Der geheime Garten

Frances Hodgson Burnetts Jugendroman DER GEHEIME GARTEN ist weltberühmt. Darin erzählt sie die Geschichte eines kleinen Mädchens, das nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern bei ihrem kaltherzigen Onkel unterkommt, auf dessen Grundstück jedoch einen geheimnisumwitterten Garten findet, in dem sie ihre Lebensfreude wiederentdeckt. Wie die nunmehr fünfte Verfilmung geworden ist, das verraten wir in unserer Kritik. 

OT: The Secret Garden (UK/USA/FR/CHN 2020)

Der Plot

Die in Indien lebende, 10-jährige Britin Mary Lennox (Dixie Egerickx) wird, nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern, auf das tief in den Yorkshire Moors gelegene Landgut ihres Onkels Archibald (Colin Firth) geschickt. Weder der Onkel noch die Haushälterin (Julie Walters) interessieren sich für das Mädchen. Die Geheimnisse in dem großen Haus mit den verschlossenen Zimmern wecken schnell Marys Neugier. Sie erfährt von einem geheimen Garten, den seit zehn Jahren niemand betreten hat und macht sich auf die Suche. Aber was sie findet, ist weitaus mehr als irgendein Garten! Gemeinsam mit ihrem kränklichen Cousin Colin (Edan Hayhurst) und ihrem neugewonnen Freund Dickon (Amir Wilson) entdeckt sie eine farbenprächtige und nahezu magische Welt, die nicht nur ihr eigenes Leben von Grund auf verändern wird…

Kritik

Beworben wird die nunmehr fünfte Spielfilmadaption des britischen Kinder- und Jugendromanklassikers „Der geheime Garten“ mit den Worten „Von den Machern von ‘Harry Potter‘ und ‘Paddington‘. Das sind per se Qualitätssiegel; Die beiden „Paddington“-Filme gehören zu den charmantesten Familienabenteuern der letzten Jahre und der Erfolg der „Harry Potter“-Saga spricht für sich. Auch der Trailer bekräftigt diese Kollaboration und verspricht ein verspielt-träumerisches, gleichermaßen abenteuerlich inszeniertes und mit Fantasy-Einschüben versehenes Filmerlebnis, das Regisseur Marc Munden („Utopia“) dann allerdings nur sehr bedingt einlöst. Im Grunde nimmt die Bewegtbildvorschau nämlich sämtliche dynamischen Gartenszenen vorweg – was bedeutet, dass es so viele nicht sind. Stattdessen erzählt Munden bevorzugt in dunklen Räumen vom Schicksal eines hochnäsigen Waisenmädchens und setzt sich viel mit Tod, Trauer und Verlust auseinander. Also im Grunde ein wenig wie das famose Fantasydrama „Sieben Minuten nach Mitternacht“ von J.A. Bayona, nur in längst nicht so ausgewogen und emotional, denn irgendwie muss da ja auch noch der magische Garten Platz finden. Was er nicht tut. Leider.

Mary (Dixie Egerickx) entdeckt hinter hohen Steinmauern einen geheimen Garten.

Gewiss: Wenn sich Munden und sein Drehbuchautor Jack Thorne („Wunder“) den Roman zum Vorbild nehmen wollen (selbst wenn sie einige entscheidende Passagen wie etwa das komplette Ende drastisch verändern), dürfen sie auch an den betont düsteren Stellen nicht sparen. Davon gibt es im Buch nämlich ebenfalls jede Menge, denn sie bilden die erzählerische Grundlage der Geschichte; auch wenn das im Trailer eben ganz anders aussieht. Im Falle dieser Verfilmung ist es vor allem der Gesamttonfall, der zu einem unausgegorenen Seherlebnis führt. Die düsteren und sehr ruhigen Szenen, in denen die Kinder sich mit dem Thema Tod auseinandersetzen, sind hier in großer Überzahl, während die diese Tristesse auffangenden Garten-Sequenzen nicht zur Genüge zur Geltung kommen; Einfach weil sie auch nur einen winzigen Bruchteil ausmachen. Das hat vor allem Auswirkungen an das holprige Tempo, da sich an einigen Stellen oft zu viel, an anderen dafür viel zu wenig Zeit gelassen wird, um bestimmte Zusammenhänge zu erläutern. Im Buch ist das Ganze wesentlich ausgeglichener. Hinzu kommt: Ist man nicht vollständig mit der Vorlage vertraut, kann man aufgrund der verschachtelten, mit zahlreichen Rückblenden gespickten Erzählweise schon mal den Überblick verlieren. Einige Details werden sogar gar nicht erklärt. Das können mal Kleinigkeiten sein. Etwa, weshalb während eines großen Feuers plötzlich eine grüne Flamme vor Marys Augen erscheint. Oder aber sie sind von wesentlich größerer Natur, zum Beispiel weil es Marc Munden nicht schafft, ein Gefühl für die Ausmaße und die Eigenschaften des Gartens zu vermitteln, da er kaum etwas mit ihm anzufangen weiß.

