Freaky

Nachdem er das Comedymotiv der Zeitschleife aufs Horrorkino übertrug, nimmt sich Regisseur und Drehbuchautor Christopher Landon in seinem neuen Film FREAKY das Thema Körpertausch vor. Und erweist sich einmal mehr als hervorragender Kenner beider Genres. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Freaky (USA 2020)

Der Plot

Eigentlich wollte die 17-jährige Millie Kessler (Kathryn Newton) nur noch ihr Abschlussjahr an der High School hinter sich bringen, doch mit einem Mal gerät ihr Leben auf sehr unerwartete Weise durcheinander. Der berüchtigte Serienmörder ‚Blissfield Butcher‘ (Vince Vaughn) versetzt die Stadt in Angst und Schrecken und trifft dabei auch bald auf Millie. Beim Versuch, sie zu seinem nächsten Opfer zu machen, löst er versehentlich einen uralten Fluch aus, der die Teenagerin und den Killer im Körper des jeweils anderen erwachen lässt. Jetzt hat Millie nur 24 Stunden Zeit, um den Fluch zu brechen und nicht für ewig in der Gestalt des Psychopathen gefangen zu sein, nach dem überall gefahndet wird. Mit Hilfe ihrer Freunde Nyla (Celeste O’Connor), Joshua (Misha Osherovich) und ihres Schwarms Booker (Uriah Shelton) kämpft Millie gegen die Zeit. Der ‚Blissfield Butcher‘ findet indes Gefallen an seinem neuen Aussehen. Der Körper eines Teenagers ist für ihn die perfekte Tarnung, um zur blutigen Tat zu schreiten.

Kritik

Ganz gleich ob Regisseur und Drehbuchautor Christopher Landon erst durch den Erfolg von „Happy Deathday“ auf den Geschmack kam, oder ob er bereits zu Beginn seiner Karriere als Filmemacher vorhatte, vorwiegend aus der Komödie bekannte Erzählmotive auf das Horrorkino zu übertragen: Sein Plan ist aufgegangen. Während er für seinen ersten richtigen Mainstreamerfolg aus dem Jahr 2017 – zum damaligen Zeitpunkt bereits sein vierter Langspielfilm nach den eher mäßig erfolgreichen (und/oder gelungenen) „Burning Palms“, „Paranormal Activity: Die Gezeichneten“ und „Scouts vs. Zombies“ – eine High-School-Zeitschleifenkomödie mit einem Serienkillerhorrorfilm vermengte (über die abstruse Sci-Fi-Züge annehmende Fortsetzung hüllen wir an dieser Stelle lieber den Mantel des Schweigens), bleibt er für seinen neuesten Film „Freaky“ dem Serienkillertrope treu und bedient sich zur komödiantischen Variation erneut an einer vorwiegend aus Comedies bekannten Idee: dem Körpertausch. Seine Hochzeit erlebte dieses Subgenre der Komödie in den Siebziger- und Achtzigerjahren, als unter anderem George Burns („Endlich wieder 18“), Tom Hanks („Big“) und natürlich Barbara Harris und Jodie Foster („Ein ganz verrückter Freitag“) die Körper miteinander oder jüngeren Variationen ihrer selbst tauschen durften. Doch auch für das aktuelle Kino entdecken Filmemacher diese erzählerische Triebfeder immer wieder aufs Neue – wie etwa für die „Jumanji Fortsetzung“ von 2019, den Anime-Überhit „Your Name“ oder nun eben „Freaky“. Diesmal dürfen ein Teenagermädchen und ein gefürchteter Serienmörder in den Körper des jeweils anderen schlüpfen – ein Experiment, das voll aufgeht.

Vince Vaughn mimt den ‚Blissfield Butcher‘ von einnehmender Physis. Wenn der zusticht, wird’s blutig.

