Ready Player One

Steven Spielbergs Zweiter in diesem Jahr hat mit seinem durchschnittlichen Journalistendrama „Die Verlegerin“ nichts mehr zu tun. Das Science-Fiction-Abenteuer READY PLAYER ONE will einfach nur Spaß machen – und das tut es trotz einiger inhaltlicher Schwächen auch. Warum, das verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Im Jahr 2045 ist die reale Welt nur schwer zu ertragen. Wirklich lebendig fühlt sich Wade Watts (Tye Sheridan) nur, wenn er in das gigantische virtuelle Universum OASIS entfliehen kann, in dem die Grenzen der Geografie, der Gesetze und auch der Identität aufgehoben sind – solange man nur seiner Fantasie freien Lauf lässt. Dort verbringen die meisten Menschen ihre Tage. Entwickelt wurde OASIS vom genialen, exzentrischen James Halliday (Mark Rylance), der sein ungeheures Vermögen und die totale Kontrolle über OASIS der ersten Person hinterlässt, die siegreich aus einem dreiteiligen Wettbewerb hervorgeht: Dadurch will Halliday sicherstellen, dass ein würdiger Erbe sein Nachfolger wird. Als Wade die erste Aufgabe der realitätsverändernden Schatzsuche löst, geraten er und seine Freundesclique, die High Five genannt wird, in ein fantastisches Universum voller Entdeckungen und Gefahren und bemühen sich, OASIS und ihre Welt zu retten.

Kritik

Als im Juli 2017 der erste Trailer zu Steven Spielbergs Verfilmung des 2010 erschienenen Romans „Ready Player One“ erschien, gab es nur ein Thema: Welche Popkulturanspielungen hatte der „Die Verlegerin“-Regisseur bereits in den wenigen Minuten Vorschau untergebracht? Verschiedene Branchenplattformen machten daraus ganze Artikelspecials und gaben damit in gewisser Weise auch die Marschrichtung für den weiteren Film vor: In „Ready Player One“ geht es in erster Linie um das Abfeiern möglichst vieler Easter Eggs und aus Film, Fernsehen und Gaming bekannter Figuren, während die Geschichte schon in einem früheren Berichterstattungsprozess eher die zweite Geige spielte. Das ist letztlich aber auch kein Wunder – trifft Spielberg damit doch den Geist der Vorlage ganz vortrefflich. Auch in dieser reiht sich schließlich eine Anspielung an die nächste, was bisweilen selbst ihre Fans dazu verleitete, das Wort „Namedropping“ in den Mund zu nehmen. Besagtes Namedropping betreibt Spielberg auch in seiner Filmvariante zur Genüge; ihm ist viel mehr daran gelegen, möglichst viele bekannte Figuren und Motive in seinem Sci-Fi-Abenteuer zu erwähnen, als eine innovative Geschichte zu erzählen. Tatsächlich macht das aber gar nicht so viel aus, denn all die im Folgenden aufgeführten Schwächen kann man zwar nicht unberücksichtigt lassen, letztlich spielen sie für den Genuss von „Ready Player One“ aber nur eine untergeordnete Rolle. Daher kommt an dieser Stelle bereits der dringende Appell: Geht in den Film – einen solchen Spaß hattet ihr lang nicht mehr!

Im Jahr 2045 flüchtet sich die Menschheit in die Online-Fantasywelt der OASIS.

Wenn man sich wieder einmal bewusst macht, wie sehr Steven Spielberg selbst die (filmische) Popkultur geprägt hat, ist es eigentlich nur konsequent, dass er auch selbst derjenige ist, der „Ready Player One“ für die große Leinwand adaptiert hat. Gleichzeitig fragt man sich schon: Wie viele der Tausenden von Ideen entsprangen tatsächlich dem Geist des 71-jährigen Filmemachers, der seit Jahren in Interviews betont, selbst keinerlei Interesse an der weltweiten Vernetzung zu haben und weder ein Smartphone besitzt, noch das Internet so exzessiv zu nutzen, wie unsereins.  Im Anbetracht des Ergebnisses ist diese Überlegung aber letztlich ohnehin hinfällig, denn wenn Spielberg eine Sache nicht verlernt hat, dann die, die Bedürfnisse seines Publikums zu erkennen und den medialen Zeitgeist zu erfühlen. „Ready Player One“ ist ein Film für die Generation Zuschauer, die meint, schon alles gesehen zu haben und zwei Dinge gleichermaßen liebt: in Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ zu schwelgen und jeden neuen technischen Fortschritt in sich aufzusaugen. Beides kombiniert Spielberg mit „Ready Player One“ in einem sämtliche Sinne ansprechenden Spektakel, für das er den Zuschauer in eine eigens für den Film erschaffene 3D-Welt katapultiert. Die hier angewandte Technik ist zu weiten Teilen fiktional, die hierin lebenden Figuren, die Gadgets, die Fahrzeuge und jedes noch so kleine Detail entstammt dagegen vor allem Romanen, Filmen und Games aus den Achtziger- und Neunzigerjahren. Diese Kombination ist tatsächlich ziemlich einzigartig und hat einen entscheidenden Vorteil, dessen abgegriffene Beschreibung hier ausnahmsweise einmal zutrifft: In „Ready Player One“ ist für Jeden etwas dabei!