„Regisseur Marc Munden“ erzählt bevorzugt in dunklen Räumen vom Schicksal eines hochnäsigen Waisenmädchens und setzt sich viel mit Tod, Trauer und Verlust auseinander.“

Nun könnte man argumentieren, dass „Der geheime Garten“ ja ohnehin eine sehr symbolhafte Geschichte ist, in der es weniger um eine Ansammlung von Blumen und Pflanzen geht, als vielmehr um den psychischen Zustand seiner Hauptfiguren, der sich für die drei Kinder in ebendiesem Garten widerspiegelt. Unter diesem Gesichtspunkt funktioniert auch diese Verfilmung gleich viel besser. Doch als der hier angepriesene Familienfilm funktioniert sie dadurch eben kaum – das war ja beim bereits zum Vergleich herangezogenen „Sieben Minuten nach Mitternacht“ nicht anders, nur wurde der gar nicht erst als Kinderfilm beworben. Die Art und Weise wie hier auf den Schultern von Kindern schweres thematisches Geschütz aufgegriffen wird, funktioniert ja auch gut und erinnert gar ein wenig an „Pan’s Labyrinth“. Nur war auch der entschlossener in seiner Aussage und ist nicht inmitten seiner tieftraurigen Geschichte plötzlich mit Sequenzen heiteren Abenteuerschabernacks aufgefahren. Letztlich ist das Problem an dieser „Der geheime Garten“-Interpretation nicht der, dass die beiden Erzählschwerpunkte so unterschiedlich sind, sondern dass die Macher sie nicht stimmig miteinander verknüpft bekommen. Und dass das sehr wohl funktioniert, führt einem ja der Roman bestens vor Augen.

Archibald Craven (Colin Firth) blickt melancholisch auf die Vergangenheit zurück..

Aus handwerklicher Sicht kann „Der geheime Garten“ vollends überzeugen. Kameramann Lol Crowley („Vox Lux“) wird hier auf zwei Seiten gefordert. Da sind zum einen die sonnendurchtränkten, schwelgerischen Aufnahmen des Gartens. Wenn Mary und ihre Freunde hier zwischen den halb verdorrten Blumen und riesigen Blättern entlanglaufen, bis sich die Blüten öffnen und farbenprächtige Landschaften entstehen, weckt dies Erinnerungen an „Alice im Wunderland“. Die hier und da aufgewendeten Fantasyelemente – Äste, die Mary beim Hinaufklettern der Mauer unterstützen oder Rosen, die sich immer in Richtung der drei Hauptfiguren drehen – sind von ordentlicher Qualität. Lediglich ein immer mal wieder kurz reinschauendes Rotkehlchen sieht überdeutlich nach einer Computerschöpfung aus; immerhin ist es nicht allzu oft und zu lange zu sehen. Auf der anderen Seite findet Crowley ansprechende Bilder für das unheilvolle Innere des alten Craven-Gebäudes, das genauso gut aus einem Horrorfilm stammen könnte. Auch der Score (Dario Marianelli, „Die dunkelste Stunde“) betont mit seinen üppigen Streichern die angedachte Opulenz, mit der „Der geheime Garten“ in der audiovisuellen Aufmachung punkten kann. Hieraus hätte wirklich eine weitere, zeitlose Adaption eines zauberhaften Jugendromans werden können. Doch dazu hätten sich die Macher darüber einig werden müssen, wovon sie hier eigentlich erzählen wollen. 

„Hieraus hätte wirklich eine weitere, zeitlose Adaption eines zauberhaften Jugendromans werden können. Doch dazu hätten sich die Macher darüber einig werden müssen, wovon sie hier eigentlich erzählen wollen.“

Während die Interaktion unter den Jungdarstellern von starken Dialogen genährt wird, können die Newcomer diese leider nicht immer glaubhaft übermitteln. Oftmals verfällt insbesondere die Hauptdarstellerin Dixie Egerickx („The Little Stranger“) in einen monotonen Singsang und kann ihre zunächst so überhebliche, später immerhin deutlich zugänglichere Mary leider auch nicht wirklich sympathisch erscheinen lassen. Dafür gibt sie sich in der Anfangsphase einfach zu viel Mühe, ätzend zu sein – und das Skript zu wenig, um ihren warmen Kern zu offenbaren. Und auch von Colin Firth („A Single Man“) bekommt man leider kaum etwas zu sehen.

Fazit: „Der geheime Garten“ besitzt eigentlich sämtliche Zutaten für ein emotional berührendes Familienfilmabenteuer, das schwere Themen kindgerecht verpackt. Doch Marc Munden weiß nicht, was er mit den Zutaten anfangen soll. Das Endergebnis schmeckt fad.

„Der geheime Garten“ ist ab dem 15. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.

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