Nach einer wahren Geschichte

In seinem neuesten Film NACH EINER WAHREN GESCHICHTE erzählt Roman Polanski auf Basis des gleichnamigen Romans von der ganz besonderen Beziehung zweier Frauen. Doch besonders sehenswert ist das nicht. Auch deshalb, weil er sich auf einen althergebrachten Twist verlässt. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Obwohl ihr letztes Buch ein voller Erfolg war, ist die Bestsellerautorin Delphine (Emmanuelle Seigner) am Ende ihrer Kräfte. Ans Schreiben ist nicht zu denken: eine klassische Blockade, die auch mit dem Inhalt ihres aktuellen Romans zusammenhängt, in dem sie über ihre Familie geschrieben hat. Zwischen Autogrammstunden und Interviews lernt sie eines Tages eine charmante Frau kennen. Sie nennt sich nur Elle (Eva Green) und offenbart sich Delphine als eine Art Muse. Elle treibt sie zu neuen Gedankengängen an, steht ihr in allen Lebenslagen mit Rat und Tat zur Seite und gibt sich sogar für sie aus, als sich Delphine dem Druck einer öffentlichen Veranstaltung wieder einmal nicht gewachsen fühlt. Als die Autorin in Elle schließlich das Thema ihres nächsten Buches erkennt, scheint es allerdings längst zu spät, denn diese hat ganz andere Pläne…

Kritik

Jack Torrance war einer, Mort Rainey ebenfalls und Barton Fink sowieso – die Rede ist von Schriftstellern; eine Berufsgattung, die es im Kino besonders schwer zu haben scheint. Viele von ihnen verfallen irgendwann dem Wahnsinn – oder gelangen, wie im Falle der Stephen-King-Romanadaption „Misery“, in die Hände des personifizierten Irrsinns. Diesem Konzept neue Perspektiven und Ideen abzugewinnen, wäre nun die Aufgabe Roman Polanskis gewesen, dessen neuester Film „Nach einer wahren Geschichte“ im vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen von Cannes vorgestellt wurde und auf genau diesen Zug aufspringt. Darin erzählt er nämlich von einer erfolgreichen Romanautorin, die ihre Schreibblockade mithilfe einer geheimnisvollen Fremden überbrückt – doch wenn eine Person völlig unvermittelt in das Leben einer anderen tritt, und dieser dann auch noch frappierend ähnlich sieht, braucht es nicht zwingend allzu viel Fachverstand, um sich auszumalen, wohin die Reise geht. Und so enttäuschend es auch ist: Die besagten neuen Facetten kann Polanski der von Anfang bis Ende vorhersehbaren Prämisse nicht beimessen. Das Ergebnis ist banal.

Die mysteriöse Elle (Eva Green) tritt in das Leben der Romanautorin Delphine.

Altbekannte Themen neu aufzuziehen, ist erst einmal nichts Schlimmes und geschieht gerade im hochbudgetierten Blockbusterkino nahezu wöchentlich. Dass nun ausgerechnet Regielegende Roman Polanski („Der Gott des Gemetzels“) auf derart ausgetretenen Pfaden wandelt, ist schon erstaunlich; zumal er mit Olivier Assayas einen Autor an seiner Seite hat, der für subtil-psychologische Charakterstudien wie prädestiniert ist. Doch „Nach einer wahren Geschichte“ fehlt es an ebenjener Tiefe, mit der seine letzten Werke wie „Die Wolken von Sils Maria“ oder „Personal Shopper“ ausgestattet waren. Stattdessen ist alles, was wir bekommen, ein von Anfang an ziemlich durchschaubares Konfliktszenario, das nur deshalb vonstatten gehen kann, weil sich die beiden zentralen Figuren überraschend dämlich verhalten. Eva Green legt ihre Elle zwar derart faszinierend und undurchsichtig an, dass das wachsende Interesse Delphines an ihrer Person nachvollziehbar ist. Doch die vorsichtige Eskalation der Ereignisse resultiert vor allem daraus, dass die eigentlich als ziemlich smart etablierte Delphine die krassen Gefühls- und Wutausbrüche ihrer neuen Freundin nicht ernst nimmt. Wenn die Geschehnisse im letzten Drittel schließlich völlig aus dem Ruder laufen, möchte man Delphine unweigerlich zurufen, ihr die Folgen ihres blinden Vertrauens von Anfang vorgehalten zu haben; und Elle kann man zu ihrem konsequent vollzogenen Plan bei so einem einfachen Opfer noch nicht einmal beglückwünschen.

