Euphoria

In ihrer ersten englischsprachigen Regiearbeit EUPHORIA erzählt Lisa Langseth von zwei entfremdeten Schwestern, die im Zuge eines schweren Schicksalsschlags wieder zueinander finden. Das ist trotz des namhaften Duos aus Alicia Vikander und Eva Green eine äußerst öde Angelegenheit. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Seit Jahren hatten die Schwestern Ines (Alicia Vikander) und Emilie (Eva Green) keinen Kontakt mehr zueinander. Jetzt aber erhält Ines eine dringliche Einladung Emilies, sie auf einer mysteriösen Europareise zu begleiten. Sie willigt ein, wenn auch widerstrebend. Erst als sie ihr Ziel erreichen, ein geheimnisvolles Schloss inmitten einer abgelegenen Waldlichtung, begreift Ines, warum Emilie sie an genau diesen Ort geführt hat. Sechs Tage bleiben den Schwestern sich mit ihrer bewegten Vergangenheit, die sie auf völlig unterschiedliche Lebenswege geführt hat, mal temperamentvoll, mal melancholisch auseinanderzusetzen. Marina (Charlotte Rampling), die Leiterin des surrealen Anwesens, wird dabei für die Schwestern zu einer vermittelnden Instanz…

Kritik

Die schwedische Regisseurin Lisa Langseth und ihre Landsfrau Alicia Vikander („Tomb Raider“) verbindet nicht nur eine langjährige Freundschaft, sondern auch ein gemeinsam bestrittener Weg ins Filmgeschäft. Nachdem die beiden zusammen „Die innere Schönheit des Universums“ (2010) und „Hotell“ (2013) bestritten, wurde aus Vikander ein mittlerweile Oscar-prämierter (2015 für „The Danish Girl“) Weltstar und Langseth eine zumindest in ihrer Heimat vielbeachtete Filmemacherin. Für ihr drittes Projekt „Euphoria“ brachte sich Vikander selbst ins Gespräch, nachdem Langseth schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, nach dem Höhenflug ihrer Schauspiel-Freundin überhaupt eine Chance darauf zu haben, sie für ihre erste englischsprachige Produktion gewinnen zu können. Dabei könnte genau diese Verpflichtung – gemeinsam mit jenen von Eva Green („Nach einer wahren Geschichte“) und Charlotte Rampling („Red Sparrow“) – dafür sorgen, dass „Euphoria“, anders als Langseths bisherige Filme, nicht voll und ganz in der internationalen Versenkung verschwindet. Wenn es nämlich etwas an diesem Film zu honorieren gibt, dann ist es die Aufopferungsbereitschaft des Casts, der sich voll und ganz in den Dienst eines hanebüchenen Skripts stellt, das letztlich jedoch auch den Einsatz seiner Aktricen enorm schmälert. Es lässt sich nicht anders sagen: „Euphoria“ ist in jeder Hinsicht missraten und damit der erste richtige Schandfleck in der Vita Alicia Vikanders.

Emilie (Eva Green) und Ines (Alicia Vikander) nutzen die wenige Zeit, die ihnen noch bleibt, um sich auszusprechen.

Wer so gar nicht weiß, worum es in „Euphoria“ eigentlich geht – die Inhaltsbeschreibung ist aus gutem Grund sehr vage gehalten –, den könnte Lisa Langseth zunächst ziemlich geschickt an der Nase herumführen. Die auch für das Drehbuch verantwortliche Regisseurin gibt sich nämlich mächtig Mühe, das ganze Szenario rund um das mysteriöse, verlassen im Wald gelegene Anwesen, dessen Standort bereits Aufschluss darüber geben könnte, womit man es hier eigentlich zu tun hat, möglichst lange aufrecht zu erhalten, ohne konkrete Hinweise auf seinen Sinn und Zweck zu geben. Da können dann auch schon mal Erinnerungen an die Gruselklinik aus „A Cure for Wellness“ wach werden – oder eben auch an das Kurzentrum aus dem unsäglich banalen Melodram „Die Frau im Mond“. Die qualitative Spannbreite könnte größer nicht sein und so ist man schließlich fast ein wenig enttäuscht, als sich der wahre Zweck genau so enthüllt, wie ihn findige Zuschauer bereits nach wenigen Minuten erahnen: Lisa Langseth geht nämlich den theatralischen, und nicht den abgehobenen Weg. Doch auch ganz ohne lediglich aus der Enttäuschung heraus zu argumentieren, dass aus „Euphoria“ kein überdrehter Horrorstreifen geworden ist, ist diese Entscheidung – zumindest so, wie sie hier ausgeführt wird – nicht die beste. Das Problem: Lisa Langseth erzählt von Sterbehilfe, entsagt sich dabei jedoch jedweden Urteils (per se in Ordnung) und nutzt sie lediglich als Kulisse (ganz und gar nicht in Ordnung).

