Malasaña 32 – Haus des Bösen

Die Kinos öffnen wieder und gerade für Horrorfans gibt es Einiges an Auswahl. Neben Sam Raimis „The Unholy“ startet auch der spanische Grusler MALASAÑA 32 – HAUS DES BÖSEN in den Lichtspielhäusern, der es trotz eines mauen Endes in sich hat. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Im Jahr 1976 zieht es die Familie Olmedo von ihrem Heimatdorf in die spanische Hauptstadt Madrid. Dort, so ihre Hoffnung, sind die Chancen auf ihr privates und berufliches Glück größer. Sie kaufen ein traumhaftes, großzügiges Apartment in der begehrten Calle de Manuela Malasaña, 32. Doch schon bald muss die sechsköpfige Familie feststellen, dass ihnen vor dem Kauf etwas verheimlicht wurde: Sie sind nicht allein. Merkwürdiges geht in der Wohnung vor sich und das pure Böse bahnt sich einen Weg in ihre Mitte…
Kritik
Auch wenn das Filmjahr 2021 aufgrund der Corona-Krise bislang ziemlich gebeutelt ist, haben Horrorliebhaber:innen bislang kaum ein Nachsehen. Allein in den ersten Wochen nach den Kino-Neueröffnungen starten – zumindest nach dem heutigen Kenntnisstand – zwölf (!) Horrorfilme. Darunter von Fans heiß erwartete Indie-Produktionen wie „Possessor“ oder „The Green Night“, aber auch große Schauerspektakel wie „Conjuring 3 – Im Banne des Teufels“, der zweite Teil der „Escape Room“-Reihe oder auch der neue M.-Night-Shyamalan-Film „Old“. Ein weiterer Eintrag in den Horrofilmkalender 2021 stellt die Haunted-House- (oder besser: Haunted-Apartment-)Produktion „Malasaña 32 – Haus des Bösen“ dar, die allein schon deshalb aus dem Rahmen fällt, weil sie im Gegensatz zu der Konkurrenz nicht englischsprachig ist, sondern als spanisch-französische Koproduktion vollständig auf Spanisch gedreht wurde. Bekannte Gesichter gibt es trotzdem zu sehen, wodurch sich auch eine gewisse Verbindung zu den „Conjuring“-Filmen sowie zahlreichen anderen US-Horrorschockern herstellen lässt. Denn der hier ausnahmsweise einmal in seiner menschlichen Gestalt auftretende Javier Botet, den wir sonst eher in seinen diversen Monster-Inkarnationen auf der Leinwand zu Gesicht bekommen (er war beispielsweise der Crooked Man in „Conjuring 2“ sowie der Slender Man im gleichnamigen Kinofilm), ist hier neben einer Handvoll weiterer spanischer Darstellerinnen und Darsteller ebenfalls mit von der Partie. Gemeinsam erweckt das stimmig gecastete Ensemble einen klassischen Gruselfilm zum Leben, der sich in vielen Details angenehm vom Durchschnitt abhebt. Doch ausgerechnet das reißerische Finale schmälert den Gesamteindruck.

Die Familie: Fermin (José Luis De Madariaga), Rafael (Iván Renedo), Manolo (Iván Marcos), Candela (Bea Segura), Pepe (Sergio Castellanos).
Ein großer Unterschied im Vergleich zu den allermeisten Haunted-House-Gruselfilmen lässt sich bereits anhand des Titels erahnen: „Malasaña 32 – Haus des Bösen“ spielt nicht etwa in einem abgelegenen Herrenhaus oder einer alten, halbverfallenen Villa; so wie etwa in „The Conjuring – Die Heimsuchung“, diversen „The Amityville Horror“-Verfilmungen oder „Poltergeist“. Sondern in einem Apartment, mitten in der spanischen Metropole Madrid. Hinzu kommt, dass sich das vierköpfige Autorenteam rund um den durch spanische Hitserien wie „Die Telefonistinnen“ oder „Grand Hotel“ bekannt gewordenen Schreiber Ramón Campos von Beginn an die Mühe macht, das Szenario schlüssig zu etablieren. Plausibilitäts-Stolpersteine wie etwa die in solch einem Spukszenario naheliegende Frage, warum die heimgesuchte Familie nicht einfach das Haus oder hier eben das Apartment verlässt, lässt das Skript gar nicht aufkommen. Die Familie, die all ihr Geld in die Wohnung hat fließen lassen, ist schlichtweg mittellos und dadurch weder in der Lage, von Jetzt auf Gleich ihre neue Behausung zu verlassen, noch auf die tägliche Arbeit zu verzichten, sodass selbst das Alleinbleiben der Kinder für einen gewissen Zeitraum des Tages schlicht nicht vermieden werden kann. Darüber hinaus verkörpern die Schauspieler:innen, allen voran die Jugendliche Begoña Vargas („Boca Norte“), die sukzessive ansteigende Angst ihrer Figur stets authentisch, sodass die Situation nicht erst ab dem plötzlichen Verschwinden ihres kleinen Bruders (und dadurch arg abrupt) eskaliert, sondern sich das ganze Grauen schon im Vorfeld langsam auftürmen kann, eh es sich vollends über der Familie entlädt.
