Back for Good

In der Tragikomödie BACK FOR GOOD rückt Mia Sengler das Bild vom oberflächlichen C-Promi zurecht und erzählt obendrein eine berührende Geschichte über Familie, die vor allem von ihren Widersprüchen lebt. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Reality-TV-Sternchen Angie (Kim Riedle) kommt frisch aus dem Drogenentzug. Eigentlich sollte das Ganze nur eine PR-Aktion sein, mit der sie sich einen Platz im nächsten Dschungelcamp sichern wollte. Doch die Konkurrenz ist hart in einer Welt in der Aufmerksamkeit als Währung gilt. Inzwischen hat sich auch noch ihr Freund und Manager von ihr getrennt und keiner ihrer sogenannten Freunde ist bereit sie aufzunehmen. Daher muss Angie zurück zu ihrer verhassten Mutter Monika (Juliane Köhler) in ihr Heimatkaff ziehen. Ähnlich schwer hat es Angies pubertierende Schwester Kiki (Leonie Wesselow): Wegen ihrer Epilepsieerkrankung besteht Monika darauf, dass sie einen Schutzhelm trägt. Dieser isoliert sie auch effektiv von allen anderen Jugendlichen in ihrem Umfeld. Dabei will Kiki doch einfach nur dazu gehören. Ein Gefühl, das Angie sehr gut kennt. Als sie die Luftmatratze neben Kikis Bett bezieht, ist sie für ihre kleine Schwester wie ein Engel mit Silikonbrüsten, der perfekte Ratgeber, wenn es darum geht, sich aus der sozialen Isolation zu befreien. Und auch Angie fühlt sich ihrer kleinen Schwester unerwartet verbunden und verteidigt sie gegen Monikas übergriffiges Verhalten. Doch als Monika nach einem Zusammenbruch ins Krankenhaus kommt, muss Angie plötzlich wirklich Verantwortung für Kiki übernehmen, dabei wollte sie doch eigentlich zurück ins Fernsehen…

Kritik

In einer Szene in „Back for Good“ muss sich Hauptfigur Angie von ihrem Manager anhören, ein „2012-Image“ zu besitzen. Vor sechs Jahren hatten Fernsehsendungen wie „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ Hochkonjunktur und zogen ähnliche Sendungen wie „Die Alm“ nach sich, um das Verlangen der Zuschauer nach möglichst skandalträchtigen Ereignissen vor laufender Kamera zu befriedigen. Mittlerweile hat alles Kalkül. Längst nicht mehr jeder Kandidat zieht ins Dschungelcamp, bloß weil er abgebrannt ist, sondern weil es „sich schickt“. Die Diskussionen, ob man von Zuhause aus Voyeur spielen darf, sind verstummt – genauso wie die Frage, wie eklig die den Nicht-Promis vorgesetzten Speisen noch werden können. Regisseurin Mia Sengler drehte ihre Tragikomödie „Back for Good“ im Jahr 2016, Premiere feierte sie Anfang 2017 bei den Internationalen Filmfestspielen von Berlin. Ihr Film ist modern und wirkt trotzdem wie aus der Zeit gefallen. Der Grund dafür ist auch die Protagonistin, die es so heutzutage wohl kaum noch gäbe. Wie es schon besagter Manager sagt, scheint diese auf ganz altmodischem Wege berühmt werden zu wollen – in einer Zeit, in der es so gut wie jeder versucht und dank Internet früher oder später auch wird; zumindest für die vielzitierten fünf Minuten Ruhm. „Back for Good“ lebt vor allem durch derartige Widersprüche, die auch sämtliche Figuren im Film in sich vereinen. Mia Sengler ist dadurch ein gleichermaßen rauer wie zarter, trauriger wie lustiger und trotz so viel Fake-Emotionen beeindruckend echter Film gelungen.

Angie (Kim Riedle) und ihre Mutter (Juliane Köhler) sind sich nicht grün.