Doch so futuristisch die Welt der OASIS auch anmutet, so sehr ist der Film, dessen Geschichte sich in den Grundzügen am Buch orientiert, auch eine Dystopie: Die Erde im Jahr 2045 ist kaum noch bewohnbar, weswegen sich die Menschen lieber in ein virtuelles Reich flüchten. Wenngleich der Film zu Beginn und auch zwischendurch immer mal wieder abseits der OASIS spielt, bekommt man für den Zustand der menschlichen Lebensumstände nie ein richtiges Gefühl. Zwar stapeln sich in Slumähnlichen Trailerparks die Wohnwagen bis in Hochhaushöhe und im Vergleich zur knallbunten Onlinewelt wirkt die im Film geschilderte Gegenwart erwartungsgemäß trist und grau, doch gegen die OASIS sähe vermutlich auch das Jahr 2018 – im übertragenen Sinne – ziemlich alt aus. Darüber hinaus wirkt die gen Ende ausgebreitete Botschaft von „Ready Player One“ nahezu lächerlich: Zumindest der Zuschauer dürfte dem Ausruf, dass die echte Welt besser ist, als die virtuelle, vehement widersprechen, wenn im Film doch vor allem die Momente Spaß machen, in denen Hauptfigur Wade durch die OASIS spaziert. Woran es dem Film fehlt, ist die emotionale Unterfütterung. Wade und seine Kumpels sind in „Ready Player One“ vollständig auf ihren Zweck als Avatare beschränkt, zu denen der Zuschauer allenfalls eine Verbindung aufbauen kann, wie zu Spielfiguren in einem „Let’s Play“-Video; schließlich ist er hier nicht selbst der Spieler, sondern schaut der Odyssee lediglich zu.

Auch in der OASIS kämpft schon bald Gut gegen Böse.

Auch die Story selbst hat leider nicht viel mehr zu bieten, als eine generische Geschichte über einen bösen Großkonzern, der zu seinem eigenen Zweck die Herrschaft über die komplette (Online-)Welt an sich reißen will. Passend dazu mimt Ben Mendelsohn („Die dunkelste Stunde“) das Abziehbild eines garstigen Oberboss-Schurken, während sich Tye Sheridan („Scouts vs. Zombies“), Olivia Cooke („The Limehouse Golem“) und der Rest der Rebellenkids diesem mit jugendlichem Feuereifer und smarter Überlegenheit in den Weg stellen. Nein, erzählerisch erfindet „Ready Player One“ weder das Rad neu, noch bringt es das Skript von Zak Penn („Marvel’s: The Avengers“) und Romanautor Ernest Cline („Fanboys“) fertig, emotionales Interesse an den Figuren zu wecken. Trotzdem sind die Charaktere sympathisch oder exzentrisch genug, um sie mit Wiedererkennungswert zu versehen. Insbesondere Oscar-Preisträger Mark Rylance („Bridge of Spies – Der Unterhändler“) und Publikumsliebling Simon Pegg („Star Trek Beyond“) prägen den Film durch die charismatische Verkörperung prägnanter Zeitgenossen. Und wenn sich Wade und Samantha schließlich gemeinsam gegen den Bösen verbünden, ist der amouröse Ausgang dieser Zweckgemeinschaft zwar vorbestimmt, aber ob seiner Naivität auch irgendwie ganz süß anzuschauen.

Wade (Tye Sheridan) und Helen (Lena Waithe) haben nicht mehr viel Zeit, um ihre Gegner zu besiegen.

Doch weshalb sprechen wir uns entgegen all dieser Schwachpunkte von „Ready Player One“ ganz zu Beginn trotzdem so explizit für diesen Film aus? Dies hat den einfachen Grund, dass dieser Mangel an erzählerischer Kreativität keinerlei Auswirkungen auf das hat, worauf es im Film überhaupt ankommt. Steven Spielberg erhebt nicht den Anspruch auf tiefschürfende Charakterporträts oder eine ausführliche Analyse der Gegenwart. Obwohl es so naheliegend wäre, kommt sein Film sogar ohne anstrengende Anti-Technologie-Message aus (die Erkenntnis, dass die echte Welt die bessere sei, läuft entgegen der Erwartungen nicht darauf hinaus, dass die OASIS für immer geschlossen wird). Letztlich geht es in „Ready Player One“ ausschließlich um eine möglichst kreative Form des oberflächlichen Entertainments. Spielberg singt ein Loblied auf all das, was uns das Abschalten vom Alltag ermöglicht, indem er versucht, jedem relevanten Teil eines mehr oder minder bekannten Popkulturphänomens mindestens einen kurzen Auftritt zu ermöglichen. Das gelingt ihm nicht immer subtil – und gleichzeitig reicht eine einzige Sichtung niemals aus, um jedes noch kleine Detail in „Ready Player One“ auf Anhieb zu entdecken. Spielberg gelingt so etwas wie Film, Computerspiel und Konzert (Musik: Alan Silvestri) in einem, entführt den Zuschauer – im wahrsten Sinne des Wortes – für zweieinhalb Stunden in eine fremde Welt, zeigt ihm einen Rausch an kreativen Ideen und erlegt sich dabei keinerlei Grenzen auf. In der OASIS ist schlicht alles möglich – und somit auch endlich mal wieder im Kino!

Fazit: „Ready Player One“ wäre ein Durchschnittsblockbuster, hätte sich Steven Spielberg nicht dazu entschlossen, seine Reise in die virtuelle Welt zu einem spektakulären Abenteuerspielplatz zu machen, auf dem die erzählerischen Finessen nicht halb so viel zählen, wie die Verneigen vor der Popkultur an sich.

„Ready Player One“ ist ab dem 5. April bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in solidem 3D!

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