Der Gott des Gemetzels

Ein Titel, der an einen Zombiefilm erinnert, ein buntes Cover in Bonbonfarben und darauf abgebildete Portraits, die von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt reichen. Zusammengefasst ergeben diese Attribute einen Film, den man – sofern man kein Vorwissen über das gleichnamige Theaterstück besitzt – in so ziemlich keine Kategorie einordnen könnte, ohne nicht unsicher darauf zu schielen, welche Möglichkeiten es sonst noch gäbe. DER GOTT DES GEMETZELS ist eine Regiearbeit von Roman Polanski, die mit einer relativ kurzen Laufzeit daherkommt und zu 100 Prozent aus Dialog besteht. Ob das Kammerspiel dennoch überzeugt und mit was für geringen Mitteln es heutzutage noch gelingen kann, Spannung zu erzeugen, erfahrt Ihr in meiner heutigen Kritik. 

Der Plot

In der Wohnung des Ehepaar Longstreet haben sich Penelope (Jodie Foster) und Michael Longstreet (John C. Reilly), sowie Nancy (Kate Winslet) und Alan Cowan (Christoph Waltz) zu einer Aussprache verabredet. Die Söhne der beiden Familien hatten einen schlimmen Streit, bei welchem der junge Longstreet vom Sohn der Cowans verprügelt wurde. Nach einer offenbar gefundenen Lösung, mit welcher alle zufrieden sind, beschließen die vier, sich noch eine Weile zusammenzusetzen und sich so besser kennenzulernen. Durch Sticheleien und Seitenhiebe auf beiden Seiten wird jedoch deutlich, dass offenbar doch nicht jeder mit der Lösung – eine Entschuldigung beim Opfer – einverstanden ist und es kommt zu Diskussionen, die in einen hässlichen Streit münden.

„Das ist der unglücklichste Tag meines Lebens!“

Kritik

Roman Polanski („Rosemarys Baby“, „Der Ghostwriter“) folgte bei der Fertigung seines neusten Geniestreichs der einfachen Regel „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ und verfrachtete die Einfachheit des Original-Bühnenstücks auf die Kinoleinwand, ohne dabei in unangenehmen Minimalismus abzurutschen. Gleichzeitig verzichtet er gänzlich auf unnötig opulente Sets. Zwar belässt er es wie auf den Theaterbrettern nicht bei der spartanischen Kulisse von einer Sofagarnitur, sondern nutzt als Setting immerhin eine Wohnung, aus welcher sich die Figuren stichwortgebende Konfliktherde ziehen können, jedoch  konzentriert sich Polanski gänzlich auf die Interaktion der Darsteller untereinander. Denn das, was das Viererensemble, bestehend aus Kate Winslet („Titanic“, „Contagion“), Jodie Foster („Das Schweigen der Lämmer“, Die Fremde in Dir“), Christoph Waltz („Inglourious Basterds“, „Wasser für die Elefanten“) und John C. Reilly („Magnolia“, „Gangs of New York“) in den nicht einmal 80 Minuten auf die imaginäre Bühne zaubert, ist Schauspielkunst erster Güte. Dem Betrachter wird bereits innerhalb der ersten Einstellungen deutlich, dass es sich beim „Gott des Gemetzels“ um eine klassische Gut-gegen-Böse-Geschichte handelt, bei welcher der Kampf um die Rolle des Pro- und Antagonisten jedoch noch nicht ausgefochten ist. Dies hat zur Folge, dass der Zuschauer aus der Sicht des Beobachters Zeuge eines gnadenlosen Streits wird, der in einem Gemetzel mündet, der statt mit Waffen mit Worten ausgetragen wird, was eine von mehreren Mutmaßungen über die Herkunft des Film- bzw. Theaterstücktitels ist.