Angies Bestreben nach Popularität entspricht in etwa dem Starappeal einer Gina-Lisa Lohfink. Selbst eine Daniela Katzenberger rangiert gegen die Hauptfigur in „Back for Good“ noch viele Klassen darüber, denn die von Angie verfolgten Pläne haben nichts mit Talent oder auch nur einer Idee davon zu tun, sondern basieren einzig und allein auf kalkuliertem Skandal. Trotzdem legt die vor allem durch ihre Rolle der Giselle in „Verbotene Liebe“ bekannt gewordene Schauspielerin Kim Riedle (zu Recht für ihre Rolle in diesem Jahr für den Deutschen Filmpreis nominiert) ihre Figur vollkommen entgegengesetzt des naiven Dummchens an. Stattdessen hat man das Gefühl, hier einer klugen Frau dabei zuzusehen, sich in einer kontinuierlich verdummenden Gesellschaft (zumindest dort, wo sie verkehrt) ihrer Umgebung anzupassen und dadurch nicht bloß Aufmerksamkeit zu erregen, sondern vor allem Fans zu generieren. Wie smart und realistisch Angie ihre Karrierepläne einordnet, fasst Mia Spengler, die hiermit ihr Leinwanddebüt abliefert, in den ruhigen Momenten hervorragend zusammen. Ihre Hauptfigur ist aufgrund ihres auch durch ihr Äußeres befeuerten Images wie gemacht für die Position des von außen verachteten C-Promis; und tief im Inneren weiß sie das auch. Der Grund, weshalb sie ihren fragwürdigen Weg trotzdem verfolgt, liegt in dem, was „Back for fällt natürlich trotzdem auf.

„Back for Good“ ist zwar auch eine Geschichte über das Scheitern, in erster Linie erzählt sie allerdings von den Gründen davon. Es ist zwar durchaus ein wenig klischeehaft, dass eine junge Frau aufgrund von emotionaler Vernachlässigung dazu übergeht, sich die Anerkennung, die sie von ihrer Mutter einst nicht bekam, nun über diesem Wege zu holen, doch Kim Riedle und Juliane Köhler („Vielmachglas“) agieren als dysfunktionales Mutter-Tochter-Gespann derart authentisch und in ihren regelmäßigen Vorwürfen wiederum ganz weit weg vom Klischee, dass „Back for Good“ trotz der abgegriffenen Prämisse immer wahrhaftig bleibt. Die von Stefanie Schmitz und Co-Autorin Mia Spengler verfassten Dialoge unterstreichen diesen Eindruck in den besten Momenten, überzeugen aber nicht zu einhundert Prozent. Das liegt auch an der unentschlossenen Verankerung im Hier und Jetzt: Mal werfen die Macher echte Namen von Promis und Fernsehsendungen in den Raum, ein anderes Mal bringt man nicht einmal den Namen eines berühmten sozialen Netzwerks über die Lippen und manövriert sich stattdessen bemüht um die Nennung Facebooks herum. Derartige Entscheidungen sind nicht selten bestimmten Produktionsvorgaben geschuldet, doch es auffallen tut es dennoch.

Angie und ihre kleine Schwester Kiki (Leonie Wesselow) nähern sich langsam wieder an.

Während „Back for Good“ auf der einen Seite Angie und ihren Weg zurück ins Rampenlicht schildert, behandelt ein zweiter Erzählstrang ihre Beziehung zu Schwester Kiki. Als leicht verführbarer Teenager eifert diese ihrer Schwester nach, wählt allerdings einen „Karriereweg“, wie er für Jugendliche heutzutage vermutlich ganz normal ist: Sie eröffnet einen eigenen YouTube-Kanal. Ein großer Reiz des Films entsteht nicht bloß durch die völlig unterschiedlichen Herangehensweisen an das Thema Beliebtheit und „Prominenz“, eingefangen durch die Augen zweier Schwestern, sondern auch durch deren Gemeinsamkeiten. „Back for Good“ ist trotz des Oberthemas Popularität nämlich auch die berührende Erzählung darüber, wie sich zwei entfremdete Schwestern annähern und wirft im Anbetracht der Mutter obendrein verschiedene Erziehungsfragen auf. Newcomerin Leonie Wesselow („Es war einmal Indianerland“) erweist sich als eine große Entdeckung und brilliert im gemeinamen Spiel mit Riedle und Köhler. Letztere mimt nicht einfach nur den Stereotyp einer hysterischen Helicoptermom. Ihre übertriebenen Sorgen besitzen – wie alles in „Back for Good“ – tatsächlich einen nachvollziehbaren Grund. So kommt es, dass sich Vieles in der Tragikomödie nachvollziehen lässt, worüber man in anderen Filmen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde. Und am Ende nimmt man den Figuren Dinge ab, die schon viele Filmcharaktere vor ihnen getan haben – hier erscheinen sie auf einmal wieder vollkommen authentisch.

Fazit: Mia Spenglers Tragikomödie „Back for Good“ erzählt authentisch und ergreifend aus einem Milieu, das im Kino gern unterbelichtet bleibt. Dabei prallen Gegensätze immer wieder derart drastisch aufeinander, dass man oft befürchtet, das Konzept könnte nicht aufgehen. Doch genau das tut es – auch, weil die Darsteller eine wahre Wucht sind.

„Back for Good“ ist ab dem 31. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

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