Der Boandlkramer und die ewige Liebe

Im aus dem Kino direkt zu Amazon Prime gewanderten DER BOANDLKRAMER UND DIE EWIGE LIEBE begegnen sich zwei Legenden deutscher Massenunterhaltung: Michael ‚Bully‘ Herbig und Hape Kerkeling. Ob dieses Treffen glänzt, verraten wir in unserer Kritik.

OT: Der Boandlkramer und die ewige Liebe (DE 2021)

Der Plot

Seit Tausenden Jahren sorgt der Tod – in gewissen Breitengraden besser bekannt als der Boandlkramer (Michael ‚Bully‘ Herbig) – für den Übergang Verstorbener aus dem Diesseits ins Jenseits. Das lief bislang – nahezu! – durchweg reibungslos. Aber nun stellt sich dem Boandlkramer ein Hindernis in den Weg, das noch kniffliger ist als dieser störrische Brandner Kaspar von einst: Der Boandlkramer verliebt sich unsterblich in eine Frau namens Gefi (Hannah Herzsprung). Als wäre es dem Boandlkramer aus naheliegenden Gründen nicht schon schwer genug, seine Angebetete für sich zu gewinnen, taucht zu allem Überfluss auch noch ein Nebenbuhler auf. In seiner Not holt er sich kurzerhand Unterstützung beim Teufel (Hape Kerkeling). Was der Boandlkramer hätte ahnen sollen: Luzifer handelt nicht selbstlos, sondern fordert einen Gefallen, der die Welt in ein großes Unglück stürzen könnte …

Kritik

13 Jahren sind vergangen, seit „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ in die deutschen Kinos kam. „Comedian Harmonists“-Regisseur Joseph Vilsmaier brachte somit das populäre bayerische Volksstück über einen Büchsenmacher, der den Tod überlistet, über die Grenzen des Freistaats hinaus. Rund 973.000 Eintrittskarten wurden deutschlandweit verkauft – mehr Tickets als für den Comic-Actioner „Wanted“ mit James McAvoy und Angelina Jolie, „Iron Man“ oder Tim Burtons „Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street“. Nicht schlecht für einen Film, dessen Vorlage eine regional begrenzte Bekanntheit hat und noch dazu über eine solide Prise Regiolekt verfügt – das duldet das deutsche Durchschnittspublikum ja meist nur in Schmunzelkrimis. Gleichwohl gab es vor 13 Jahren auch vereinzelte, enttäuschte Stimmen – versprachen sich manche Kinokenner:innen doch von einem Film mit Michael ‚Bully‘ Herbig in der zweiten Hauptrolle höhere Zahlen. Nur ein Jahr zuvor kam Herbigs Animationsfilm „Lissi und der wilde Kaiser“ immerhin auf 2,29 Millionen Ticketverkäufe. An eine Fortsetzung dachten angesichts dessen nur wenige Außenstehende – und dann zog sich Herbig nach „Bullyparade – Der Film“ auch noch vom humorigen Film zurück, um sich stattdessen als Spannungsregisseur zu zeigen (was mit „Ballon“ sehenswerte Früchte tragen sollte).

Michael Bully Herbig schlüpft ein weiteres Mal in die Rolle des Boandlkramers – also des Todes.

Umso größer war die Überraschung, als Herbig 2019 während der Pressetour zu „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ nicht nur seine erneute Synchronarbeit als Spielzeugcowboy Woody bewarb, sondern auch seine Rückkehr in die Rolle des Boandlkramers. Und nicht nur Herbig sorgte für Staunen, sondern auch der längst medienscheu gewordene Hape Kerkeling, der in „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ als Teufel besetzt wurde und somit eine seiner wenigen Vor-der-Kamera-Performances seit seinem Semi-Rücktritt in Aussicht stellte. Noch vor der Corona-Pandemie abgedreht, dann aber wegen ihr mehrmals verschoben, landete „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ nun letztlich als Exklusivfilm bei Amazon Prime, womit wir der Chance beraubt werden, herauszufinden, ob Teil zwei bundesweit mehr Resonanz erhalten hätte als der Erstling. Dabei standen die Chancen für das Sequel sehr gut. Schließlich wird Herbigs Boandlkramer von der zweiten Hauptrolle zum Protagonisten befördert, hat Kerkeling deutschlandweit mehr Zugkraft als Brandner-Kaspar-Darsteller Franz Xaver Kroetz, und kommt das Drehbuch von „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ allgemeiner daher.

„Weg ist die volksbühnenhafte Tragikomik des Originals, stattdessen wird ein filmischer, herzlicher Humor bespielt – der zudem einigen von Herbigs Idolen Tribut zollt, wie den Marx Brothers und ‚Dick & Doof‘.“