Das Plakat verdeutlicht bereits die Entwicklungen der Stimmungen, die die vier Darsteller in den 79 Minuten Laufzeit durchmachen. Während der ersten halben Stunde durchlebt die Handlung einige Durchhänger, da ein gänzlich auf Dialog ausgerichteter Plot zu heutiger Zeit etwas ist, an das man sich als Durchschnittskonsument im TV- und Kinobereich erst gewöhnen muss. Doch wie der Titel es bereits ankündigt, ist „Der Gott des Gemetzels“ weit mehr als die Betrachtung eines Streits zweier Paare. Es ist das Betrachten von vier Personen, die innerhalb von nicht einmal eineinhalb Stunden (der Film spielt in Echtzeit!) sämtliche Grundsätze und Prinzipien über den Haufen werfen. Die sich aus einer harmlosen Situation heraus innerhalb kürzester Zeit zwei Personen zu Feinden erklären. Es folgen Beleidigungen, Beschimpfungen, das Eingeständnis eigener Fehler und Nervenzusammenbrüche. Zwischendurch blitzt immer wieder die Einsicht auf, welche absurden Hintergründe der aufgekommene Schreit besitzt, doch eine Versöhnung scheint zu keinem Zeitpunkt in Sicht. Auf dieser Basis spielen die (einzigen) vier Darsteller ihre Rollen grandios. Unbeherrscht, ehrlich und zu jedem Zeitpunkt glaubhaft, wenngleich Christoph Waltz es ist, der seinen Kollegen als sarkastischer, überengagierter Anwalt noch ein Stück weit vorausprescht. Dem  Österreicher, der für seine Rolle im Tarantino-Kracher „Inglourious Basterds“ einen Oscar gewann, scheinen die Rollen des Unsympatlings einfach wie auf den Leib geschrieben.

Passend zum relativ kurzen Film möchte ich meine ebenfalls relativ kurze Kritik mit einem Fazit und einer Empfehlung für alle Kaufinteressenten abschließen.

„Der Gott des Gemetzels“ unterhält auf eine für das 21. Jahrhundert besondere Art und Weise. Während in nahezu allen anderen, modernen Spielfilmproduktionen das Prinzip „Höher, schneller, weiter!“ gilt, greift Roman Polanski in seinem Vier-Leute-Kammerspiel auf eine Eigenschaft zurück, derer man sich ungern bewusst wird. Kaum einer möchte als neugierig oder sensationsgierig betitelt werden und doch baut „Der Gott des Gemetzels“ greift diesen niederen Instinkt zurück: über knappe 80 Minuten lang schaut man zwei Paaren beim Streiten zu – die Handlung gibt tatsächlich nicht mehr her. Doch die Art wie gestritten wird, wie sich die Konflikte entwickeln und immer weiter zuspitzen, ist mindestens ein Theaterstück, wenn nicht gar einen Film wert. Wenn nun das nötige Sitzfleisch, einhergehend mit der notwendigen Neugier vorhanden ist, „fremden“ Menschen dabei zuzusehen, wie sie ihre Konflikte austragen, dann ist dieses Drama mit komödiantischen Ansätzen genau das Richtige für einen doch relativ kurzweiligen DVD-Abend. Wer sich jedoch nur annähernd von allzu viel Dialoglast abschrecken lässt, der sollte die Finger von ihm lassen – auch wenn ihm dadurch ein sehr feines Stückchen Arthouse-Kino entgehen wird.

DVD oder BluRay?

Sowohl die DVD, als auch die Blu-ray-disc sind ohne Einschränkung zu empfehlen – zumindest, was die Qualität von Bild und Ton angeht. Die Extras sind jedoch höchstens befriedigend. Bei einem derartigen Ensemblestück ist es angebracht, die Darsteller zu Wort kommen zu lassen, was in mehrminütigen Interviews passiert. Ansonsten trumpft die DVD, sowie die Blu-ray-disc lediglich mit Trailern und Infos über Projekte der jeweiligen Darsteller auf. Schade, derart minimalistisch hätte die DVD, sowie die BluRay nun nicht ausfallen müssen.

http://rcm-de.amazon.de/e/cm?t=wwwbuyamovied-21&o=3&p=8&l=as1&asins=B006E02HCE&ref=qf_sp_asin_til&fc1=000000&IS2=1&lt1=_blank&m=amazon&lc1=0000F7&bc1=000000&bg1=FFFFFF&f=ifr      http://rcm-de.amazon.de/e/cm?t=wwwbuyamovied-21&o=3&p=8&l=as1&asins=B006E02I1E&ref=qf_sp_asin_til&fc1=000000&IS2=1&lt1=_blank&m=amazon&lc1=0000F7&bc1=000000&bg1=FFFFFF&f=ifr