„Plausibilitäts-Stolpersteine wie etwa die in solch einem Spukszenario naheliegende Frage, warum die heimgesuchte Familie nicht einfach das Haus oder hier eben das Apartment verlässt, lässt das Skript gar nicht aufkommen.“
Generell lebt „Malasaña 32 – Haus des Bösen“ sehr stark von den emotionalen Beziehungen der Olmedo-Familie untereinander. Wenngleich Begoña Vargas fast ein wenig zu alt wirkt, um eine Teenagerin zu verkörpern (obwohl sie selbst im wirklichen Leben erst in den frühen Zwanzigern ist), überzeugt sie vor allem im Zusammenspiel mit ihrem deutlich jüngeren Filmbruder Rafael (Iván Renedo). Der gerade einmal achtjährige Schauspielernewcomer Iván Renedo erinnert in seiner immer ein wenig traurig wirkenden Zurückhaltung an Oakes Fegley in „Der Distelfink“ und schafft es schon in seinen jungen Jahren, glaubhaft zwischen einer gewissen Faszination, etwa im Anbetracht plötzlich mit ihm sprechender (und noch dazu ganz schön gruseliger) Fernsehpuppen, sowie purer Angst und der anschließenden, damit einhergehenden lähmenden Lethargie zu changieren. Kein Wunder also, dass der in „Malasaña 32 – Haus des Bösen“ sein Debüt gebende Renedo allein im Jahr 2021 vier weitere Film- und Serienprojekte in Planung hat und seit vergangenem Jahr zudem regelmäßig in der TV-Serie „High Seas“ zu sehen ist. José Luis de Madariaga („Fidel“) als lungenkranker Großvater hat derweil kaum mehr zu tun, als plötzlich irgendwo aufzutauchen und teilnahmslos in die Gegend zu starren. Etwas, was auf den ersten Blick nach einem weiteren Horrorklischee klingt, aufgrund der Anflüge von Demenz und Desorientierung jedoch ebenfalls schlüssig und dennoch nicht weniger unheimlich ist – schon allein aufgrund de Madariagas Erscheinungsbild. Ausgerechnet die beiden Familienoberhäupter Manolo (Iván Marcos) und seine Ehefrau Candela (Bea Segura) sowie der ältere Bruder Pepe (Sergio Castellanos) fallen dagegen ein wenig ab. Dabei gehen auf das Konto von Letzterem einige der besten Szenen, wenn dieser sich mit einer unsichtbar bleibenden Frau aus dem gegenüber liegenden Häuserblock Nachrichten über eine Wäscheleine schickt, die mit der Zeit immer beunruhigender werden.
Obwohl es in einem Apartment (das es in Wirklichkeit übrigens nicht gibt – die richtige Malasaña in Madrid hat lediglich 30 Hausnummern), so geräumig es auch sein mag, im Gegensatz zu einem mehrstöckigen Haus auf den ersten Blick längst nicht so viele Möglichkeiten der kreativen In-Szene-Setzung gibt, um das Grauen möglichst vielfältig über die Familie hereinbrechen zu lassen, gelingt es dem Regisseur Albert Pintó („Sky Rojo“) sowie seinem Kameramann Daniel Sosa Segura („Élite“), mit ihren fast hypnotischen Bildkompositionen für allgegenwertiges Unwohlsein zu sorgen. Auch die Jumpscares sitzen – insbesondere in der ersten Hälfte. Auch wenn die unheimlichsten Momente in „Malasaña 32 – Haus des Bösen“ gleichsam die subtilsten sind. Etwa weil sich im Hintergrund die Bildmotive verändern, ohne dass gezielt darauf verwiesen werden würde. Hier lohnt es sich sogar, den Film ein zweites Mal zu sehen, um möglicherweise noch mehr solcher kleinen Spielereien zu entdecken. Doch mit der Zeit beginnen nicht bloß die Schockmomente das Geschehen zu dominieren. Mit dem Auftauchen einer bestimmten Figur namens Lola entscheiden sich die Autoren für eine komplette 180-Grad-Wendung, indem sie nicht nur auf Motive des Exorzismus-Subgenres zurückgreifen, das bekanntermaßen nicht gerade für seine subtilen Töne bekannt ist. Sie gehen darüber hinaus den Weg der vollständigen Auflösung des Spuks, bei der sich offenbart, dass zwar die Herkunft des Bösen mitsamt seiner Beweggründe für seine Taten ganz interessant ist, doch leider wirkt das „Wie“ dorthin wie ein Taschenspielertrick. Ganz so, als hätte man auf den letzten Metern nicht recht gewusst, wie man die bis dato vielversprechende Konstellation eigentlich zu Ende bringen soll.
„Mit der Zeit beginnen nicht bloß die Schockmomente das Geschehen zu dominieren. Mit dem Auftauchen einer bestimmten Figur entscheiden sich die Autoren für eine komplette 180-Grad-Wendung, indem sie auf Motive des Exorzismus-Subgenres zurückgreifen, das bekanntermaßen nicht gerade für seine subtilen Töne bekannt ist.“
Trotz des enttäuschenden Finals gehört „Malasaña 32 – Haus des Bösen“ klar zu den besseren Vertretern seines Genres. Dafür sorgt nicht nur die meiste Zeit über eine sehr stimmige Inszenierung, sondern auch das Besinnen der Kreativen darauf, dass Figuren, die nicht bloß als Kanonenfutter herhalten, sondern echte Sympathien beim Publikum schüren, klar die besseren Opfer sind. Erst recht, wenn man sich bei der Story nicht permanent aufgrund von Plausibilitätsproblemen fragen muss, weshalb die Heimgesuchten nun dieses oder jenes tun oder eben nicht tun. Ein großer Pluspunkt für einen Film, der als wohl kleinster Vertreter der kommenden „Horrorwochen“ dennoch Aufmerksamkeit verdient hat.
Fazit: „Malasaña 32 – Haus des Bösen“ beginnt als guter Haunted-House-Horrorfilm, der mit einem weitestgehend plausiblen Drehbuch, Atmosphäre und seinem Ensemble punktet. Nur die Auflösung fällt im Vergleich dazu stark ab.
„Malasaña 32 – Haus des Bösen“ ist ab dem 17. Juli 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.