Den ersten Lacher hat „Freaky“ bereits auf seiner Seite, da hat die eigentliche Handlung noch nicht einmal angefangen. Der Film beginnt mit einer die komplette Leinwand in Beschlag nehmenden Zeiteinordnung: „Wednesday, the 11th“ – „Mittwoch, der 11.“. An genau diesem Tag – und damit zwei Tage vor dem nicht nur in Horrorfilmkreisen berühmt berüchtigten Freitag, den 13. – fällt eine Gruppe von Jugendlichen dem erbarmungslosen Serienkiller ‚Blissfield Butcher‘ in die Hände (der Arbeitstitel des Films lautete sogar „Freaky Friday the 13th“). Schon in „Happy Deathday“ bewies Christopher Landon sein Gespür dafür, eine Geschichte zu inszenieren, die gleichermaßen komisch, aber in den entscheidenden Momenten eben auch richtig unheimlich ist; Wenngleich am Ende der Comedypart ein wenig dominierte. Ein richtig fieser Horrorfilm war „Happy Deathday“ nicht. Auch „Freaky“ ist zwischendurch immer wieder richtig witzig, gleichwohl steht bereits dieser Auftakt symptomatisch dafür, auf was für einem schmalen Grat Landon bisweilen zwischen den Genres spaziert: „Freaky“ beginnt mit einem Brüller, nur um einen Wimpernschlag später bereits zu beweisen, dass die Macher – Blumhouse Productions an vorderster Front – das R-Rating mit aller Kraft ausgereizt haben. Kurzum: „Freaky“ inszeniert nicht bloß Vince Vaughn („Fighting with my Family“) als körperlich mächtigen, durch und durch angsteinflößenden Schlächter, sondern lässt seine Taten auch noch bemerkenswert blutig eskalieren. Dagegen war „Happy Deathday“ Aufwärmprogramm.

„‚Freaky‘ inszeniert nicht bloß Vince Vaughn als körperlich mächtigen, durch und durch angsteinflößenden Schlächter, sondern lässt seine Taten auch noch bemerkenswert blutig eskalieren.“

Doch Vince Vaughn ist nicht das alleinige Highlight in „Freaky“ – erst im Zusammenspiel mit seiner jungen Schauspielkollegin Kathryn Newton („Der Sex Pakt“) dreht Vaughn so richtig auf. Oder eher: im Tausch. Denn Vaughn ist die meiste Zeit über gar nicht er selbst, sondern eben die 17-jährige Millie. Und als diese gelingt ihm das Kunststück, gerade so affektiert aufzuspielen, wie es nötig ist, um Vaughn klar als Teenagerin – die mit und von einem 1,96m großen Männerkörper auf authentische Weise gleichermaßen überfordert wie fasziniert ist – zu identifizieren. Aber nie so sehr, dass es in einen veralbernden, dadurch eher abwertenden Gestus verfällt. Man kennt das von der arg klischeehaften Darstellung vieler homosexueller Sidekicks in Mainstreamfilmen. In „Freaky“ dagegen gelingt der Körpertausch hervorragend. Auch auf weiblicher Seite. Wenn die Serienmörderseele plötzlich in den Körper der jugendlichen Kathryn Newton fährt und diese mit irrem Killerblick und stoischer Ruhe durch die Gänge ihrer Schule schleicht, gefriert einem das Blut in den Adern, obwohl sich Newtons äußeres Erscheinungsbild – abgesehen von einer blutroten Lederjacke – nicht verändert. Es ist allein ihrer auf den Punkt genauen Performance zu verdanken, dass sich die Wahrnehmung, wer in diesem Film eigentlich der Pro- und wer der Antagonist ist, wie von selbst verändert. Das Prädikat „großes Schauspielkino“, das normalerweise eher einem Genre wie dem Drama gebührt, ist für „Freaky“ nicht zu hoch gegriffen. Im Gegenteil: Ohne die Leistungen der beiden Hauptdarsteller:innen würde die Prämisse nur halb so gut aufgehen.

In Millies (Kathryn Newton) Körper steckt die Seele eines Schlächters. Für den bedeutet sein neues Äußeres die perfekte Tarnung.

