsaufbau oft arg leicht. Im „A Quiet Place 2“-Vorgänger war es noch ein rostiger Nagel im Fußboden, den Krasinski einfach viel zu aufdringlich als Foreshadowing inszenierte. Diesmal ist es die Idee, dass sich das Ofenversteck nur von außen öffnen lässt und das auch regelmäßig jemand tun muss, da im Inneren sonst der Sauerstoff zur Neige geht. Dass Krasinski dieses Detail nutzt, um gleich mehrmals auf dieselbe Art eine vorhersehbare „Auf den letzten Drücker“-Spannung aufzubauen, beginnt rasch zu langweilen.
Auch bei einem Ensemble-Neuzugang ist die Intention der Macher:innen sehr offensichtlich. Cillian Murphy („Free Fire“) alias Emmett hat die meiste Zeit über nicht mehr zu tun, als so undurchsichtig mit seinem Umfeld zu interagieren, dass sich seine Figur auf einen simplen Unsicherheitsfaktor reduzieren lässt. Ist er nun gut oder böse? Diese Frage wollen wir an dieser Stelle nicht beantworten. Fakt ist indes: Ein kreatives Charakterbuilding sieht anders aus. Dabei steht Murphy die Rolle des Unnahbaren (Vielleicht-)Widersachers einmal mehr gut zu Gesicht. Insbesondere im Zusammenspiel mit Blunt zieht er sämtliche Register, um die Doppelbödigkeit seiner Figur auszuloten. Auch Emily Blunt („Der Duft von wildem Thymian“) selbst und vor allem die auch im wahren Leben gehörlose Millicent Simmonds („Wonderstruck“) gehen in ihren Rollen einmal mehr hervorragend auf. Nur Noah Jupe („Le Mans 66 – Gegen jede Chance“) verbringt die meiste Zeit über mit seinem kleinen Bruder im Ofen und konzentriert sich hier vorwiegend darauf, immer dann in Panik zu verfallen, wenn die Tür mal wieder nicht rechtzeitig aufzugehen droht. Trotzdem: Die familiäre Grundkonstellation funktioniert hier auch emotional wieder so gut, dass der Einbezug weiterer Figuren und dadurch das Aufbrechen des minimalistischen Ausgangsszenarios kaum nötig gewesen wäre. Und so läuft auch „A Quiet Place 2“ in der zweiten Hälfte wieder auf das große Getöse hinaus. Diesmal hat der Filmtitel sogar noch mehr mit dem zu tun, was die Szenerie dominiert. Es rückt bisweilen sogar vollständig in den Hintergrund, dass zu Beginn der Filmreihe wirklich mal kaum gesprochen wurde. Diesmal wird kaum einer Sorge haben, sein Popcorn oder seine Nachos im Kinosaal anzurühren…
„Die familiäre Grundkonstellation funktioniert hier auch emotional wieder so gut, dass der Einbezug weiterer Figuren und dadurch das Aufbrechen des minimalistischen Ausgangsszenarios kaum nötig gewesen wäre. Und so läuft auch „A Quiet Place 2“ in der zweiten Hälfte wieder auf das große Getöse hinaus.“
Während sich bei „A Quiet Place 2“ erneut die Geister daran scheiden werden, ob und, wenn ja, wie viele Augen man in Sachen Filmlogik und -Konsequenz zudrücken muss, um an dem Film im Gesamten Spaß zu haben, fällt ein Detail derweil derart negativ ins Gewicht, dass einen das Horrordrama letztlich doch vor allem verärgert zurücklässt. Das zwar schlüssig vorbereitete aber derart abrupte Ende, das auf eine Art und Weise Fragen offen lässt, als hätte man es hier mit dem Abschluss eines (Serien-)Kapitels, aber nicht etwa eines in sich geschlossenen Films zu tun, ist entweder Arbeitsverweigerung, oder aber der wohl dreisteste Cliffhanger des Kinojahres.
Fazit: „A Quiet Place 2“ hat im Großen und Ganzen die gleichen Schwächen wie sein Vorgänger. Und daher wird sich auch hier wieder die Frage stellen, inwiefern man für eine gute Atmosphäre gewillt ist, Drehbuchschwächen und Logiklücken in Kauf zu nehmen. Das Ende ist allerdings eine absolute Frechheit.
„A Quiet Place 2“ ist ab dem 24. Juli in den deutschen Kinos zu sehen.