Zwar wird auch in „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ mit bayerischem Akzent gesprochen, jedoch wird nur spärlich in Dialekt abgedriftet. Auch die Tonalität ist anders: Weg ist die volksbühnenhafte Tragikomik des Originals, stattdessen wird ein filmischer, herzlicher Humor bespielt – der zudem einigen von Herbigs Idolen Tribut zollt, wie den Marx Brothers und „Dick & Doof“. Die Abstecher ins Jenseits sowie in die Hölle gleichen darüber hinaus hochwertig produzierten „Bullyparade“-Sketchen – wenn im Abspann von „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ erklärt wird, dass dieser Film auf einer Idee Herbigs basiert, ist das wenig überraschend. Auch wenn es vielleicht jene enttäuschen könnte, die den bayerischen Einschlag des Originals mochten. Doch vielleicht erschließen sich den „Boandlkramer“-Filmen gerade dadurch auch neue Fans. Vor allem Kerkelings Szenen sind sehr kurzweilig: Kerkeling spielt den Teufel mit einer künstlichen Showman-Attitüde und einer näselnden Arroganz, die an Justus von Dohnányis Baron Lefuet in „Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen“ erinnert. Doch während von Dohnányi einen anachronistischen Geschäftsmann spielt, gibt Kerkeling den Beelzebub als (nicht minder anachronistischen) Las-Vegas-Entertainer in schimmernd-weißer Jacke, mit Haartolle und einem Spielzimmer, das aussieht, als hätte Mary Blair (Art Design solcher Disney-Filme wie „Drei Caballeros“ und „Alice im Wunderland“ sowie der Disney-Attraktion „it’s a small world“) ihrem Chef Walt einen Hobbyraum gestaltet: Pastellfarbene Wandmotive zeigen zahlreiche Musikinstrumente und andere Freizeitgegenstände, während in der Raummitte eine glänzende Modelleisenbahn durch güldene, silberne und bronzene, nicht maßstabsgetreue, kindlich-knubbelig gestauchte Modelle ikonischer Sehenswürdigkeiten fährt.

…und er verliebt sich in die Sterbliche Gefi (Hannah Herzsprung).

Doch auch abseits (des natürlich auch singenden) Kerkelings sorgen Gaststars wie Rick Kavanian („Jim Knopf & Lukas der Lokomotivführer“) und Götz Otto („Enfant Terrible“) für spritzige Momente, während Herbig eine glaubwürdig menschelnde Version des Todes spielt: Er führt ein freundliches Geplänkel mit einem verstorbenen Betrüger, ehe er ihn genervt, aber mit Lächeln in der Stimme als blöde Sau tituliert und sich abwendet. Er lässt sich mit seiner kindlichen Naivität vom Teufel über’s Ohr hauen, doch bemüht sich, sobald der Groschen fällt, redlich darum, alles ins Lot zu bringen – ist aber auch spürbar geknickt, weil das sein eigenes Liebesglück in Frage stellt. Leider bleibt neben den übernatürlichen-schrägen Figuren sowie der pointiert-engstirnig gezeichneten Dorfgemeinde (die den spendablen Tod erschüttert für einen Kommunisten hält, der sich als Kapitalist ausgibt – denn natürlich wittert ein konservatives Dorf selbst beim Sensenmann Gefahr von links!) wenig Raum für Hannah Herzsprung („Traumfrauen“): Ihre Gefi wird als geduldig und freundlich gezeichnet, und da hört es eigentlich schon auf. Es fehlen Nuancen, um sie als dramatische Figur für voll zu nehmen, und zugleich bekommt sie zu wenig Humormaterial, um in Sachen Komik mit ihren männlichen Kollegen mitzuhalten. Das ist bedauerlich, schließlich ist es doch die Präsenz dieser Figur, die den Plot in Gang setzt – da sollte sie schon mehr Eindruck hinterlassen und Persönlichkeit haben.

„Auch abseits (des natürlich auch singenden) Kerkelings sorgen Gaststars wie Rick Kavanian und Götz Otto für spritzige Momente, während Herbig eine glaubwürdig menschelnde Version des Todes spielt.“

Ob der angedeutete dritte Teil folgen wird, ist übrigens derzeit unklar. Schließlich müssten sich die Beteiligten für eine Nachfolge Vilsmaiers entscheiden, der Anfang 2020 verstorben ist. Es wäre nachvollziehbar, diese Filmreihe auf sein seicht-spritziges Spätwerk beruhen lassen zu wollen, das seine bayerische Wurzeln nicht verleugnet, und dennoch breit zugänglich ist. Somit versteht es, auch im Norden, Westen und Osten Neugier für weißblaue G’schichten dieser Art zu wecken. Aber womöglich befinden Herbig und Co., dass es Vilsmaier gefallen würde, wenn der Boandlkramer nimmermüde, kauzig-plappernd weiterzieht und neue Kuriositäten erfährt. Publikum dafür wird sich dank Vilsmaiers hier geleisteten Arbeit finden lassen.

Fazit: Weniger (weiß-)blaumütige Freistaatkomik, mehr Anschlusspunkte für den Rest der Bundesrepublik: „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ ist eine kurzweilige Fortsetzung, die ihren sehr bayerischen Vorgänger mit einem gut aufgelegten Kerkeling und einer höheren Humortaktung weiterspinnt.

„Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ ist ab sofort bei Amazon Prime streambar.

2 Kommentare

  • Sven Apitzsch

    Ich stimme Antje zu, Hannah Herzsprung ist leider viel zu wenig zu sehen! Und, Bully macht seine Sache echt gut! Ich habe sehr oft Schmunzeln können! Ich könnte mir einen weiteren Teil sehr gut vorstellen!

  • Lahm und unlustig. Habe den Film nur sehr schwer bis zum Ende durch gehalten.

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