Die Art, wie Polanski die auf dem gleichnamigen Roman von Delphine de Vigan (ja, die Autorin hat ihre Hauptfigur nach sich selbst benannt!) basierende Geschichte auf die Leinwand bringt, gleicht inszenatorisch einem Understatement. Vor allem visuell mangelt es „Nach einer wahren Geschichte“ an Höhepunkten, die ausgleichen könnten, was das wenig spannende und noch weniger dramatische Thrillerdrama auf erzählerischer Ebene verschleppt. Selbst hinter der betonten Nichtauflösung der Frage, ob Elle nun real ist, oder nur Einbildung, vermutet man keinen Zweck, sondern erahnt fast schon so etwas wie Faulheit. Der Betonung der sich sukzessive verschiebenden Machtverhältnisse hat Polanski schlicht nichts mehr hinzuzufügen. Olivier Assayas hat in seinen Filmen schon mehrmals den Minimalismus zum Konzept gemacht, dafür aber immer auch starke Geschichten und Charaktere in den Mittelpunkt gerückt. „Nach einer wahren Geschichte“ mangelt es an alldem und ist trotz der spannenden Ausgangslage, des Casts und der Regie erstaunlich nichtssagend.

Delphine (Emmanuelle Seigner) fühlt sich von Elle verstanden.

Den beiden Hauptdarstellerinnen lässt sich daraus beileibe kein Strick drehen. Emmanuelle Seigner („Bitter Moon“) und Eva Green („Die Insel der besonderen Kinder“) geben ein gleichermaßen überzeugendes wie verführerisches Duo ab, dem die wenigen (männlichen) Nebendarsteller nicht hinzuzufügen haben. Mit einer besseren Vorlage, würde es beiden vermutlich noch um Einiges leichter fallen, die charakteristischen Ecken und Kanten, vor allem aber die aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit so faszinierenden Facetten ihrer Figuren feiner herauszuarbeiten, doch gegen das äußerst oberflächliche Skript sind die beiden machtlos. Roman Polanski hangelt sich viel lieber von einer Eindeutigkeit zur nächsten und inszeniert alles andere als subtil, wenn immer mal wieder die Frage im Raum steht, ob Elle nun Einbildung ist, oder nicht. Zugute halten muss man dem Regisseur immerhin das Ende: Ganz so, als wüsste Polanski, dass sich mit der Auflösung von „Nach einer wahren Geschichte“ heutzutage wohl kaum einer mehr schockieren lässt, inszeniert er den (nicht vorhandenen) großen Knall am Schluss des Films nahezu beiläufig und eben nicht so, wie Twists normalerweise aufgelöst werden. Das unterstreicht zwar den Eindruck des Understatments, doch am Ende verlässt man den Kinosaal vor allem mit dem Gedanken, hier habe Jemand inszeniert weil er musste, und nicht, weil er Lust auf den Stoff hatte.

Fazit: Trotz zwei starker Hauptdarstellerinnen, deren Chemie untereinander stimmt, überzeugt Roman Polanskis „Nach einer wahren Geschichte“ nicht. Weder erzählerisch, noch audiovisuell kann der Altmeister bei einem altbekannten Thema neue Akzente setzen, sodass dem Endergebnis die Leidenschaft fehlt.

„Nach einer wahren Geschichte“ ist ab dem 17. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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