Am Thema „selbstbestimmtes Sterben“ scheiden sich die Geister – und das ist auch gut so! Nur auf dieser Basis können letztlich nahrhafte Diskussionen entstehen, die neue Blickwinkel auf die Sterbehilfe ermöglichen. Lisa Langseth scheint davon jedoch noch nie etwas gehört zu haben. Auf die Prämisse, dass eine sterbende Frau ihre entfremdete Schwester vor vollendete Tatsachen stellt und sie ohne ihr Wissen in eine Sterbeklinik schleppt, muss man sich einlassen. Schon hier werden die Einen direkt aussteigen, während sich die Anderen möglicherweise durchaus mit dieser Ines emotional erpressenden Aktion identifizieren können. Das Skript erklärt die Beweggründe der krebskranken Emilie zwar nur rudimentär, nachvollziehbar sind sie dennoch. So richtig ärgerlich wird es allerdings dann, wenn sich Lisa Langseth vollständig der eigentlichen Diskussion entsagt. Während wir im Laufe der eineinhalb Filmstunden immerhin erfahren, weshalb Emilie auf ihrem letzten Weg unbedingt ihre Schwester bei sich haben wollte, wird sich mit ihren Beweggründen für den begleiteten Selbstmord nie auseinandergesetzt. Der Zuschauer hat nicht bloß ihre Position fraglos hinzunehmen, Langseth ermöglicht ihm noch nicht einmal eine konträre Sichtweise. Sämtliche Insassen der Sterbeklinik haben ihren Entschluss gefasst. Lediglich ein einziges Mal wird anhand eines seine Beine verlorenen Sportlers kurz Skepsis gestreut, ob der selbstbestimmte Tod tatsächlich die beste Wahl ist. Es genügt eine Nacht mit Emilie und ein paar mahnende Worte, sodass der eigentlich so entschlossene Patient schließlich die Heimreise antritt.

Charlotte Rampling in der Rolle der Leiterin Marina.

Natürlich könnte „Euphoria“ immerhin noch im Teilaspekt der bloßen Unterhaltung überzeugen, doch auch abseits mangelnder erzählerischer Substanz fällt das Drama durch. In vereinzelten Szenen gelingt es Lisa Langseth zwar, mithilfe treffender Dialoge und dank ihrer mühevoll agierenden Hauptdarstellerinnen, die sukzessive Annäherung der Frauen glaubhaft zu machen. Doch die charakterliche Entfaltung von Emilie und Ines funktioniert eher nach dem Zufallsprinzip. Da genügt schon ein kurzer Dialog mit einem Fremden, um Ines plötzlich von Emilies Position zu überzeugen, während ein intimes Gespräch zwischen den beiden am nächsten Morgen ganz plötzlich wieder vergessen scheint. Wer in „Euphoria“ wie handelt und warum, ließe sich vermutlich auch auswürfeln – eine nachvollziehbare Charakterentwicklung sieht jedenfalls anders aus. Alicia Vikander, die hier den Part der reichlich stereotyp angelegten Karrierefrau übernimmt, kann einer derart oberflächlichen Figurenzeichnung nicht viel entgegensetzen. Ihre mimischen Qualitäten lassen sich in „Euphoria“ allenfalls erahnen – dasselbe gilt für Eva Green, der noch weniger vergönnt ist. Ihre lediglich auf Rechthaberei bedachte Emilie (mehr lässt sich aus dem Skript einfach nicht ableiten) hält bis zuletzt an ihrer Position fest und löst das, was sie von ihrer Schwester erwartet, selbst nicht ein. Eine wahrlich anstrengende Figur! So kommt es, dass am Ende sogar das von Rob Hardy („Auslöschung“) surreal eingefangene Setting seinen lebenden Bewohnern die Show stiehlt. Wäre „Euphoria“ doch nur ein Horrorfilm geworden…

Fazit: Das starbesetzte Drama „Euphoria“ ist als filmischer Beitrag zum Thema Sterbehilfe völlig missraten und als Charakterporträt über zwei sich entfremdete Schwestern zeitweise sogar unfreiwillig komisch. Dagegen können auch Alicia Vikander und Eva Green nicht viel ausrichten, deren Figuren konsequent unterbelichtet bleiben.

„Euphoria“ ist ab dem 24. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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