Der Weg zum Ziel, also in diesem Fall an den Punkt, an dem Millie und der Butcher ihren Körper wieder zurücktauschen, funktioniert als Abfolge diverser amüsanter Momente hervorragend. Der Humor ergibt sich natürlich in erster Linie aus dem (Verwirr-)Spiel von Newton und Vaughn, doch auch die leidenschaftlichen Versuche, Licht ins Dunkel zu bringen (Millies Freund:innen wollen natürlich erst einmal nicht wahrhaben, dass die Seele ihrer Schulkameradin fortan im Körper eines mittelalten Riesen steckt), die abstrusen Ereignisse ihrem Umfeld glaubhaft zu machen und nicht zuletzt eine Lösung für das Problem zu finden, sind gespickt mit kreativen Ideen, zahlreichen Horrorfilmreferenzen und Überraschungen. Doch so blutig „Freaky“ auch ist, Hardcore-Suspense bietet auch Landons jüngstes Genre-Mashup nicht. Dafür werden die Spannungsmomente zu rasch von den Darsteller:innen sowie der Inszenierung abgefedert. Trotzdem: Die FSK-Freigabe ab 16 haben sich die Macher ehrlich verdient. Nicht nur der bereits ausführlich beschriebene Auftakt lässt Blut spritzen und Gedärme fliegen, auch im weiteren Verlauf kostet Christopher Landon die Tötungsmomente seines/r Killers/in in vollen Zügen aus. Das kommt vor allem auf der großen Leinwand besonders gut.

„Der Humor ergibt sich natürlich in erster Linie aus dem (Verwirr-)Spiel von Newton und Vaughn, doch auch die leidenschaftlichen Versuche, Licht ins Dunkel zu bringen , die abstrusen Ereignisse einem Umfeld glaubhaft zu machen und nicht zuletzt eine Lösung für das Problem zu finden, sind gespickt mit kreativen Ideen, zahlreichen Horrorfilmreferenzen und Überraschungen.“

Apropos große Leinwand: Dass der Verleih Universal Pictures, der „Freaky“ in den USA immerhin einen kurzen Kinostart spendierte, eh er ihn bereits drei Wochen später als Premium-Leihtitel für 19,99$ zur Verfügung stellte, hierzulande daran festhält, ihn im neuen Jahr doch noch in die Lichtspielhäuser zu bringen, zeugt von einem gewissen Grundvertrauen in das Projekt. Nach bereits zahlreichen Startterminverschiebungen ist aktuell ein Release für den 4. Februar angedacht. Und so ganz ohne Genrekonkurrenz könnte vielleicht auch „Freaky“ ein ähnlicher Überraschungserfolg werden wie schon „Happy Deathday“. Zu gönnen wäre es Landon und seinem Team nicht nur aufgrund des Mutes dazu, die Prämisse so konsequent umzusetzen, sondern auch, weil die hochwertige Inszenierung die große Leinwand schlicht und ergreifend verdient hat. Mit dem richtigen Publikum wird aus einem Kinobesuch von „Freaky“ eine mörderisch-amüsante Horrorparty.

Fazit: So wird „Freaky“ eben ein Kinohighlight im Jahr 2021, anstatt wie ursprünglich angedacht noch 2020. Die gleichermaßen hochamüsante wie verdammt blutige Mischung aus Bodyswitchkomödie und Serienkillerfilm eignet sich vielleicht nicht für ebenjene Horrorfans, die ihr Genrekino so richtig spannend mögen. Doch Christopher Landon ist es nach „Happy Deathday“ zum zweiten Mal gelungen, Genremechanismen gleichermaßen auf links zu drehen, neu zu erfinden und einfach nur zu bedienen. Und Vince Vaughn und Kathryn Newton haben in ihren Rollen hohes Kultpotenzial.

„Freaky“ ist ab dem 24. Juni in den deutschen Kinos zu sehen.

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